Bewusstere Anlageentscheide dank höherer Klimatransparenz

Die Schweiz und ihr Finanzmarkt verfolgen das Ziel, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken. (Bild: iStock)
Die Schweiz und ihr Finanzmarkt verfolgen das Ziel, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken. (Bild: iStock)

2022 treten mit der EU-Taxonomie-Verordnung neue Offenlegungspflichten in Kraft. Auch der Schweizer Bundesrat setzt mit der Lancierung der "Swiss Climate Scores" ein wichtiges Zeichen für Klimatransparenz bei Anlagen. Laut Fabio Oliveira von Zürich Invest ermöglichen diese Vorgaben bewusstere Anlageentscheidungen von institutionellen Anlegern und Schweizer Pensionskassen, die ihre Klimapolitik künftig klar formulieren und umsetzen sollten.

18.08.2022, 05:00 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: rem

Ziel des Green Deals der EU von 2019 ist es, die Wirtschaft in der EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Schon bis 2030 soll eine Reduktion der Emissionen von 55% erzielt werden. Um diese Klimaziele zu erreichen, sieht der Green Deal innerhalb der nächsten zehn Jahre Investitionen von 1 Bio. Euro vor. "Trotz dieser enormen Investitionssumme ist die EU zur Erreichung der Pariser Klimaziele auf die Unterstützung des Privatsektors angewiesen", sagt Fabio Oliveira, Senior ESG Officer bei Zurich Invest.

EU-Taxonomie – zentrales Regelwerk zur Erreichung der Ziele des Green Deals

Die Taxonomie-Verordnung ist das zentrale Regelwerk zur Erreichung der Klimaziele in der EU. Erstmals wurden verbindliche Vorgaben zum nachhaltigen und umweltfreundlichen Wirtschaften formuliert. Wie Oliveira erläutert, entfaltet das Regelwerk insbesondere am Kapitalmarkt hohe Relevanz. Hier dient es Unternehmen und Investoren gleichermassen als Massstab. Anleger erkennen anhand der klar definierten Kriterien und der exakten Messgrössen, ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet oder nicht. "Durch die Einhaltung der Regeln heben sich Unternehmen positiv von ihren Mitbewerbern ab und profitieren so von Investitionen, die verstärkt in nachhaltige Unternehmen und Technologien gelenkt werden", betont Oliveira. Gleichzeitig werde der Green Deal der EU unterstützt, bei dem die folgenden sechs Umweltziele im Fokus stehen:

1. Klimaschutz

2. Anpassung an den Klimawandel

3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen

4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft

5. Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung

6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Um nach der EU-Taxonomie als nachhaltig wirtschaftend eingestuft zu werden, muss ein Unternehmen einen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leisten, erklärt Oliveira weiter. Darüber hinaus dürfe aber auch gegen die anderen Ziele nicht verstossen werden. Eine Tätigkeit, die beispielsweise darauf abziele, das Klima zu schützen, aber gleichzeitig die Biodiversität negativ beeinflusst, könne somit nicht als nachhaltig eingestuft werden. Die Offenlegungspflichten für gewisse Unternehmen treten stufenweise in Kraft. Für die ersten beiden Ziele gilt der Stichtag 1. Januar 2022. Für die Ziele 3 bis 6 der 1. Januar 2023. Die ersten Daten werden also für 2021 erhoben und im Jahr 2022 veröffentlicht.

Bundesrat erhöht mit den "Swiss Climate Scores" die Klimatransparenz bei Anlagen

Auch die Schweiz und ihr Finanzmarkt verfolgen das Ziel, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken, um die Ziele gemäss Pariser Klimaabkommen einhalten zu können. Deshalb werden auch in der Schweiz kontinuierlich neue Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels eingeleitet. Nachdem der Bundesrat im März 2022 die verbindliche Klimaberichterstattung für Grosskonzerne verabschiedet hat, folgte Ende Juni mit der Lancierung der "Swiss Climate Scores" für Klimatransparenz bei Finanzanlagen die nächste wichtige Initiative im Bereich Klimaschutz. Ziel des Bundesrats ist es, dass der Finanzplatz Schweiz künftig bei der Klimatransparenz einen internationalen Spitzenplatz einnimmt.

