01.11.2024, 10:23 Uhr
Die Immobilienpreise in der Schweiz ziehen weiter an. Die Transaktionspreise für Mehrfamilienhäuser und Büroliegenschaften sind im dritten Quartal 2024 sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch gegenüber dem...
Bereits seit Monaten orientieren sich sowohl die Aktien- als auch die Anleihenkurse angesichts einer unerquicklichen Kombination von Inflations-, Zins- und Konjunktursorgen gen Süden. Es ist ein ungewöhnlich herausforderndes Marktregime, in dem Investoren keinen Schutz in klassischen "sicheren Häfen" wie Staatsanleihen finden, kommentiert Ann-Katrin Petersen von BlackRock.
Der US-amerikanische Leitindex S&P 500 glitt im Umfeld der kräftigsten US-Leitzinserhöhung seit 1994 in Bärenmarktterrain ab. Seit seinem Allzeithoch zu Beginn des Jahres 2022 ist der S&P 500 um mehr als 20% gefallen. "Darüber hinaus hat die scharfe Kehrtwende der Geldpolitik tiefe Spuren an den Anleihenmärkten hinterlassen. Einhergehend mit dem gigantischen Abverkauf sind die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen und deutscher Bundesanleihen seit Jahresbeginn um rund 180 Basispunkte gestiegen. Der Abstand zum Anleihencrash von 1994 schmilzt", fasst Ann-Katrin Petersen, Senior Investment Strategist bei BlackRock, die aktuelle Lage an den Märkten zusammen.
Ihrer Meinung nach ist der Gipfel der Inflation wohl noch nicht erreicht, weder in den USA, wie noch vor Kurzem von Beobachtern angenommen, noch im Euroraum. Obwohl die Verbraucherpreise sich in beiden Währungsräumen zuletzt so dynamisch entwickelten wie seit vier Dekaden nicht, dürfte die Teuerung im Juni neue Höchststände markieren, nach Inflationsraten von 8,5% in den USA bzw. 8,1% im Euroraum im Mai. Hohe Energiepreise spielen nach wie vor eine zentrale Rolle für den hartnäckigen Kosten- und Preisdruck, neben anderweitigen pandemie- und kriegsbedingten Angebotsknappheiten sowie steigenden Mietpreisen in den USA.
"Immer hastiger und vehementer stemmen sich die Zentralbanken gegen Inflationsrisiken, und zwar selbst um den Preis einer wirtschaftlichen Abschwächung", führt Peterson weiter aus. Die Bank oft England (BoE) erhöhte in der vergangenen Woche zum fünften Mal in Folge ihren Leitzins auf ein Niveau von 1,25% und warnte gleichzeitig vor der toxischen Verquickung von Inflations- und Rezessionsrisiken.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wiederum überraschte mit einem Zinsschritt um 50 Basispunkte, der ersten Erhöhung seit 15 Jahren. Die SNB agierte damit entgegen den Erwartungen, und ungeachtet des bereits hochbewerteten Schweizer Franken, noch vor der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zinserhöhungen für Juli und September angekündigt hat.
"Zwar ist die weltweite Teuerungsdynamik vor allem auf Angebotsknappheiten zurückzuführen und liegt damit ausserhalb des direkten Einflussbereichs der Notenbanken. Solange jedoch die Sorge vor sich verselbständigenden Inflationserwartungen und Zweitrundeneffekten, etwa einer Lohn-Preis-Spirale, kursiert, werden die Falken in den geldpolitischen Entscheidungsgremien die Oberhand behalten", ist Petersen überzeugt. In Deutschland etwa erwarteten die von der Bundesbank befragten Bürger für die kommenden fünf Jahre mittlerweile eine Teuerung von durchschnittlich 5% – zwei Prozentpunkte mehr als vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Erneut müssten die Märkte ihre geldpolitischen Erwartungen anpassen. Renditeaufwärtsdruck bei Anleihen und Gegenwind für Aktienbewertungen seien die Folge.
