«Aktien, Anleihen, Gold und Währungen»

Nicolas Forest, CIO bei Candriam gibt einen Ausblick auf die zweite Jahreshälfte. (Bild pd)
Nicolas Forest, CIO bei Candriam gibt einen Ausblick auf die zweite Jahreshälfte. (Bild pd)

Im Ausblick auf die zweite Jahreshälfte erläutert Nicolas Forest, CIO bei Candriam, die wichtigsten Punkte für die Anleger. Dabei erklärt er unter anderem, wieso sich der US-Dollar weiter abschwächen dürfte und das Aufwärtspotenzial bei amerikanischen Aktien begrenzt ist.

23.06.2025, 09:53 Uhr
Aktien | Anlagestrategie | Obligationen | Rohstoffe

Vom Jahresbeginn bis zum 13. Juni verlor der MSCI USA in Euro, gemessen an der Nettogesamtrendite, rund 8 Prozent an Wert. US-Staatsanleihen waren aufgrund politischer Unsicherheiten, des Haushaltsdefizits und des mangelnden Vertrauens in US-Vermögenswerte sehr volatil.

Die US-Wirtschaft blieb in den ersten sechs Monaten des Jahres relativ widerstandsfähig – trotz Trumps chaotischem und aggressivem Zollregime, das Verbraucher und Unternehmen belastet. Da die Unsicherheit durch Trumps Politik voraussichtlich anhalten wird und der fiskalische Impuls durch den Gesetzesentwurf «one big beautiful bill» gering ausfallen wird, erwarten wir ein langsameres Wachstum des BIP in den nächsten sechs Monaten.

Anfällig für Enttäuschungen

Vor diesem Hintergrund ist Candriam bei der US-Duration vorsichtig optimistisch eingestellt und rechnet mit einem moderaten Rückgang der Renditen, der jedoch von erhöhter Volatilität begleitet sein dürfte. Der Inflationsverlauf werde voraussichtlich weiterhin uneinheitlich bleiben, da der Aufwärtsdruck durch Zölle und die expansive Fiskalpolitik vermutlich durch das sich abschwächende makroökonomische Umfeld ausgeglichen werde. Die Geldpolitik dürfte kurzfristig nur eine begrenzte Rolle spielen.

Die US-Notenbank wird sich laut Forest voraussichtlich geduldig zeigen, wobei gegen Jahresende mit zwei Zinssenkungen gerechnet wird. Insgesamt erwartet Candriam, dass sich die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bis zum Jahresende bei etwa 4,2 Prozent einpendeln wird.

Auf der Aktienseite gefährdet Trump den US-amerikanischen Exzeptionalismus. Dadurch werden die historische Bewertung und das starke Gewinnwachstum weniger gestützt. US-Aktien haben sich zwar deutlich erholt und liegen wieder auf dem Niveau vom «Liberation Day». Mit der Einpreisung eines positiven Ausgangs der Handels- und Fiskalpolitik in die Märkte scheinen sie jedoch bereits hoch bewertet zu sein. Das begrenze das Aufwärtspotenzial und könnte die Anfälligkeit für Enttäuschungen erhöhen.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Auftragseingänge und BIP-Wachstumsprognosen dürften die Gewinne je Aktie lediglich um 5 Prozent steigen – deutlich weniger als die derzeit vom Markt erwarteten 9 bis 10 Prozent. In diesem Umfeld bevorzugt Candriam eine Positionierung in ausgewählten Sektoren, beispielsweise in der US-Technologiebranche, da hier strukturelles Wachstum und Gewinnsteigerungen durch Künstliche Intelligenz zu erwarten seien.

Europa profitiert

Der MSCI Europe in Euro verzeichnete zum Stand 13. Juni eine starke Wertentwicklung von plus 10 Prozent seit Jahresbeginn, gemessen an der Nettogesamtrendite. Der Marktaufschwung wurde von höheren Kapitalzuflüssen nach Europa, vergleichsweise attraktiven Bewertungen, der beginnenden Zinssenkungsphase der Europäischen Zentralbank (EZB), der Ankündigung des deutschen Konjunkturpakets, dem Anstieg des chinesischen Konsums sowie sinkenden Brent-Ölpreisen getragen. Deutsche Staatsanleihen zeigten sich seit Jahresbeginn zumindest phasenweise sehr volatil, was unter anderem auf politische Spannungen auf beiden Seiten des Atlantiks zurückzuführen ist.

Seit dem vergangenen Sommer haben sich die Nachfrage und das Wirtschaftsklima in Europa leicht verbessert. Dennoch bleibt der Euroraum laut dem CIO anfällig für einen Anstieg der US-Zölle und eine globale Konjunkturabschwächung. Eine zusätzliche Belastung könnte entstehen, wenn China versucht, seine Präsenz auf den europäischen Märkten auszubauen. Die Ankündigungen Deutschlands sowie der Plan der Europäischen Kommission könnten dazu beitragen, die negativen Auswirkungen des Handelskriegs abzufedern. In den kommenden sechs Monaten werde das Wachstum zwar nachlassen, doch dank der Zinssenkungsphase der EZB dürfte eine Rezession voraussichtlich vermieden werden.

