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«Die Geopolitik erhöht die Umweltrisiken des Seeverkehrs»

Marc Anis Hanna, Credit und ESG Research Analyst bei Crédit Mutuel Asset Management. (Bild pd)
Marc Anis Hanna, Credit und ESG Research Analyst bei Crédit Mutuel Asset Management. (Bild pd)

«Der Seeverkehr macht 90 Prozent des Welthandels aus und verursacht 3 Prozent der Treibhausgasemissionen. Obwohl er im Verhältnis zur beförderten Gütermenge weiterhin der am wenigsten umweltschädliche Verkehrsträger ist, könnten sich die Emissionen bis 2050 infolge des stetigen Güterzuwachses verdoppeln», schreibt Marc Anis Hanna, Credit und ESG Research Analyst bei Crédit Mutuel Asset Management.

13.05.2025, 12:37 Uhr
Aktien | Nachhaltigkeit

Redaktion: sw

Bis vor kurzem wurden 20 Prozent des weltweiten Containerhandels über den Suezkanal geleitet. Seit Ausbruch des Konflikts im Nahen Osten im Oktober 2023 haben jedoch die zunehmenden Houthi-Angriffe aus dem Jemen den Seeverkehr auf dieser Route stark behindert, sodass er 2024 um 67 Prozent zurückging. Als Reaktion darauf haben die grossen Frachtunternehmen einen Teil ihrer Fracht zum Kap der Guten Hoffnung umgeleitet, wodurch sich die Reise um etwa 6 000 Kilometer, respektive 10 bis 15 Tage, verlängert hat. Diese Entscheidung hat sowohl zu höheren Frachtkosten als auch zu höheren Kohlenstoffemissionen geführt. Die Nichtregierungsorganisation für Verkehr und Umwelt schätzt, dass diese im Durchschnitt pro Fahrt um 45 Prozent höher sind.

Umfassende Umstrukturierung der Lieferketten

Ein weiteres wichtiges geopolitisches Element ist für den Experten der Handelskrieg. Seit Amtsantritt von Präsident Trump haben sich die drohenden Zölle konkretisiert, wie beispielsweise die Einführung eines 25%igen Zolls auf importierte Fahrzeuge seit 3. April 2025 und auf Automobilzulieferer ab 3. Mai 2025. Zwischen den USA und China ist die Eskalation noch stärker ausgeprägt. Der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) warnte am 9. April 2025, dass der Handel zwischen diesen beiden Ländern um 80 Prozent zurückgehen könnte. Dies würde eine umfassende Umstrukturierung der Lieferketten und eine Überbevorratung auslösen, was zu einem starken Anstieg des Handelsvolumens in der ersten Jahreshälfte 2025 und kurzfristig zu höheren Kohlenstoffemissionen führen würde.

Darüber hinaus erwägt die US-Regierung die Möglichkeit, eine Steuer von 120 US-Dollar pro Container zu erheben, das heisst etwa 1 bis 3 Millionen US-Dollar für jedes in China gebaute Schiff, das in den USA andockt. Da 39 Prozent der weltweiten Produktion und 70 Prozent der neuen Aufträge auf chinesische Werften entfallen, sei zu befürchten, dass der weltweite Verkehr beeinträchtigt wird und es zu Umleitungen kommt. Die Containerschiffe würden in Nachbarländern entladen und deren Häfen überlasten, bevor sie dann per Lkw weiter transportiert würden – mit sechsmal höheren Emissionen.

Klimaerwärmung und Seeverkehr: «Ein Teufelskreis»

Obwohl sich diese Beeinträchtigungen langfristig positiv auf das Klima auswirken könnten – insbesondere durch die Verlagerung von Fabriken –, werden sie gemäss Hanna kurzfristig die globale Erwärmung beschleunigen und andere Schifffahrtswege wie den Panamakanal belasten.

Der Panamakanal bewältigt rund 6 Prozent des weltweiten Seeverkehrs, was etwa 14 000 Schiffen pro Jahr entspricht und 40 Prozent des US-Containerfrachtverkehrs ausmacht. Allein durch die «Abkürzung» wurde der Ausstoss von 16 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vermieden. Aufgrund der immer häufiger auftretenden Dürreperioden reicht das Süsswasser nicht mehr aus, um diese Passage optimal zu nutzen, sodass die Behörden gezwungen waren, den Verkehr 2023 um 40 Prozent einzuschränken und die Schiffe auf wesentlich längere Alternativrouten ausweichen mussten.

Neue Wege mit Risiken

Die globale Erwärmung habe jedoch auch den Weg für eine neue Seeroute geebnet, die Asien mit Europa verbindet und die Entfernungen im Durchschnitt um 40 Prozent verringert. Die durch das Schmelzen des Eises erschlossene nördliche Seeroute ist eine Quelle wirtschaftlichen Interesses. Die Zahl der Schiffe, die diese Route nutzen, stieg zwischen 2013 und 2023 um 37 Prozent – die Umweltrisiken nahmen zu. «Die polaren Ökosysteme sind durch Verschmutzung bedroht: schwarze Kohlenstoffemissionen, die sich auf dem Eis ablagern und das Schmelzen beschleunigen, unkontrollierte Entgasung auf See und auslaufendes Schweröl. Als Reaktion auf diese Umweltprobleme haben einige Frachtunternehmen bereits beschlossen, diese Route zu meiden.»

Regularien und Strafen

Die von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization, IMO) gesetzten Klimaziele – null Treibhausgasemissionen bis 2050 – sind für den Experten gefährdet. Es gebe jedoch zwei wesentliche Möglichkeiten, die negativen Klimabeiträge zu mindern. Die erste sei die Regulierung. Um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu beschleunigen, hat die Europäische Union eine Kohlenstoffsteuer eingeführt, die 2024 2 bis 5 Prozent der Frachtkosten ausmachte und sich 2025 verdoppeln könnte.

Um die CO2-Emissionen bis 2035 (gegenüber 2008) um 30 Prozent zu senken, hat die IMO beschlossen, dass ab 2028 alle Schiffe, die ihre Emissionsintensität (auf der Grundlage von 93 g CO2/MJ) nicht jährlich reduzieren, eine Strafe in Höhe von 380 US-Dollar pro Tonne CO2-Überschuss zahlen müssen. Darüber hinaus hat die IMO trotz des starken geopolitischen Drucks die Regularien verschärft, indem sie die Verwendung von Schweröl in der Arktis ab 2024 (mit vielen Ausnahmen bis 2029) verboten hat.

Die zweite Option bestehe in der Erneuerung der weltweiten Flotte – 94 Prozent verbrauchten 2024 fossile Energie. Umweltfreundlichere Kraftstoffe sind auf dem Vormarsch, auch wenn ihre Verwendung aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten vorerst weniger rentabel ist. Mehr als 50 Prozent der Werftaufträge betreffen Schiffe, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden können, in erster Linie mit Flüssigerdgas (38 %), gefolgt von Methanol (9 %). Clarksons, ein führendes Unternehmen auf diesem Gebiet, schätzt dass 20 Prozent der weltweiten Flotte bis 2030 mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden könnten – gegenüber nur 8 Prozent im Jahr 2024.

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