Zinsumfeld und Kapitalstrom in die Immobilie

Die Staatsanleihen vieler Länder haben einen beispiellosen Zinsverfall hinter sich. Gleichzeitig ist die Immobilie mit ihrem attraktiven Rendite-Risiko-Profil seit längerem wieder Ziel der Investoren. Der Blick der Anleger geht dabei auch weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Ob das Niedrigzinsumfeld somit Treiber der globalen Kapitalströme in Richtung Immobilie ist, untersucht EY in der jüngsten Ausgabe ihrer Real Estate Trends.

19.05.2015, 17:55 Uhr
Alternatives

Der Blick in die Vergangenheit
Nähern wir uns der Frage über das Beispiel Europa – genauer gesagt: über das Beispiel Immobilieninvestments in Europa, bei denen das Kapital seine Quelle außerhalb Europas hat. Während die Staatsanleihe in den vergangenen Jahren in zahlreichen Regionen der Welt immer weniger attraktiv wird (auch außerhalb Europas), sucht und findet außereuropäisches Kapital immer häufiger europäische Immobilien. Bereits seit 2009 (kurz nach der Finanzkrise) ist ein deutlich steigendes Interesse asiatischer Player zu beobachten: Auffällig waren vor allem Sovereign Wealth Funds. Immobilieninvestments mit Ursprung Asien/Pazifik waren zu dieser Zeit noch extrem auf den britischen Raum fokussiert; das Interesse am übrigen Europa war dagegen noch verhalten. Seit 2010 jedoch steht nicht mehr nur Großbritannien, sondern Europa insgesamt wieder stärker im Fokus internationaler Immobilieninvestoren. Auch die Ursprungsländer sind vielfältiger geworden: So gab es eine deutliche Zunahme von Immobilieninvestments nicht mehr nur aus dem Raum Asien/Pazifik, sondern auch wieder aus Nordamerika.

Volumen verdoppelt
Die Zahlen sind beeindruckend: Im Zeitraum von 2010 bis 2013 hat sich das Immobilienengagement außer-europäischer Investoren in Europa etwa verdoppelt. Dies gilt sowohl mit Blick auf den relativen Anteil als auch auf das absolute Volumen an Immobilientransaktionen. Längst steht auch Deutschland im Fokus: Ob kanadischer REIT, Private-Equity-Investoren aus den USA, Pensions- und Staatsfonds aus Südkorea oder Singapur – in der jüngeren Vergangenheit traten Nordamerika und Asian immer wieder als Ursprungsregionen für bedeutende Transaktionen in Deutschland auf. Der Trend hält auch nach 2013 weiter an: Vor nicht allzu langer Zeit ging ein großes Immobilienportfolio eines börsennotierten deutschen Unternehmens an einen Käufer aus Singapur. Der Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt unseres Hauses hat für 2015 insbesondere den asiatischen Raum als Quelle zusätzlichen Immobilienkapitals für Deutschland genannt.

Vermeintlicher Zusammenhang
Zinsverfall in der Heimatregion bei gleichzeitig steigendem Transaktionsvolumen in der Zielregion Europa – der Blick in die Vergangenheit könnte zu der Annahme verleiten, dass hier ein kausaler Zusammenhang besteht. Dass die Schwäche der Staatsanleihe die jeweiligen Anleger in die sicheren und noch vergleichsweise hochrentierlichen europäischen Immobilienmärkte treibt. So logisch dies anmutet, so falsch ist es, die Wirklichkeit hier derart zu vereinfachen. Der Wirkungszusammenhang ist höchst komplex: Das Zinsumfeld allein hängt nicht monokausal damit zusammen, wie und wohin die weltweiten Immobilien-Kapitalströme fließen.