Zwei weitere Zinsschritte erwartet

In diesem Umfeld bleibt Candriam hinsichtlich europäischer Duration weiterhin optimistisch gestimmt. Zwar scheint sich die EZB dem Ende ihres Zinssenkungszyklus zu nähern. Dennoch rechne man bis zum Jahresende mit zwei weiteren Zinssenkungen. Diese Erwartung werde durch einen stabilen Inflationsausblick und ein verhaltenes makroökonomisches Umfeld gestützt. «Wir erwarten, dass die Renditen insgesamt weitgehend in einer engen Bandbreite bleiben werden und sich die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen im Bereich von 2,4 Prozent bewegen wird», erläutert Forest.

Im sogenannten Semi-Core-Segment, zum Beispiel in Frankreich, erwartet Candriam eine moderate Ausweitung, wobei die Renditen von aktuell 3,1 Prozent auf etwa 3,2 Prozent steigen dürften. Hohe öffentliche Schuldenstände in Verbindung mit anhaltender politischer und fiskalischer Unsicherheit könnten den Aufwärtsdruck auf die Renditen im Semi-Core-Bereich jedoch verstärken.

Im Gegensatz dazu rechnet Candriam in den Peripheriemärkten mit einer leichten Einengung der Spreads. Die Renditen italienischer Staatsanleihen dürften sich in Richtung 3,3 Prozent bewegen und die spanischen Renditen in Richtung 3,0 Prozent. Dies werde durch verbesserte Primärsalden, eine konstruktivere Fiskalpolitik und robustere Wachstumsaussichten unterstützt.

Auf der Aktienseite stehe die Eurozone an einem Scheideweg und müsse zwischen Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur sowie für US-Zölle abwägen. Zwar sei Europa von den Handelskonflikten betroffen. Durch stärkere fiskalische Massnahmen und attraktivere Bewertungen könnte die Wirtschaft jedoch unterstützt werden, wodurch sich die negativen Effekte der Zölle teilweise ausgleichen dürften. Nach der kräftigen Erholung seien die Bewertungen jedoch weniger attraktiv und heimische Sektoren wie Finanzwerte und Versorger teuer. «Wir agieren daher ausgewogener, da die Unternehmensgewinne durch einen stärkeren Euro im Vergleich zum US-Dollar belastet werden dürften», erläutert der CIO von Candriam.

Gefragtes Gold als Absicherung

Seit Jahresbeginn hat Gold um etwa 29 Prozent zugelegt, gestützt durch geopolitische Spannungen und die Unsicherheiten, die durch Trumps Politik ausgelöst wurden. Ungeachtet seiner beeindruckenden Entwicklung seit Jahresbeginn sei Gold grundsätzlich in einer von geopolitischen Unsicherheiten und Schwankungen der Realzinsen geprägten Welt eine solide Absicherung.

Auch die Schwäche des US-Dollars stützt das Edelmetall. Trotz positiver Renditen auf der Anleiheseite werde die Goldnachfrage weiterhin durch Käufe der Zentralbanken und eine veränderte Präferenz bei Reserveanlagen gestützt. Zudem sei die Nachfrage von Privatanlegern und ETFs gestiegen, da sich Investoren gegen makroökonomische Risiken absichern möchten.

Dollar dürfte noch schwächer werden

Zum Stand 13. Juni 2025 hat der US-Dollar seit Jahresbeginn gegenüber den wichtigsten Währungen deutlich an Wert verloren. Der US-Dollar Währungsindex (DXY) ist um mehr als 10 Prozent gefallen – eine der schlechtesten Entwicklungen seit dem Amtsantritt des Präsidenten. Die Gründe für die Schwäche des US-Dollars sind die durch Trumps Politik verringerte Nachfrage nach dollarbasierten Anlagen sowie Kapitalabflüsse.

In den kommenden sechs Monaten rechnet Candriam mit einer anhaltenden Schwäche des US-Dollars. Da die US-Notenbank angesichts einer nachlassenden Konjunktur voraussichtlich zwei Zinssenkungen vornehmen wird, dürfte der relative Renditevorteil von US-Anleihen schwinden – insbesondere, da sich auch andere Zentralbanken wie die EZB dem Ende ihres eigenen Zinssenkungszyklus nähern.

Gleichzeitig untergrabe das steigende US-Haushaltsdefizit, das durch geringere Einnahmen (Steuersenkungen) noch verstärkt wird, das Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen. Hinzu komme, dass globale Reserve-Manager ihre Währungsallokationen zunehmend umschichten und die Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren möchten, wodurch zusätzlicher Druck auf den Greenback ausgeübt wird.

«Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass der US-Dollar allmählich weiter an Wert verliert – besonders gegenüber Währungen mit verbesserten Aussenbilanzen und attraktiveren Bewertungsperspektiven. Wir gehen davon aus, dass der EUR/USD-Kurs in sechs Monaten bei 1,18 liegen wird», so das Fazit.

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