Das weltweite Wirtschaftswachstum stagniert. (Bild: shutterstock.com, Avigator Thailand)
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Weltwirtschaft schwächt sich ab. Marc-Antoine Collard, Chief Economist und Director of Economic Research von Rothschild & Co Asset Management, skizziert die weitere Entwicklung.
12.09.2019, 06:00 Uhr
Redaktion: hf
Angesichts erheblicher politischer Risiken und zunehmender Handelsspannungen haben die Zentralbanken beschlossen, geldpolitische Lockerungsmassnahmen (erneut) einzuführen. Diese Massnahmen haben die Aktienanleger beruhigt, die darauf hoffen, dass damit die globale Wachstumsverlangsamung gestoppt wird.
Die anhaltende Aufwertung des US-Dollars, der Zusammenbruch der weltweiten Leitzinsen und die deutliche Umkehrung der US-Zinskurve lassen jedoch an der Wirksamkeit der erwarteten monetären Lockerung zweifeln, insbesondere, weil die Handlungsmöglichkeiten der Zentralbanken begrenzt sind. Angesichts eines US-Präsidenten, dessen wirtschaftliches und geostrategisches Handeln zunehmend unberechenbar geworden ist, setzen sich die Abwärtskorrekturen des globalen Wachstums fort. Dies steht jetzt auch den USA selbst bevor, obwohl einige Marktteilnehmer eine Abkopplung vom globalen Konjunkturzyklus vorhergesagt hatten.
Der Handelsstreit eskaliert weiter
Obwohl es im Interesse beider Länder liegt, eine dauerhafte Lösung zu finden, ist der amerikanisch-chinesische Handelskrieg eskaliert. Seit dem 1. September erhebt die Trump-Regierung Zölle in Höhe von 15% auf einen Teil der restlichen 300 Mrd. US-Dollar an Importen aus China, die zuvor verschont geblieben waren. Ab dem 1. Oktober sollen die Zölle auf Waren im Wert von 250 Mrd. US-Dollar von 25% auf 30% angehoben werden. Bis Ende 2019 werden chinesische Waren von rund 540 Mrd. US-Dollar besteuert, wobei für den 15. Dezember eine finale Erhebung von Zöllen vorgesehen ist. Diese Massnahmen haben das Geschäftsvertrauen erheblich beschädigt. Präsident Trump ignoriert dennoch weiterhin die vielen Warnungen vor möglichen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen und zieht es vor, die Fed für alles verantwortlich zu machen.
Zurzeit sind Vertreter Chinas und der USA damit beschäftigt, sich auf den Zeitplan für ein geplantes Treffen zu einigen. Bislang scheint es so, dass in den heiklen Fragen des Technologietransfers und der Subventionen für chinesische Staatsunternehmen keine wirklichen Fortschritte erzielt worden sind. Obwohl sich die eigene Konjunktur verlangsamt, zeigt sich China wenig flexibel und weigert sich nachzugeben. Die Behörden planen eine stärkere Unterstützung der Wirtschaft, einschliesslich Investitionen in Infrastrukturprojekte und Regionalentwicklung. Obwohl China seit über einem Jahr versucht die Konjunktur zu stabilisieren bzw. sogar anzukurbeln, wurden keine überzeugenden Ergebnisse erzielt.
Zwar bleibt ein gewisser Handlungsspielraum bestehen, doch die Anleger könnten von der Wirksamkeit und dem Umfang der Unterstützungsmassnahmen enttäuscht sein. Nach wie vor ist die chinesische Wirtschaft mit hoher Verschuldung, Schattenbankregulierung und nicht zu unterschätzenden Umweltschutzzwängen konfrontiert.
Gefährdete Finanzstabilität in Schwellenländern
Der Yuan verlor unterdessen gegenüber dem Dollar wieder an Wert und verzeichnete den schlechtesten Monat seit der chinesischen Währungsreform 1994. Die Abwertung ist nicht risikolos, da sie die Binnennachfrage belasten und Kapitalabflussrisiken verstärken könnte, während die Devisenreserven relativ gesehen niedriger sind als zuvor. Genereller wird die Abwertung auch andere Schwellenländer betreffen und damit die Finanzstabilität gefährden.
