Auch in früheren Inflationsphasen war der Anstieg der Dienstleistungspreise oft sehr hartnäckig», schreibt Brad Tank von Neuberger Berman. (Bild pd)
Wegen der hartnäckigen Inflation bei den Dienstleistungen und des nur schwachen Abschwungs dürften die Notenbanken noch länger an hohen Leitzinsen festhalten, schreibt Brad Tank, Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman.
23.01.2023, 16:56 Uhr
Redaktion: sw
Besonders stark schwankten die Kurse 2022 oft an Tagen, an denen der amerikanische Verbraucherpreisindex veröffentlicht wurde. Die Gesamt- und Kerninflation im Jahresvergleich entsprach zuletzt den Konsenserwartungen. «Wir haben einen weiteren beruhigenden Monat mit stetigen Rückgängen. Allerdings wich die Struktur der Inflation etwas von den Erwartungen ab. Das war vielleicht nicht ganz so erfreulich», heisst es dazu im CIO Weekly.
Massvoll
Als vor einem Monat die Novemberzahlen bekannt wurden, reagierten die Anleger erfreut. Die Teuerung schien auf breiter Front nachzulassen. «Im Dezember fiel die Inflation erneut, und Lebensmittel, Energie und Güter wurden meist sogar billiger. Die Dienstleistungsinflation stieg hingegen weiter. Auch in früheren Inflationsphasen war der Anstieg der Dienstleistungspreise oft sehr hartnäckig», schreibt Tank von Neuberger Berman. Die unmittelbare Marktreaktion sei dann genauso uneinheitlich gewesen wie die Daten. «Die Finanzbedingungen wurden schnell straffer, aber dann folgte eine nachhaltige Lockerung. Aktien stiegen, Renditen fielen, der US-Dollar gab nach, und der Goldpreis legte zu. Nach wenigen Stunden hatten die Anleger dies als eine weitere relativ harmlose Zahlenreihe abgetan.»
Notenbanksignale
Unübersichtlicher wurde die Lage durch Äusserungen von Patrick Harker, Präsident der Philadelphia Fed. Einerseits sei er zu kleineren Zinserhöhungen um nur noch 25 Basispunkte bereit, andererseits wolle er die Zinsen so lange anheben, bis die Inflation wieder ihrem Zielwert entspricht. Schon zu Wochenbeginn hatten sich die Notenbankpräsidenten aus Boston und Atlanta ähnlich geäussert.
«Bereits im November hatten wir festgestellt, dass Investoren zunehmend mehr auf die Konjunkturdaten als auf die scharfe Rhetorik der Fed achten», schreibt Tank. Letzte Woche hat die Weltbank ihre Wachstums-Prognose für 2023 fast halbiert, auf gut 1,7%. Für die Industrieländer erwartet sie statt 2,2% jetzt nur noch 0,5% Wachstum. Die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe signalisieren in den USA, Europa und Japan eine schrumpfende Industrieproduktion. Auch der amerikanische Dienstleistungs-PMI ist gerade unter 50 gefallen, von 56,5 auf 49,6, was ebenfalls für eine Rezession spreche.
«Warum sollte man sich dann Sorgen um die Dienstleistungspreise machen?», fragt der Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman. «Da ein starker Abschwung nicht auszuschliessen ist, fragen sich viele Investoren, ob die Notenbanken die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte 2023 nicht wieder senken müssen. Dazu passt auch die Entwicklung der Anleihenmärkte», fügt er an.
Hartnäckige Inflation
«Wir nehmen hingegen die Fed und die anderen Notenbanken beim Wort. Wir glauben noch immer an eine hartnäckige Teuerung. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass die Güterinflation ihren Höhepunkt überschritten hat.» Energie- und Rohstoffpreise seien nicht leicht zu prognostizieren, weil sie von vielen Faktoren abhängen – von den wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine, dem Neustart der chinesischen Wirtschaft und dem Wetter. Im Dienstleistungsbereich rechne Neuberger Berman trotz des Anstiegs im Dezember mit einem allmählichen Rückgang der Wohnkosten.
Ansonsten dürfte die Dienstleistungsinflation aber hoch bleiben, weil die Löhne steigen und noch immer Personalmangel herrsche. Zuletzt fielen die amerikanischen Arbeitslosengeldanträge auf ein Dreimonatstief und lagen damit unter den Erwartungen. Mit 3,5% befindet sich die amerikanische Arbeitslosenquote fast auf einem 50-Jahres-Tief, und auch die Arbeitslosenquote im Euroraum ist mit 6,5% rekordverdächtig niedrig.
Immer mehr spreche für sehr viel höhere Lohnabschlüsse in Japan, Europa und den USA. Erst im Januar setzten die streikenden New Yorker Krankenpfleger Lohnerhöhungen von nicht weniger als 19% durch. «Die Arbeitnehmer wollen stärker am Wirtschaftswachstum partizipieren. Wir halten das für eine langfristige und weltweite Entwicklung. Wir können uns durchaus vorstellen, dass die Dienstleistungsinflation 2023 hartnäckig hoch bleibt und die Konjunktur nur leicht nachgibt. Die Notenbanken könnten dann noch länger an hohen Zinsen festhalten», so das Fazit.
Die Asset Manager rechnen damit, dass die Inflation in den USA und im Euroraum Ende 2023 auf 3,0% bis 3,5% fällt. Damit wäre sie sehr viel niedriger als zuletzt, läge aber noch immer über dem Zielwert. «Das Maximum der Leit- und Kurzfristzinsen wäre dann von Dauer. Optimistischer sind wir für die Zinsvolatilität, die deutlich niedriger ausfallen könnte als letztes Jahr. Erstmals seit Langem halten wir die Renditen angesichts des Durationsrisikos wieder für angemessen. Wir meinen, dass sie wieder einen ausreichenden Puffer bieten. Die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Konjunktur und Weltlage stets überraschen können. Dennoch glauben wir, dass 2023 für Anleiheninvestoren mehr Chancen und deutlich weniger Risiken bereithält als 2022.
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