"Es ist völlig legitim, wenn Versicherte eine separierte überobligatorische Vorsorgelösung bevorzugen"

Jörg Odermatt, CEO PensExpert
Jörg Odermatt, CEO PensExpert

PensExpert konzentriert sich mit seinen Vorsorgelösungen auf die Führungs- und Fachkräfte von KMU’s sowie Selbständigerwerbende. PensExpert-CEO Jörg Odermatt erklärt im Interview, warum überobligatorische 1e-Pläne den Versicherten Vorteile bringen.

31.08.2020, 15:34 Uhr
Vorsorge

Redaktion: rem

PensExpert bietet zwei Kadervorsorge Sammelstiftungen mit unterschiedlichem Charakter an. Welche Möglichkeiten bieten 1e-Pläne wie PensFlex insgesamt und für wen eignet sich eher eine traditionelle Kadervorsorgelösung?

Jörg Odermatt: Für die Führungs- und Fachkräfte sind 1e-Vorsorgepläne dann interessant, wenn die Versicherten eine individuelle Anlagestrategiewahl wünschen und der Anlagehorizont genügend lang ist. 1e-Lösungen sind ausserdem sehr transparent, weil die realisierte Wertentwicklung vollständig dem einzelnen Versicherten zugeteilt wird. Bei den traditionellen Bel-Etage-Lösungen erfolgt die Anlagestrategiewahl kollektiv, d.h. die Vorsorgegelder werden für sämtliche Versicherte mit der gleichen Strategie angelegt. Im Gegensatz zu 1e-Plänen besteht aber bei Unterdeckung eine Sanierungspflicht. Deshalb muss in guten Anlagejahren ein Teil der Performance für den Aufbau von kollektiven Wertschwankungsreserven verwendet werden.

Aus steuerlichen Überlegungen ist die maximale Einkaufsumme für Vorsorgenehmer eine wichtige Grösse. Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen PensFlex und PensUnit?

In der Tat gibt es bei der Kalkulation der Einkaufslücken zwischen den beiden Bel-Etage-Arten einen markanten Unterschied. 1e-Lösungen dürfen bei der Berechnung der Einkaufslücken keine Aufzinsung berücksichtigen. Ganz im Gegensatz zu traditionellen Kadervorsorge-Modellen, die weiterhin mit einer Aufzinsung von 2% kalkulieren können. Entsprechend viel tiefer fallen die Einkaufslücken bei 1e-Lösungen aus.

PensExpert richtet sich mit seinen Vorsorgelösungen vor allem an KMU. Aber auch Grosskonzerne bieten zunehmend 1e-Pläne an – aus denselben Motiven?

PensExpert konzentriert sich tatsächlich auf die Führungs- und Fachkräfte von KMU’s sowie Selbständigerwerbende. Seit 20 Jahren betreiben wir das 1e-Geschäft. Unsere Kunden wollen ihre Vorsorgegelder eigenverantwortlich anlegen und gleichzeitig bei komplexeren Steuer- und Vorsorgefragen auf eine kompetente Beratung zählen können. Genau diesen Coaching-Ansatz verfolgt PensExpert bei den 1e-Plänen. Bei den Grosskonzernen steht hingegen das Derisking und somit die Bilanzoptimierung oft im Vordergrund.

1e-Pläne haben in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen. Mit der Beliebtheit wächst aber auch die Kritik. Sind 1e-Pläne wirklich so unsolidarisch, wie dies teils behauptet wird?

Diese Behauptung ist nicht korrekt und lenkt vom eigentlichen Problem der 2. Säule ab. Von der Basis-Pensionskasse getrennte Kadervorsorge-Modelle hat es immer schon gegeben. Und es ist völlig legitim, wenn die Versicherten eine separierte überobligatorische Vorsorgelösung bevorzugen, weil sie die systemfremden und nicht transparenten Umverteilungen reduzieren wollen. Vielmehr wäre die Politik gefordert, den viel zu hohen Umwandlungssatz im BVG-Obligatorium an die Realität anzupassen.

PensExpert hat beim Institut für Versicherungswirtschaft der Uni St. Gallen (I.VW-HSG) eine Studie zum Thema Einfluss der Digitalisierung auf die berufliche Vorsorge in Auftrag gegeben, welche im Mai veröffentlicht wurde. Die Resultate zeigen, dass sich die Bevölkerung ein digitales Vorsorge-Cockpit wünscht wie es etwa aus Österreich und Holland bekannt ist. Wieso ist ein solches Projekt in der Schweiz 2020 noch nicht realisiert?

Im Schweizer Vorsorgemarkt gibt es bereits Organisationen, die ihren Versicherten einen recht guten Vorsorgeüberblick anbieten. Dieser Prozess läuft aber noch nicht vollständig digital. Für ein digitales Vorsorge-Cockpit müssten sämtliche Vorsorge-Player wie Pensionskassen, Säule-3a-Anbieter und auch AHV bereit sein (natürlich mit entsprechender Vollmacht der Versicherten), ihre Vorsorgedaten einer zentralen Stelle elektronisch zur Verfügung zu stellen.

Die Studie des I.VW-HSG thematisiert zudem auch Veränderungen in der Arbeitswelt – Stichworte sind unter anderem Crowdworking, Freelancer und der Niedriglohnsektor. Wie muss die berufliche Vorsorge flexibilisiert werden, um diesen neuen Arbeitsformen gerecht zu werden?

Die Arbeitswelt wird sich mit der Digitalisierung weiter stark verändern und der Gesetzgeber wäre eigentlich gefordert, für die neuen Arbeitsmodelle flexible und vermehrt individualisierte Vorsorgelösungen anzubieten. Leider werden aber in Bundesbern individuelle BVG-Modelle eher bekämpft als gefördert. So dürfen z.B. Freelancer, die in der Regel keine Arbeitnehmer beschäftigen und auch nicht auf eine Pensionskasse ihres Berufsverbandes zurückgreifen können, sich nach wie vor nur bei der BVG-Auffangeinrichtung anschliessen. Damit der Schweizer Arbeitsmarkt auch in Zukunft attraktiv bleibt, sollte der Gesetzgeber offener auf die Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren.

Die Studie fragt auch nach der Akzeptanz von sogenannten Wertkonten. In Deutschland können Versicherte Überzeit auf einem Konto ansparen und später beziehen, beispielsweise für ein Sabbatical, eine Weiterbildung oder die Pflege von Angehörigen. Könnte das auch in der Schweiz funktionieren?

Der Bedarf für Zeitwertkonten wäre bei den Erwerbstätigen in der Schweiz sicher vorhanden und bei der Einführung solcher Modelle könnten wir vom Deutschen Erfahrungswert profitieren. Bekanntlich werden die Erwerbstätigen bis zum Rentenalter mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Deshalb wird in einer modernen Arbeitswelt nebst der Altersvorsorge auch die Lebensphasen-Vorsorge stark an Bedeutung gewinnen. Ein mit Überzeiten oder nicht bezogenen Ferientagen geäufnetes Wertkonto könnte z.B. in einkommenslosen Phasen während eines Zusatzstudiums oder einer vorübergehenden Elternpflege, als wichtiger Lohnersatz dienen.

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