«Lieber einen starken Franken als einen schwachen»
Die Teuerung in der Schweiz verharrte im August auf 1,6 Porzent. Für die SNB dennoch kein Grund, den starken Franken zu schwächen. (Bild: Shutterstock.com/Kamil Zajaczkowski)
Lange Zeit hat die Schweizerische Nationalbank versucht, die Frankenstärke zu bekämpfen, um die exportlastige Schweizer Wirtschaft zu stützen. «Jetzt stärkt sie ihn seit einem Jahr bewusst, um die Inflation zu dämpfen», sagt Thomas Heller, CIO von Belvédère Asset Management. Und fragt: Was ist besser für eine Volkswirtschaft, eine starke oder eine schwache Währung?
01.09.2023, 11:32 Uhr
Redaktion: hf
Zwar hat der Franken in den letzten Wochen vor allem gegenüber dem US-Dollar etwas an Wert verloren. «Aber er ist noch immer stark, sehr stark», betont Thomas Heller. Für den CIO des Zürcher Vermögensverwalters hat das unter anderem damit zu tun, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) seit vergangenem Jahr mit Devisenverkäufen den Franken bewusst gestärkt hat, um die Inflation zu bekämpfen.
Zuvor hatte sie viele Jahre hinweg mit allen Mitteln versucht, Franken-Anlagen unattraktiv zu machen. Heller verweist auf einen Kommentar der SNB unter dem Titel 'Rolle und Höhe der Reserven der Nationalbank' vom Februar 2006. Aus heutiger Sicht sei dieser Kommentar besonders bemerkenswert. «So kann die SNB im Falle einer Frankenschwäche [...] am Devisenmarkt intervenieren und durch den Verkauf von Fremdwährungen den Franken stützen», zitiert Heller daraus.
Abwerten ist verlockend, weil bequem
Der Euro/Franken-Kurs lag damals bei 1.55 und stieg bis Herbst 2007 auf den Höchstwert von 1.68. Es kursierte die Frage, ob die SNB dem Franken unter die Arme greifen sollte, damit er nicht zu schwach werde.
Die Ausgangslage sei nicht die gleiche wie 2006, die Frage aber dieselbe: Starke oder schwache Währung – was ist besser für ein Land? fragt Heller im einleitenden Kommentar zu den jüngsten Marktperspektiven des Hauses.
Wertet eine Währung um beispielsweise 10% ab, sind Produkte aus diesem Land auf dem Weltmarkt, wenn alle anderen Parameter gleichbleiben, 10 Prozent billiger. Ein ziemlicher Wettbewerbsvorteil, einfach so ohne Anstrengung, ohne (sichtbare) Kosten.
Doch der Konkurrenzdruck fehlt
Viel mühsamer ist es, wenn ein Preisvorteil von 10% über die realen Produktionsprozesse erzielt werden muss. Das bedeutet, dass Produktivitätsfortschritte, Kostensenkungen und/oder strukturelle und fiskalische Anpassungen nötig sind. Das erfordert grosse Anstrengungen, braucht Zeit und es entstehen (sichtbare) Kosten, etwa durch die Verlagerung von Arbeitsplätzen.
Was liegt also näher, als der heimischen Exportwirtschaft mit einer Schwächung der eigenen Währung auf die Sprünge zu helfen?
Kurzfristig kann dies erfolgreich sein. Langfristig ist eine Abwertung jedoch kein Ersatz für Strukturreformen, Produktivitätsfortschritte und Innovation: «Eine schwache Währung macht faul und träge, eine starke hält fit», lautet seine Antwort.
Stärker heisst besser
Deshalb sind Produktivität und Innovation in Starkwährungsländern tendenziell höher, und entsprechend sind Länder mit einer starken Währung langfristig im globalen Wettbewerb besser positioniert.
Ausserdem: Eine starke Währung verbilligt Importprodukte und hält die Inflation und die Zinsen tief. Davon profitieren alle, betont der CIO.
Das Leben mit einer harten Währung mag herausfordernd und manchmal schmerzhaft sein. Besonders schockartige Aufwertungen – wie 2011 und 2015 in der Schweiz – und Abwertungen stellen eine Volkswirtschaft auf die Probe.
Auf lange Sicht würden die Vorteile einer starken Valuta hingegen klar überwiegen, fasst Heller zusammen: «Es ist besser, man hat Probleme mit einer zu starken als mit einer zu schwachen Währung.»
Damm gegen importierte Inflation
Die Jahresinflation in der Schweiz verharrte im August auf 1,6 Prozent und ist im internationalen Vergleich niedrig. Die Politik der SNB scheint damit aufzugehen, den Franken wieder zu schwächen nicht opportun. Die hohe Teuerung im Ausland würde sonst in die Schweiz überschwappen.
Thomas Heller räumt ein, dass die konjunkturellen Risiken für die nächsten sechs Monate zugenommen haben. Belvédère rechne nicht mit Rezessionen, aber doch mit einer Stagnation in der Eurozone. China dürfte deutlich unter Potenzial wachsen, und auch in den verschlechterten sich die Perspektiven. Höhere Zinsen und ein langsam schwächer werdender Arbeitsmarkt dürften die Aussichten in den kommenden Monaten eintrüben.
Mit Blick auf die Zinsen sei noch je ein Schritt von der EZB und der SNB zu erwarten. In der Schweiz übernimmt der starke Franken wie erwähnt einen Teil der geldpolitischen Straffung. Die US-Notenbank werde vermutlich die Leitzinsen nicht mehr weiter anheben. «Da Zinserhöhungen erst mit einer Verzögerung von bis zu einem Jahr ihre Wirkung in der Wirtschaft entfalten, macht es für die Fed nach dem über einjährigen Zinserhöhungszyklus Sinn, abzuwarten», argumentiert Heller.
Volatil seitwärts an den Aktienmärkten
Was die Aktienmärkte betrifft, sind für ihn wichtige Faktoren für die zukünftige Entwicklung China und die Zinsen. Solange der Abschwung in China nicht zum Stillstand kommt, werde es kaum Momentum für die europäischen Börsen geben.
Zinssenkungen der Notenbanken sind für den CIO noch nicht in Sicht. Positiv wertet er hingegen die steigenden Gewinnschätzungen, besonders in den USA. Bei den Quartalszahlen der Unternehmen habe eine Mehrheit der Firmen in den USA und in der Eurozone die Erwartungen übertroffen. Anders in der Schweiz, da habe der starke Franken die Ergebnisse stärker als angenommen belastet.
Zusammenfassend, so Heller, hielten sich die Chancen und Risiken immer noch etwa die Waage. Wahrscheinlich sei damit in den kommenden Wochen eine volatile Seitwärtsentwicklung.
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