09.07.2025, 09:50 Uhr
«Die Unsicherheit über die US-Wirtschaftspolitik war in den letzten Monaten so hoch wie selten zuvor. Dies hat US-Verbraucher und -Unternehmen destabilisiert», heisst es im Invesco-Ausblick.
Die ausufernde Staatsverschuldung der USA lastet schwer über dem Markt für amerikanische Staatsanleihen und dem Dollar. Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, sieht die US-Währung noch unter 80 Rappen fallen, schliesst einen Absturz jedoch aus. US-Treasuries seien als liquidester Markt für die Finanzwelt zu wichtig.
«Die Finanzierung von Amerikas war kein Thema, solange der US-Dollar nicht in Frage gestellt wurde», sagt Thomas Stucki an einer Medienveranstaltung der St. Galler Kantonalbank mit dem Titel «Weltmacht auf Pump: Zwischen Verschuldung und Vertrauen». Die US-Regierungen hätten die Kontrolle über den Haushalt schon nach der Finanzkrise 2008 verloren. Aber der Dollar hat im Sog von Kapitalabflüssen aus den USA erst in diesem Jahr massiv an Wert eingebüsst.
Dieser Trend halte an. Jedoch sei die Rolle des Greenbacks als dominante Reserveweltwährung nicht in Gefahr, fügt Stucki an. Zu sehr seien Notenbanken und globale Investoren auf US-Staatsanleihen als liquidester Finanzmarkt der Welt angewiesen. Alternativen zum Dollar sind dünn gesät. Beim Gold ist das Volumen zu gering, alternative Ideen wie die Bric-Währung sind in den Augen von Stucki rein politisch motiviert, und auch Kryptowährungen fehle es an Glaubwürdigkeit und einem festen Fundament.
So werde der Dollar zwar weiter schwächeln, aber nicht abstürzen. Zumal nch Einschätzung der St. Galler Kantonalbank die USA nicht in eine Rezession fallen. «Amerika ist eine Dienstleistungsgesellschaft, und anders als beispielsweise in Deutschland halten die Einkommen mit der Teuerung Schritt», argumentier der CIO. Der unverändert kräftige Konsum wirke einem konjunkturellen Absturz entgegen.
Stuckis Augenmarkt gilt dem amerikanischen Arbeitsmarkt. Solange dieser robust bleibe, seien Rezessionsängste unbegründet. Auf die Welt bezogen hat das die nicht unbedeutenden Konsequenz, dass auch der globale Finanzmarkt gesamthaft standhaft bleibe, erklärt der erfahrene Ökonom.
Trotz der zugespitzten geopolitischen Situation, der erratischer Zollpolitik des US-Präsidenten und generell den widersprüchlichen bis abstrusen Signalen aus dem Weissen Haus hält die Bank an den für 2025 definierten Thesen fest: Warten auf den Aufschwun, tiefe Zinsen mit starkem Franken, attrakative Aktien im Tiefzinsumfeld, Sicherheit mit Gold und Bitcoin ist nicht das neue Edelmetall.
Positiv blickt Stucki nach Europa. «Der Euro ist die einzige Alternative zum Dollar», begründet er seine Sicht. Die Eurozone stehe im Vergleich zu den USA schuldenmässig gut da. In Deutschland habe die Schuldenquote seit 2010 sogar abgenommen. Die Programme für Aufrüstung, Infrastruktur, Klimaschutz usw. würden zwar auch mit Schulden finanziert, eröffneten Europa aber eine wirtschaftliche Chance.
Etwas weniger Regulierung und etwas mehr Freiheit vorausgesetzt, könnten den Kontinent voranbringen. Finanziell seien die Impulspakete tragbar: «Anleihen der EU sind als Alternative zu US-Treasuries gesucht», stellt Stucki fest und stimmt ihn für Europa zuversichtlich. Das strahlt auch auf die Schweiz aus, deren Unternehmen ohnehin international orientiert und «ein Spiegelbild der Weltwirtschaft sind.»
Entsprechend hat der Home Bias in der Anlagestrategie der St. Galler KB eine grosse Bedeutung. Die strategische Asset Allocation der Bank setzt sich als 50% Aktien, 37% Obligationen, 8% Liquidität und 5% Gold zusammen.
Diese Woche stehen wichtige Notenbankentscheide bevor. Die Fed, die sich am Mittwoch äussert, werde die Zinsen unverändert lassen, prognostiziert Stucki. Nicht so die Schweizerische Nationalbank, die am Donnerstag entscheidet. Sie werde voraussichtlich den Leitzins von 0,25 nicht auf null, sondern direkt auf minus 0,25 senken, meint der CIO. Mit Blick auf die negative Inflation und den starken Franken sei eine Rückkehr zu Negativzinsen unvermeidlich, so könne man ihn gleich in einem Schritt vollziehen. Das sei operativ einfacher, hält Stucki fest.
Devisenmarktinterventionen seien zwar zur Frankensteuerung wirkungsvoller, aber im grösseren Stil aktuell nicht angebracht. Die Schweiz würde sich sonst dem amerikanischen Vorwurf der Währungsmanipulation aussetzen, mit ungeahnten Folgen, so tollkühn und unberechenbar sich die US-Regierung unter Donald Trump benimmt.