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AXA: «Berechtigte Zweifel bleiben»

Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers. (Bild pd)
Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers. (Bild pd)

Die Ertragserwartungen von Aktien haben viel mit den Bewertungen zu tun. Wenn sich die Vergangenheit wiederholt, kann man bei den heutigen Bewertungen mittelfristig mit Wertzuwachs rechnen, auch wenn Zweifel bleiben, schreibt Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers.

15.02.2023, 09:42 Uhr

Redaktion: sw

«Aus gutem Grund kann man für manche Unternehmen pessimistisch sein, weil sie schlecht geführt werden oder in einem Sektor mit strukturellen Problemen tätig sind. Aber ein tiefer Marktpessimismus ist selten angebracht. Baissiers hoffen also meist nur auf bessere Einstiegszeitpunkte. Eine kurzfristige taktische Untergewichtung ist etwas anderes als eine dauerhaft niedrige Aktienquote», sagt Iggo.

Führungswechsel: Seit den Oktobertiefs legten die Aktienkurse stark zu. Ausserdem hat es eine starke Branchenrotation gegeben. Von Ende 2021 bis Ende Oktober 2022 stieg der S&P 500 Energy-Index um 67 Prozent, verlor danach 1,4 Prozent. Ganz anders sieht es im IT-Sektor aus, wo auf 26 Prozent Verlust 10,8 Prozent Gewinn folgten. In den letzten drei Monaten hat man mit den Sektoren Technologie, Konsumgebrauchsgüter und Telekommunikationsdienstleistungen am meisten verdient. Seit Jahresbeginn liegen Substanzwerte vor Wachstumswerten, aber ihr Vorsprung ist knapp und kein Vergleich zu den mindestens 20 Prozentpunkten Mehrertrag von Januar bis Oktober letzten Jahres.

Buy and Hold: Wenn das erwartete KGV des S&P 500 nicht höher war als jetzt, hat man in den folgenden fünf Jahren in über 90 Prozent aller Fälle verdient. Im Schnitt erzielte man zehn Prozent bis 20 Prozent Ertrag p.a. War das KGV aber höher als heute, verdiente man nur in 60 Prozent aller Fünfjahreszeiträume, mit einem Durchschnittsertrag von nur fünf Prozent p.a. Wer auf weitere 20 Prozent Kursrückgang wartet, dürfte danach also mehr verdienen. Das derzeitige Risiko-Ertrags-Profil von Aktien muss deshalb aber nicht über alle Massen schlecht sein. Die Märkte sind volatil, und der Konjunkturausblick ist unsicher, aber entscheidend ist der Zeithorizont. Je niedriger das KGV, desto besser ist der mittelfristige Ertragsausblick – so wie man bei höheren Renditen auch mit Anleihen langfristig mehr verdient.

«Zugegeben, kurzfristig fällt es schwer, sich von der Sektorperspektive zu lösen. Wer aber den Langfristertrag im Blick hat, hat eine andere Sicht», schreibt Iggo. «Wachstumsaktien mögen aus der Mode sein. Langfristig hat man aber mit den Unternehmen am meisten verdient, deren Gewinne auf Dauer am stärksten gestiegen sind. In den USA zählen dazu Technologie-, Gesundheits- und Konsumgebrauchsgüterwerte. Meine Kollegen aus dem quantitativen Management sagen, dass bei der aktuellen Kursrallye Aktien mit niedriger Qualität und hohem Beta vorn liegen. Solche Rallyes sind meist nicht von Dauer, denn Aktien werden schnell zu teuer. Irgendwann setzen sich dann Qualitäts- und Wachstumstitel wieder an die Spitze.»

Nicht amerikanische Aktien sind attraktiv: «Ausserhalb der USA sind die Bewertungen im Langfristvergleich sogar noch überzeugender. In den 1990ern waren japanische Aktien irrsinnig teuer. Die Folge waren 15 Jahre mit Fünfjahresverlusten oder bestenfalls kurzfristigen Gewinnen», fügt er an. Seit der internationalen Finanzkrise beträgt das KGV japanischer Aktien im Schnitt 14,7, gegenüber 33,6 vor 20 Jahren. Seitdem hat man auf Fünfjahressicht mit japanischen Aktien meistens verdient. Das erwartete 12-Monats-KGV beträgt etwa 13. In Europa sieht es ähnlich aus. Kurz gesagt: Wenn der Anlagehorizont nur lang genug ist, wird man bei den jetzigen Einstiegskursen in den nächsten fünf Jahren wohl ordentliche Gesamterträge erzielen.

Konjunkturzweifel bleiben: «Damit man mit Aktien langfristig etwas verdienen kann, müssen die Unternehmensgewinne steigen. Das setzt wiederum eine wachsende Wirtschaft voraus. Die Märkte können ihr derzeitiges Momentum nur dann halten, wenn eine Rezession ausbleibt. Wir wissen nicht, ob das Wachstum anhält, wenn die US-Zinsen langfristig knapp fünf Prozent und die europäischen Zinsen langfristig 3,5 Prozent betragen, was die Notenbanken für angemessen halten.»

Bei einer niedrigeren Inflation droht ein schwächerer nominaler BIP-Zuwachs. Die Unternehmen haben dann vielleicht weniger Preismacht, und der Schuldendienst könnte zu einem grösseren Problem werden, was letztlich auch die Gewinne schwächt. Weil die Unternehmen in letzter Zeit viel neues Fremdkapital aufgenommen haben, scheine das jetzt aber noch kein Thema zu sein. Allerdings wächst die Kreditvergabe nicht mehr so schnell, und die Kreditbedingungen der Banken sind straffer geworden. «Zwei Beobachtungen sprechen für höhere Risiken: In den USA ist die Geldmenge M2 im letzten Jahr real stark geschrumpft, und die US-Zinsstrukturkurve (Zehnjahresrenditen minus Zweijahresrenditen) ist heute so invers wie zuletzt 1980.»

Fazit: US-Aktien sind keineswegs billig, aber sie sind auch längst nicht mehr so teuer wie zuvor. Ausserhalb der USA sind die Bewertungen wesentlich attraktiver. Weil die Wirtschaft dieses Jahr mit höheren Zinsen zurechtkommen muss, spricht fundamental einiges für schwächere Unternehmensgewinne. Im Risikoszenario bleibt die Kerninflation hartnäckig hoch, und die Zinsen werden wesentlich stärker angehoben als zurzeit erwartet. Am Anleihenmarkt rechnet man mit einer Rezession; man erwartet Zinssenkungen für 2024 und eine inverse Zinsstrukturkurve. Die Aktienanalysten erwarten hingegen eine Erholung der Gewinne im kommenden Jahr. Aber wer weiss das schon? Die krisenfesten Arbeitsmärkte und die Aussicht auf hohe strukturelle Investitionen in den nächsten Jahren sprechen allerdings dafür, dass nicht alles schlecht ist. Die Dekarbonisierung, die Neuausrichtung der Lieferketten, Künstliche Intelligenz und das Metaversum sind nur einige Entwicklungen, die in den nächsten zehn Jahren für höhere Unternehmensausgaben sorgen können – und für steigende Gewinne.

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