"Börsenkotierte nachhaltige Sachwerte sichern gegen die Inflation ab"
Jeremy Anagnos, Portfoliomanager der Global Sustainable Listed Real Assets-Strategie von Nordea
Börsenkotierte nachhaltige Sachwerte bieten ein stabiles Fundament in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, sagt Jeremy Anagnos, Portfoliomanager der Global Sustainable Listed Real Assets Strategie von Nordea. Weshalb das so ist, erklärt er im Interview.
21.12.2022, 06:08 Uhr
Redaktion: alm
Herr Anagnos, Sie verwalten den kürzlich aufgelegten Nordea 1 – Global Sustainable Listed Real Assets Fund. Was war die Motivation für die Auflegung dieser Strategie?
Sachwerte sind wesentliche physische Vermögenswerte, die die Grundlage unseres täglichen Lebens bilden. Dazu zählen unter anderem medizinische Einrichtungen, Entwickler erneuerbarer Energien, das Stromnetz und die digitale Infrastruktur. Derzeit sind der Infrastruktur- und Immobiliensektor für die Hälfte aller Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Sachwerte sind also ein wichtiger Hebel, um nachhaltige Ziele zu erreichen: Erneuerbare Energien müssen einfacher gespeichert werden können, zudem werden bestehende Stromnetze und der Verkehr elektrifiziert. Schliesslich benötigen wir eine effizientere digitale Infrastruktur, um dem explodierenden Datenbedarf und dem Internet der Dinge gerecht zu werden. Auf Sachanlagen entfallen derzeit fast drei Viertel der für die Dekarbonisierung erforderlichen Investitionen, und in den nächsten drei Jahrzehnten werden voraussichtlich mehr als 130 Billionen USD an Investitionen in solche Projekte fliessen. Das eröffnet sehr interessante Anlagegelegenheiten.
Wie der Name der Strategie schon sagt, investieren Sie speziell in nachhaltige Sachwerte.Was bedeutet das konkret?
Anlagechancen lassen sich vor allem in drei Bereichen finden. Als erstes zählt dazu der Umweltschutz: Sowohl Immobilien- als auch Infrastrukturunternehmen entwickeln beispielsweise Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und investieren in neue energieeffiziente Gebäude. Im Bereich des gesellschaftlichen Engagements liegt der Fokus in erster Linie auf einfach zugänglichen öffentlichen Verkehrsmitteln und der Entwicklung von erschwinglichem Wohnraum. Schliesslich ergeben sich auch durch die technologische Innovation neue Anlagegelegenheiten. Dazu zählen neben Rechenzentren auch die Nutzung grünen Wasserstoffs für die Energieversorgung von Gebäuden.
Wie genau entscheiden Sie, welche Unternehmen ins Portfolio aufgenommen werden?
Das ist ein sehr wichtiger Schritt im Investitionsprozess. Gemeinsam mit Nordea Asset Management haben wir einen strengen Prozess zur Identifizierung nachhaltiger Unternehmen entwickelt, das sogenannte Framework for Investing in Sustainable Real Assets (FISRA). Dabei werden die 1’200 Unternehmen aus dem gesamten Real-Assets-Universum einer Reihe von Tests unterzogen. Stimmen sie mit der EU-Taxonomie überein? Halten sie die von uns aufgestellten ökologischen und sozialen Kriterien ein? Am Ende dieses Prozesses bleiben nur etwa 150 übrig – rund 80% der Firmen werden also aussortiert. Von diesen 150 Unternehmen werden in der Regel zwischen 60 und 80 im Portfolio gehalten.
Sie sagen, die Strategie biete eine Absicherung gegen die Inflation. Was macht nachhaltige börsenkotierte Sachwerte in Zeiten mit erhöhter Inflation so widerstandsfähig?
Sie haben dank langfristiger Verträge mit ihren Kunden oder dank regulierter Renditen in der Regel sehr stabile Cashflows und Erträge. Anlegerinnen und Anleger dürfen daher auf Dividenden hoffen. Und in vielen Fällen sind Immobilien- und Infrastrukturunternehmen in der Lage, die Inflation an ihre Kunden weiterzugeben. Dies macht sie zu einem stabilen Fundament in Zeiten wirtschaftlicher Anspannung, wie wir sie derzeit erleben.
Wie hat sich die Anlageklasse denn in der Vergangenheit in Phasen mit hoher Inflation entwickelt?
Das FISRA-Artikel-9-Anlageuniversum hat sich in der Vergangenheit deutlich besser entwickelt als der breitere Sachwertmarkt – und zwar unabhängig davon, welchen Zeitraum Sie betrachten und damit auch unabhängig vom Inflationsniveau. Im Vergleich zu Weltaktien haben nachhaltige börsenkotierte Sachwerte starke Renditen und auch eine geringere Volatilität gezeigt. Über einen Zeitraum von fünf, zehn und 15 Jahren hat das FISRA-Artikel-9-Universum den MSCI World Index übertroffen. Ich glaube, der Grund für diese Outperformance liegt darin, dass diese Unternehmen die langfristigen Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Strategien berücksichtigen, anstatt sich nur auf die kurzfristige Rendite zu konzentrieren.
Gibt es Unternehmen, die die Anlagephilosophie dieses Fonds besonders gut veranschaulichen?
Da kommen mir gleich mehrere in den Sinn. Vinci betreibt weltweit Mautstrassen und besitzt Flughafenkonzessionen in 16 Ländern. Die Gruppe führt im ganzen Strassennetz intelligente Mobilitätslösungen ein, um Staus zu vermeiden. Zudem sollen die mit den Konzessionen zusammenhängenden Emissionen bis 2030 um 50% reduziert werden. Vinci ist auf gutem Weg: Zwischen 2018 und 2021 wurde bereits eine Reduktion um 20% erreicht.
Die portugiesische Stromversorgungsgruppe EDP ist ein Vorreiter in Sachen Dekarbonisierung und ist einer der weltweit grössten Entwickler erneuerbarer Energien. Gleichzeitig hält das Unternehmen an seinem Ziel fest, bis 2025 aus der Kohleproduktion auszusteigen und bis zum Ende des Jahrzehnts ausschliesslich erneuerbare Energien anzubieten. Auch im Vereinigten Königreich schreitet die Dekarbonisierung des Stromnetzes dank National Grid schnell voran – verglichen mit 2013 liegt die CO2-Intensität nun 61% tiefer. Zudem verfolgt das Unternehmen das Ziel, die britische Energieversorgung fair und erschwinglich zu gestalten.
Im Bereich diversifizierter Real-Estate-Investment-Trusts (REITs) steht Ventas an der Spitze der sozialen Verantwortung. Das Unternehmen fokussiert auf das Gesundheitswesen und verfügt über ein Portfolio von Alterswohnungen und anderen Gesundheitsimmobilien in den USA, Kanada und Grossbritannien. Die Führung von Ventas pflegt ethische Geschäftspraktiken und ist bestrebt, sich in den Gemeinschaften zu engagieren und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.
LINK, ein REIT mit Sitz in Hongkong, schliesslich hat sich verpflichtet, bis 2035 Netto-Null zu erreichen. Im Zeitraum von 2021 bis 2022 konnte das Unternehmen seine CO2-Emissionen bereits um ganze 15% senken. Und bereits 2026 soll das Portfolio zu 100% aus grünen Gebäuden bestehen.
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