Darüber hinaus brach in der Region ein weiterer Handelskrieg aus und zwar zwischen Japan und Südkorea. Die beiden Länder erlebten eine Verschärfung ihrer Handelsstreitigkeiten, nachdem südkoreanische Gerichte von japanischen Unternehmen eine Entschädigung für Südkoreaner forderten, die während der japanischen Besatzung gezwungen wurden, in Fabriken zu arbeiten. Obwohl die direkten Auswirkungen protektionistischer Massnahmen nach wie vor schwer einzuschätzen sind, sind in beiden Ländern, die bereits unter dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg und der globalen Konjunkturabschwächung leiden, Kollateralschäden zu spüren.
Schleppende Konjunktur in der Eurozone
Das sich verschlechternde internationale Umfeld verschont leider auch nicht die Eurozone. Die Konjunktur verlief im zweiten Quartal 2019 schleppend und verzeichnete ein Wachstum von gerade einmal 0,2%. Das italienische Wachstum stagnierte, während das deutsche BIP um 0,1% zurückging. Frankreich übertrifft mit einem Wachstum von 0,3% die Erwartung nur verhalten, lediglich Spanien steht mit 0,5% verhältnismässig gut da. Unterstützt durch einen weiterhin starken Arbeitsmarkt – die Arbeitslosenquote lag im Juli bei 7,5% (niedrigster Stand seit 2008) – erwarten die Marktteilnehmer eine Verbesserung der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte. Zudem bleibt das Geschäftsvertrauen in den Dienstleistungssektor weiterhin stark und von der bevorstehenden Rezession im Industriesektor entkoppelt.
Auch die politische Situation in Italien scheint sich beruhigt zu haben: Die neue Koalition aus der 5-Sterne-Bewegung und der Demokratischen Partei steht Brüssel und den EU-Vorschriften deutlich näher, was zu einem Sinken der Zinsen italienischer Staatsanleihen führte.
Verschärfter Einbruch der Industriebranche
Die beiden Parteien müssen sich allerdings noch auf die politische Agenda einigen, und der Haushalt 2020 bleibt eine grosse Herausforderung. Die neue Regierung plant die zuvor angestrebte Mehrwertsteuererhöhung nicht umzusetzen. Der so entstehende Fehlbetrag von rund 23 Mrd. Euro soll durch eine Senkung der Ausgaben und/oder eine Erhöhung anderer Einnahmequellen ausgeglichen werden. Gleichzeitig gingen die deutschen Werksaufträge im Juli um 2,7% erneut zurück, was den Einbruch der Industriebranche verschärfte. Auch die Einzelhandelsumsätze verzeichneten Einbussen von 2,2%.
Angesichts der anhaltenden internationalen Handelskonflikte und der schwachen Geschäftserwartungen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, ist in den kommenden Monaten keine grundlegende Verbesserung der Dynamik in Sicht. Dementsprechend bleiben die wirtschaftlichen Aussichten für das exportorientierte Deutschland unsicher. Die Bundesbank hat gewarnt, dass das BIP im dritten Quartal 2019 schrumpfen könnte, was per Definition zu einer technischen Rezession führt (zwei aufeinander folgende Quartale mit rückläufiger Produktion).
Brexit: Ausgang bleibt unvorhersehbar
Unterdessen hält der britische Premierminister Boris Johnson am Brexit fest und hat das Parlament vom 11. September bis 14. Oktober in eine Zwangspause geschickt. Dies verkürzt die Zeit, die den Abgeordneten zur Verfügung steht, um gegen die Regierung vorzugehen, deutlich. Die wachsende Chance einer vorgezogenen Wahl ist an sich keine Garantie für eine Verbesserung der Situation. Die Umfragen deuten auf eine konservative Mehrheitsregierung hin unter der Leitung eines Premierministers, der ständig wiederholt, dass das Vereinigte Königreich die EU am 31. Oktober mit oder ohne Abkommen verlassen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Ausgang des Brexits nicht vorhersehbar ist, was zu einer Abwertung des Britischen Pfunds und einem Rückgang des Geschäfts- sowie Verbrauchervertrauens führt.
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