"Geldpolitische Blitzschläge wie in der vergangenen Woche wiederum dürften nicht spurlos an der Realwirtschaft vorüberziehen, gerade in den USA", betont die Investmentstrategin. "So hat es die Fed nicht nur eilig, einen "neutralen" Leitzins von circa 2,5% zu erreichen, bei dem die US-Konjunktur nicht mehr angeschoben wird. Sondern sie scheine gewillt, den Leitzins noch in diesem Jahr auf 3,4% anzuheben – ein Niveau, das die US-Konjunktur bremsen und unserer Ansicht nach den wirtschaftlichen Neustart zum Stillstand bringen könnte."
Für das Jahr 2023 signalisieren die Projektionen der Fed-Notenbanker inzwischen ein Leitzinsniveau von 3,8%, 100 Basispunkte mehr als noch im März. Mit anderen Worten, so Petersen, trete nun das Dilemma der Zentralbanken – der Zielkonflikt zwischen Inflation und Wachstum – verstärkt zum Vorschein. Ein zu starkes Anheben der Zinssätze berge die Gefahr einer Rezession, während ein zu behutsames Vorgehen die Gefahr sich verselbstständigender Inflationserwartungen mit sich bringe. Es falle schwer, sich in diesem Umfeld ein markt-freundliches "Goldilocks"-Szenario vorzustellen.
Zwar scheine an den Kapitalmärkten bereits viel an Zins- und Konjunktursorgen eingepreist. Das Sommergewitter dürfte jedoch erst vorüberziehen, wenn sich eine Reihe von Unwägbarkeiten legten. Dazu zählt nach Meinung Petersens insbesondere die Gretchenfrage, ob die Notenbanken im Kampf gegen angebotsinduzierte Inflationsrisiken tatsächlich eine wirtschaftliche "Vollbremsung" avisieren oder aber eine Verschnaufpause im Zinserhöhungszyklus einlegen und akzeptieren, "mit der Inflation zu leben".
"Back to a Volatile Future" scheine das Gebot der Stunde zu sein – das Gegenstück der "Great Moderation", einer Phase verringerter makroökonomischer Volatilität in den USA von Mitte der 1980er Jahre bis zur Finanzkrise im Jahr 2007, die nicht zuletzt von Preisstabilität gekennzeichnet war, vergleicht Petersen.
Besonders herausfordernd gestalte sich der Balanceakt der geldpolitischen Wende dabei für die EZB, die sich derzeit nicht nur mit Abwärtsrisiken für die Konjunktur, sondern im Hinblick auf gestiegene Renditeunterschiede im Euroraum auch mit Fragmentierungsrisiken auseinanderzusetzen habe. Im Nachgang einer ausserordentlichen Sitzung in der vergangenen Woche bekräftigte der Rat seine Einschätzung, dass die Pandemie zu Verwerfungen geführt habe, die zu einer ungleichmässigen Übertragung der EZB-Geldpolitik in den einzelnen Mitgliedsländern beitrage.
Auf der Grundlage dieser Auffassung hat der Rat beschlossen, bei der Wiederanlage von fällig werdenden Wertpapieren im Rahmen des PEPP flexibel vorzugehen, d.h. bei Bedarf verstärkt Anleihen von Ländern wie Italien zu erwerben, die unter Druck stehen. Darüber hinaus beauftragten die Notenbanker die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems, mit Hochdruck ein neues sog. "Anti-Fragmentierungsinstrument" zu entwerfen. "Ein solches Programm dürfte anders als das 'OMT'-Programm auf Reformauflagen verzichten, aber womöglich Nettoanleihekäufe vorsehen. Es bleibt mit einem Fragezeichen behaftet, in welchem Ausmass und wie lange Hoffnungen auf Unterstützung durch die EZB das Aufwärtspotenzial bei den Risikoaufschlägen der Euro-Staatsanleihen begrenzen", kommentiert Petersen.