Die "Swiss Climate Scores" schaffen eine Best-Practice-Transparenz bei der klimaverträglichen Ausrichtung von Finanzinvestments. Sie fördern Anlageentscheidungen, die zur Erreichung der globalen Klimaziele beitragen. Der Fokus liegt hier auf der Darstellung der aktuellen Situation von globalen Unternehmen im Anlageportfolio. Der Ist-Zustand wird mittels folgender Messgrössen erfasst:

1. Treibhausgasemissionen

2. Exposition gegenüber fossilen Brennstoffen

Ausserdem wird überprüft, wo sich das Unternehmen in Bezug auf die globalen Klimaziele (Netto-Null-Pfad bis 2050) befindet. Zur Beurteilung werden folgende Messgrössen betrachtet:

1. Globales Erwärmungspotenzial

2. Verifizierte Bekenntnisse zu Netto-Null

3. Management auf Netto-Null

4. Glaubwürdiger Klimadialog

Bis Ende 2023 soll in einem nächsten Schritt der Stand der freiwilligen "Swiss Climate Scores" auf Bundesebene untersucht werden.

Offenlegung der Unternehmen ermöglicht bewusstere Anlageentscheidungen unter Berücksichtigung von Chancen und Risiken des Klimawandels.

Bewusstere Anlageentscheidungen durch Formulierung und Umsetzung klimapolitischer Ziele

"Durch freiwillige und obligatorische Offenlegungen von Unternehmen können Anlageentscheidungen bewusster gefällt werden. Institutionelle Anleger und Pensionskassen profitieren so von wirtschaftlichen Chancen beim Übergang zu Netto-Null und reduzieren gleichzeitig Klimarisiken im Portfolio", sagt der Senior ESG Officer von Zurich Invest.

Jedes Unternehmen und jeder Vermögenswert sei vom Klimawandel und den kollektiven Massnahmen zu seiner Bekämpfung betroffen. Deshalb sollte eine darauf angepasste Klimapolitik strategisch im Anlageansatz berücksichtigt werden. Empfohlen werde die Verpflichtung zu den folgenden Massnahmen:

1. Netto-Null-Portfolios bis 2050: Verpflichtung, die Anlageportfolios bis 2050 auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen umzustellen.

2. ESG-Integration verstärken: Zusammenarbeit mit führenden Anbietern von Klimadaten und Tools, die Portfolios nach Klimarisiken sowie Chancen analysieren. Bei Handlungsbedarf können gezielte Massnahmen ergriffen werden. Die Ermittlung und regelmässige Messung der Treibhausgasemissionen sowie die Exposition des Portfolios bei fossilen Brennstoffen stellt hier die zentrale Aufgabe dar. Zusätzlich sollten Szenarioanalysen eingesetzt werden, die Aufschluss darüber geben, ob die Emissionsreduzierungen ausreichen, die gesetzten Klimaziele zu erreichen.

3. Engagement verstärken: Chancen und Risiken des Klimawandels sollten im aktiven Engagementprozess verstärkt berücksichtigt werden. Nach der Analyse der Treibhausgasemissionen und Exposition zu fossilen Brennstoffen müssen gezielte Engagementaktivitäten lanciert werden. Ziel der Aktivitäten ist die Analyse und Berichterstattung zu Fortschritten bei der Emissionsreduktion und der Steigerung der Energieeffizienz. Zudem sollte ein Eskalationsprozess formuliert werden, in dem Kriterien definiert sind, die bei erfolglosem Dialog den Ausschluss des Unternehmens aus dem Portfolio zur Folge haben.

4. Förderung des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft: Um die Treibhausgasemissionen kontinuierlich zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen, sollten Initiativen innerhalb verschiedener Anlageklassen verfolgt werden. Eine Option sind Anlagen in Green Bonds oder Infrastrukturanlagen im Bereich erneuerbare Energien.

5. Innovation und stetige Weiterentwicklung: Neben den Zielen im Anlageportfolio sollten auch bei Büro- und Geschäftsgebäuden operative Netto-Null-Ziele verfolgt werden, die durch Wassereinsparungen oder den Einsatz von CO2-gesteuerten Klimaanlagen erreicht werden können. Zudem sollten die Chancen und Risiken des Klimawandels in den Innovationsprozess des Unternehmens einfliessen.

"Die Umsetzung dieser Massnahmen ermöglicht institutionellen Anlegern und Pensionskassen künftig, die Chancen und Risiken innerhalb ihrer Anlageportfolios noch gezielter zu messen, zu bewerten und zu berichten. Wo nötig können geeignete Massnahmen eingeleitet werden", zieht Oliveira Fazit.

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