11.07.2025, 13:54 Uhr
Der Spezialchemiekonzern Ems hat im ersten Halbjahr 2025 zwar erneut weniger umgesetzt, aber etwas mehr verdient. Denn der Zulieferer der Autoindustrie setzt unvermindert auf den Ausbau von Neugeschäften.
«Die Entwicklung der Kapitalmärkte steht aus meiner Sicht im Widerspruch zur derzeitigen Risikolage. Die Unsicherheiten sind in den letzten Monaten angestiegen – und dennoch befinden sich die Bewertungen vieler Risikoanlagen am oberen Ende ihrer historischen Bandbreite. Wie passt das zusammen? Vielleicht gar nicht», schreibt Ivan Domjanic, Kapitalmarktstratege bei M&G Investments in seinem Ausblick.
Die zuletzt immer häufiger zitierte Börsenweisheit «die Märkte erklimmen eine Wand der Sorgen» passt für Domjanic derzeit nicht richtig ins Bild. Es stimme zwar, dass die Märkte oft der Nachrichtenlage entgegenlaufen, dies sei jedoch üblicherweise vor allem bei grösseren Trendwenden mit entsprechend extremen Bewertungsniveaus der Fall.
Das heisst, wären die Aktienmärkte derzeit weit von ihren Allzeithochs entfernt und zudem noch sehr günstig bewertet, wären gleichzeitig die Credit Spreads auf vergleichsweise hohen Niveaus, und befänden sich die Renditeniveaus langlaufender Staatsanleihen im Abwärtstrend, dann könnte man der oben genannten Börsenweisheit durchaus etwas abgewinnen.
Das aktuelle Bild sehe jedoch etwas anders aus. Die Bewertungen der meistbeachteten Aktienindizes, wie der S&P 500 oder der MSCI ACWI, seien derzeit nicht gerade günstig. So ist der S&P 500 auf Basis der erwarteten KGVs rund 20 Prozent teurer als im Zehnjahresdurchschnitt, der MSCI ACWI rund 14 Prozent. Auch die Kreditmärkte erscheinen für den Experten derzeit eher teuer als günstig. Die Credit Spreads bei globalen Unternehmensanleihen liegen über 20 Prozent unter ihrem Zehnjahresdurchschnitt.
Hinzu komme, dass die Nachfrage nach klassischen Sicherheitshäfen wie dem US-Dollar und langlaufenden Staatsanleihen, nicht besonders hoch zu sein scheine, was ebenfalls für eine gewisse Sorglosigkeit unter den Investoren spreche. Die angestiegenen Risiken scheinen sich derzeit vor allem in einer Anlage zu bündeln – und zwar im Gold. So verzeichnet der Goldpreis seit Jahresbeginn einen Anstieg um knapp 30 Prozent (in US-Dollar). Die meisten anderen Anlageklassen scheinen laut Domjanic dagegen durch andere Faktoren getrieben zu sein als durch die fundamentalen Risiken.
Die von der Regierung unter Präsident Trump gesetzte Deadline für den Abschluss von Handelsverträgen rückt immer näher. Am 9. Juli läuft die Aussetzung der Gegenzölle nach derzeitigem Stand aus. Bislang wurden nur mit Grossbritannien und China gewisse Vereinbarungen getroffen. Im Falle Chinas erscheinen die Zölle zwar moderater als am «Liberation Day» angekündigt, mit insgesamt 55 Prozent sind sie dennoch deutlich höher als vor dem Amtsantritt von Donald Trump.
Die übrigen Staaten dürften von den USA wohl bald einen Brief mit einem «Friss oder Stirb»-Angebot erhalten. Sollten die Zollsätze für die meisten Staaten ab dem 9. Juli signifikant ansteigen, wäre dies laut M&G ein herber Schlag für den Welthandel und würde das Inflationsrisiko erhöhen. Die Märkte scheine dies derzeit jedoch kaum zu interessieren. Offenbar werde erwartet, dass entweder sehr bald akzeptable Deals geschlossen werden oder Donald Trump im letzten Moment wieder zurückrudert.
Mit dem sogenannten «Big Beautiful Bill» habe Donald Trump neue Sorgen hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit der USA aufkommen lassen. Das US-Haushaltsdefizit befindet sich mit über 6 Prozent des BIP bereits auf dem höchsten Niveau ausserhalb von Rezessionsphasen – mit Ausnahme des zweiten Weltkrieges.