Komplexes Wirkungsgeflecht
So verfälscht beispielsweise die Historie mancher Anlegergruppen das Bild: Einige Märkte haben großen Aufholbedarf, was die Immobilienquote ihrer institutionellen Anleger angeht. Dadurch entsteht eine zusätzliche Nachfrage, die nicht (allein) ursächlich mit dem Zinsumfeld zu tun hat. Außerdem spielt die Liquidität in den jeweiligen Märkten eine Rolle. Und natürlich sind politische beziehungsweise regulatorische Beschränkungen zu bedenken. So wird beispielsweise in China der Kapitalfluss ins Ausland erst seit kurzem liberalisiert. Weitere Aspekte, die eine Rolle spielen, sind die unterschiedlich hohen Zugangshürden in die jeweiligen Märkte oder auch die jeweiligen steuerlichen Rahmenbedingungen, die anziehend oder abschreckend sein können.

Inflation und Mikromarkt nicht unterschätzen
Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle der Inflation. Wenngleich in manchen Ländern gegenwärtig eher die Sorge vor Deflation statt Inflation umgeht, so spielen langfristig orientierte Anleger immer auch Inflationsszenarien durch – Immobilien bieten je nach Land und Gestaltung der Mietverträge Aussicht auf Inflationsschutz. Und natürlich sind die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und die Fundamentaldaten der jeweiligen Immobilienmärkte zu nennen – bis hin zur Situation auf dem Mikromarkt. Sie bestimmen unter anderem das Vermietungsrisiko und damit die Aussicht auf einen stabilen Cash-Flow aus den jeweils zu erzielenden Mieten. Stimmen die Fundamentaldaten nicht, kann der Zinsabstand zwischen erhofftem Immobilien-Return (im Falle einer Vermietung zu den kalkulierten Konditionen) und Staatsanleihe noch so groß sein. Opportunistische Investoren, die höhere Risiken nicht scheuen, seien an dieser Stelle aus der Überlegung ausgeklammert. Natürlich: Der Zinsabstand spielt in den Überlegungen professioneller Investoren immer eine gewisse Rolle. Entscheidender oder gar alleiniger Faktor ist er aber im Normalfall nicht.

Investmentalternativen
Außerdem gilt: Die Immobilie als Anlageklasse steht selbstverständlich nicht nur im Wettbewerb zu festverzinslichen Investments. Sie steht grundsätzlich im Wettbewerb zu allen anderen Asset- Klassen. Anleger mit diversifizierten Portfolios analysieren in der Regel permanent die Entwicklung einer ganzen Bandbreite von Investmentalternativen (sofern nicht eventuelle regulatorische Gründe von vorneherein ein Investment verbieten). Gibt es hier Verschiebungen mit Blick auf die Rendite-Risiko-Profile, kann auch dies durchaus Wirkung auf die weltweiten Immobilien-Kapitalströme haben. Last but not least gilt natürlich auch, dass nicht alle Länder einen ähnlichen Zinsverfall ihrer Staatsanleihen erlebt haben wie beispielsweise Deutschland.

Fazit
Die Immobilie ist zweifelsohne ein Gewinner der allgemeinen Entwicklung. Sie profitiert davon, dass es seit geraumer Zeit wenige Alternativen gibt, die bei ähnlich geringem Risiko eine ähnlich hohe Rendite versprechen. Das Zinsumfeld und der Spread zur Staatsanleihe ist dabei ein Indikator, der hilfreich ist, um einen Teil der weltweiten Immobilienaktivitäten zu erklären. Dabei bleibt das Zinsumfeld aber eben auch nur das, was es dem Namen nach ist – ein Umfeld. Wichtig zwar, aber doch nur ein Rahmen. Zumindest aus Sicht sicherheitsorientierter langfristiger Anleger gilt: Die Attraktivität der Immobilie liegt zu einem deutlich größeren Teil in ihr selbst und in den ihr zugrundeliegenden makro- und mikroökonomischen Fundamentaldaten.

Hier geht's zum vollständigen Report, welcher auch ein Gespräch mit Dr. Hans Volkert Volckens enthält. Dr. Volckents ist der geschäftsführenden Gesellschafter der Immobilis Trust GmbH und Leiter des Arbeitskreises Risikoanalyse und Krisenprävention der Initiative Corporate Governance der Immobilienwirtschaft e.V.

Quelle: EY

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