Wie wirkt sich die US-Subprime-Krise auf die Konjunktur aus?

28.09.2007, 15:19 Uhr

Die letzten beiden Jahrzehnte waren in den USA gekennzeichnet durch stetiges Wachstum und relativ moderate Inflationsraten. Ähnlich verhielt es sich in vielen anderen OECD-Staaten. Angesichts dieser Stabilität stieg auch die Bereitschaft von Unternehmen und Haushalten, Schulden aufzunehmen – was wiederum durch stetig fallende Zinsen erleichtert wurde. In den USA gaben die Verbraucher gar mehr aus als sie einnahmen – das Risiko sinkender Einkommen oder etwa eines Arbeitsplatzverlustes schien schliesslich gering. Sie investierten an den Finanzmärkten, aber insbesondere erwarben sie Immobilienvermögen. Um den Boom am Laufen zu halten, musste der Kreis potentieller Kreditnehmer aber immer stärker erweitert werden. Auch Schuldner, die unter normalen Umständen als wenig kreditwürdig galten, kamen in den (mittlerweile zweifelhaften) Genuss von Hypothekendarlehen. Womit man bei der Subprime-Krise angelangt wäre: Sobald sich die Kreditbedingungen verschärften, kamen diese Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten.

Dass Risiken nicht ausreichend entlohnt werden – diese Warnung ist schon seit Jahren zu hören. Mittlerweile hat sich das Risikoempfinden tatsächlich gewandelt. An Kredite heranzukommen, ist schwieriger geworden. Die jahrelange Praxis laxer Kreditvergabe, die durch das Aufkommen neuartiger Finanzprodukte noch verstärkt wurde, ist erst einmal vorbei. Die Kreditkosten steigen, manche Schuldner werden komplett von neuem Geld abgeschnitten. Komplexe Kreditstrukturen müssen neu bewertet werden. Bis dieser Prozess vollzogen ist, dürften Unsicherheit und Misstrauen am Kreditmarkt an der Tagesordnung bleiben. Die Verfügbarkeit (kurzfristiger) Darlehen ist jedoch für das Funktionieren der Wirtschaft von enormer Bedeutung.

Die US-Wirtschaft leidet entsprechend unter den Schwierigkeiten im Eigenheimsektor und der Kreditklemme, die sich seit dem Sommer dramatisch verschärfte. Die US-Notenbank nahm dies zum Anlass, den Diskontsatz zweimal und den Leitzins am 18. September um überraschende 0,5% zu senken. Dies löste Begeisterungsstürme an den Aktienmärkten aus. Weniger euphorisch reagierten die Anleihenmärkte, wo die Angst vor den inflationären Folgen des grosszügigen Entgegenkommens der FED überwiegt. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen stiegen. Daran orientieren sich wiederum die Konditionen für US-Hypothekendarlehen. Wenn dies so bleibt, helfen die Zinssenkungen dem Eigenheimsektor nur begrenzt. Auch sonst waren die Nachrichten vom US-Häusermarkt in den letzten Wochen wenig erfreulich. Zwar wurde den staatlich gestützten Hypothekenfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac gestattet, ihre Hypothekenportfolios etwas auszuweiten. Vielen Hypothekenverträge wurden aber mit variablen Zinssätzen ausgestattet, die in den nächsten Monaten nach oben gesetzt werden. Damit werden noch mehr Darlehensnehmer in Zahlungsverzug geraten.

Wie wirkt sich dies nun auf die Realwirtschaft aus? Die Konjunktur-Pessimisten argumentieren mit der Bedeutung des Eigenheimsektors für den amerikanischen Verbraucher. Der private Konsum sorgte für einen Grossteil des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre. Skeptiker befürchten, dass den Verbrauchern nun die Munition ausgeht. Hinzu kommen Inflationsängste. Kurzfristig wirkt die schwächere Nachfrage aufgrund von Immobilienkrise und Kreditklemme zwar eher wie eine Bremse auf die Inflation. Langfristig würde aber die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken bei der Inflationsbekämpfung leiden. Und Inflation ist natürlich dazu angetan, Schuldenberge leichter abzutragen. Zudem blieb der Immobilienboom nicht auf die USA beschränkt. Stark steigende Eigenheimpreise gab es in vielen anderen Ländern. So wie sich die Kreditkrise global ausbreitete, könnte nun auch ein Einbruch der US-Häuserpreise auf andere Staaten übergreifen.

Die Optimisten verweisen auf die Stärke anderer Volkswirtschaften, insbesondere der Emerging Markets, die eine Schwäche Amerikas zumindest teilweise kompensieren könnte. Während diese sich von einem Abschwung in den USA wahrscheinlich nicht komplett entkoppeln könnten, seien sie mittlerweile doch sehr viel besser in der Lage, damit fertig zu werden. Die Währungsreserven sind hoch und der private Konsum gewinnt zunehmend an Bedeutung. Asiatische Schwellenmärkte haben in den vergangenen Jahren stärker zum globalen Wachstum beigetragen als die USA. China und viele andere Länder in der Region exportieren inzwischen mehr nach Europa als in die Vereinigten Staaten. Europa sei zudem durch die relativ geringen direkten Handelsbeziehungen vor einer US-Rezession geschützt. Wünschenswert wäre ein Abbau des amerikanischen Leistungsbilanzdefizits ohnehin.

Die Bedeutung Amerikas für das globale Wachstum ist gesunken. Allerdings sind die USA weiterhin ein grosser Importeur und in vielen anderen Bereichen richtungsweisend, so auch für die Finanzmärkte. Viel hängt also davon ab, ob sich die Kreditmärkte rechtzeitig wieder fangen und inwieweit die Schwellenmärkte von einem Unsicherheitsfaktor, der sie in der Vergangenheit oft waren, in die Rolle des Stabilisators schlüpfen können.

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