Laut Prognosen diverser Institutionen, inklusive des CBO (Congressional Budget Office), dürfte dieses Defizit mit dem Gesetzesentwurf in der jetzigen Form weiter ansteigen. Gleichzeitig steigen die Zinsaufwendungen aufgrund der höheren Renditeniveaus bei US-Staatsanleihen, was die Haushaltslage zusätzlich verschärft. «Eine potenzielle Schuldenspirale aus höheren Zinsen und steigenden Defiziten ist durchaus ein ernst zu nehmendes Risiko», schreibt der Kapitalmarktstratege bei M&G Investments.
Dabei sei die Staatsschuldenproblematik bei weitem kein reines US-Phänomen. Einige wichtige Staaten in Europa – beispielsweise Italien, Frankreich und Grossbritannien – stehen vor ähnlich hohen Schuldenständen. Auch Japan steht aufgrund der rapide steigenden Sozialausgaben im Zusammenhang mit der alternden Bevölkerung vor einem Haushaltsproblem, auch wenn die Netto-Staatsschuldenquote nach Abzug der Vermögenswerte, die sich im Besitz des Staates und der Bank of Japan befinden, mit rund 80 Prozent deutlich geringer ausfällt als die oft genannte Brutto-Staatsschuldenquote von weit über 200 Prozent.
Die Märkte und Finanzmedien haben den US-Gesetzesentwurf zum Anlass genommen, die Staatsschuldenproblematik weltweit wieder in den Vordergrund zu rücken. Allerdings haben sich die langlaufenden Renditeniveaus nach einem kurzen Anstieg relativ rasch wieder stabilisiert. Auch hier zeigten sich die Märkte nicht sonderlich besorgt. Dennoch sollte man sich laut Domjanic nicht in Sicherheit wiegen. Das Risiko einer drohenden Staatsschuldenkrise dürfte künftig wohl häufiger auf den Tisch kommen.
Auch dem jüngsten Konflikt zwischen Israel und dem Iran scheinen die Märkte bislang kaum Beachtung zu schenken. Zwar stieg der Ölpreis zunächst deutlich an, konnte sich jedoch relativ schnell wieder stabilisieren. Dabei könnte eine grössere Eskalation die iranische Ölproduktion beeinträchtigen und zudem die für den Ölhandel so wichtige Strasse von Hormus blockieren. Ein daraus resultierender potenzieller Anstieg des Ölpreises könnte die Inflation wieder anheizen und somit indirekt die Konjunktur sowie die Zins- und Aktienmärkte beeinflussen – ein Szenario, dem die Märkte derzeit offenbar eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit beimessen.
Trotz der oben genannten Unsicherheiten und Risikofaktoren befinden sich die meisten Aktienmärkte auf Allzeithochs, die Risikoaufschläge an den Kreditmärkten liegen deutlich unter ihrem historischen Durchschnitt und die Renditen langlaufender Staatsanleihen verharren im Vergleich zu den letzten 15 Jahren auf einem erhöhten Niveau.
Insgesamt scheine sich an den Aktienmärkten eine gewisse Sorglosigkeit auszubreiten. Vor allem der US-Aktienmarkt sei auf den ersten Blick «nahezu euphorisch bewertet». Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass der S&P 500 stark von den Big-Tech-Titeln dominiert wird, die wiederum vom Megatrend «Künstliche Intelligenz» angetrieben werden.
Daher spiegle der S&P 500 die Realwirtschaft nur bedingt wieder. Ein realistischeres Bild erhalte man, wenn man die gleichgewichteten Indizes heranzieht. Das erwartete KGV des MSCI USA Equal Weighted Index liegt mit einem Wert von 18 rund 15 Prozent unter dem des kapitalmarktgewichteten S&P 500 und sehr nahe am Zehnjahresdurchschnitt. Das heisse, die durchschnittliche US-Aktie sei nicht wirklich exzessiv bewertet. In Europa seien die Bewertungen sogar noch etwas günstiger, und auch in Asien gebe es teilweise noch sehr günstige Gelegenheiten – insbesondere in Korea, China, Japan, Korea und Indonesien.
«Dennoch ist aus meiner Sicht heute nicht der richtige Zeitpunkt, um voll ins Risiko zu gehen. Von breit angelegten Schnäppchenkursen sind wir ein gutes Stück entfernt. Um im aktuellen Umfeld noch wirklich günstige Anlagechancen zu identifizieren, sind aus unserer Sicht ein gut durchdachter Investmentprozess, langjährige Erfahrung und ausgeprägte Stock-Picking-Fähigkeiten erforderlich», erläutert Domjanic.