Werbung

Fünf Thesen fürs Anlagejahr 2022

Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, sieht ein Zeitfenster, bei dem SNB beginnen könnte, von den Negativzinsen abzurücken: "Ende 2022, wenn die Fed die Zinsen erhöht." (Bild: Shutterstock.com/marekusz)
Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, sieht ein Zeitfenster, bei dem SNB beginnen könnte, von den Negativzinsen abzurücken: "Ende 2022, wenn die Fed die Zinsen erhöht." (Bild: Shutterstock.com/marekusz)

Inflation und Zinsen sind heiss diskutierte Themen an den Finanzmärkten. Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, beruhigt die Gemüter, die Teuerungsgefahr wittern. Die Inflation werde sich abschwächen, und ja, die Zinswende ist da – so eine der Thesen. Aber Wirtschaft und Märkte könnten damit leben.

25.11.2021, 14:48 Uhr

Autor: Hanspeter Frey

Von den fünf Thesen, welche die St. Galler Kantonalbank (SGKB) fürs zu Ende gehende Jahr aufgestellt hatte, gingen alle auf – ein Firmenrekord. Einzig beim "Rückenwind" für den US-Dollar gab es etwas Abstriche. Börsenaufschwung, Immobilienhausse, Zinspolitik am Ende und positive Wirtschaftsdynamik stellten sich allesamt ein. Wobei, relativiert CIO Thomas Stucki, "war es für 2021 auch nicht sonderlich schwierig."

Die noch immer grassierende Pandemie tropfte an den Märkten ab. "Seit November 2020, als es die erste Impfung gab, ist Covid-19 an den Anlegemärkten kein Thema mehr. So wird es aller Voraussicht nach auch bleiben," blickt die Leiterin Anlagestrategie, Caroline Hilb Paraskevopoulos, voraus.

Was sind die fünf Thesen der Bank für das neue Jahr? Thomas Stucki und Caroline Hilb haben sie den Medien vorgestellt.

These 1: Die Zinswende ist da

Die Wirtschaft hat sich vom Corona-Schock so schnell und kräftig erholt, dass das Angebot mit der Nachfrage nicht Schritt hielt. Inflation ist die Folge. Der Anstieg der Energiepreise, ist Stucki überzeugt, läuft aus. Bis die Lieferengpässe überwunden sind, werde es länger dauern. "Die Inflation kommt zurück, bleibt aber höher als vor der Pandemie", sagt Stucki.

Die Notenbanken reagieren. Die englische hat bereits, die US-Zentralbank werde Ende 2022 erstmals zur Zinsschraube greifen, insgesamt jedoch behutsam vorgehen wie 2016 bis 2018, während die EZB mit Rücksicht auf die schwächeren Euroländer weiterhin zögern werde.

In der Schweiz falle die Inflation von zurzeit wenig mehr als 1% kaum ins Gewicht. Die SNB stehe nicht unter Handlungsdruck. Trotzdem sieht Thomas Stucki, früherer Anlagechef der SNB, ein Zeitfenster, in dem die Nationalbank ohne grösseres Aufheben und den Markt zu belasten beginnen könnte, von den Negativzinsen abzurücken.

Dieses Zeitfenster öffne sich, wenn die US-Notenbank Ende 2022 erstmals mit einer Leitzinserhöhung aktiv werde. Dem könnte sich die SNB anschliessen, sofern der Franken nicht zu stark unter Druck steht. Bis die EZB weit ist, könne zu viel Zeit vergehen, weshalb zuwarten, wenn sich früher eine Gelegenheit ergebe, meint der Ex-SNB-Mann, denn eine Dauerlösung seien Negativzinsen nicht.

Per Ende 2022 prognostiziert die SGKB für zehnjährige US-Treasuries eine Rendite zwischen 1,90 und 2,20% (aktuell 1,60%), für deutsche Bunds -0,10 bis 0,10% (zurzeit -0,30%) und für zehnjährige Eidgenossen ebenfalls -0,10 bis 0,10% (aktuell -1,80%).

These 2: Schweizer Wirtschaft mit rosigen Aussichten

Die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft bleiben positiv. Neben einer starken Exportnachfrage werde auch die Binnenwirtschaft gut laufen. Weil der Franken gleichzeitig zur Stärke neige (Prognose für den Euro Ende 2022 CHF 1.03 bis 1.08 Fr. und für den Dollar CHF 0.92 bis 0.97) werde die SNB weiterhin am Devisenmarkt intervenieren. Eine geordnete Aufwertung des Frankens zuzulassen, aber Schocks zu verhindern versuchen, sei das Motto.

Für die Schweizer Wirtschaft rechnet die SGKB im nächsten Jahr mit einem BIP-Wachstum von 2,8% nach 3,5% in diesem Jahr. Für die USA und die Eurozone werden 4,0% (nach 6,0% 2021) respektive 3,5% (4,7%) erwartet.

These 3: Energiekrise wird abgesagt

"Energiekrise", meint Thomas Stucki, sei im Grund das falsche Wort. Erdöl kostet nicht viel mehr als vor Corona. Zutreffender sei es, von "europäischer Erdgaskrise" zu sprechen.

Massiv verteuert haben sich die Gaslieferungen von Russland nach Westeuropa. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei, dass die westeuropäische Abhängigkeit von Erdgas durch den Umbau von Kohle und Atom auf Kombi-Gaskraftwerke noch gestiegen ist. Eine Entspannung sei erst nach dem Winter zu erwarten, wenn die Nachfrage abnimmt. Aber auch bei den Gas- und Strompreisen werde eine Beruhigung eintreten und den Begriff "Krise" relativieren.

These 4: Robuster Immobilienmarkt

Die Preise für Immobilien sind hoch, und trotzdem ist die Nachfrage ungebrochen. Tiefe Zinsen und stabile Einkommen hielten diese hoch. "Wir haben nicht Angst, dass die Immobilienpreise einbrechen", sagt Stucki.

Bei den Renditeliegenschaften ist er vorsichtiger, "da laufen die Preise den Mieten davon." Doch solange die Rendite einer mässig belegten Liegenschaft höher ist als die Obligationenrendite, werde weiter in Immobilien investiert.

Kein Pardon kennt die Bank hingegen bei den Immobilienfonds. Agios von 40 bis 50%, wie sie sich im Sog des Immobilienbooms aufgebaut haben, "sind einfach zu viel", so der CIO. "Steigen die Zinsen, verlieren die Immobilienfonds stark an Wert, bis die Agios wieder normale Niveaus von 20 bis 25% erreichen."

These 5: Gewinnwachstum bestimmt Aktienmarkt

Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie, zum Aktienmarkt: "Das Gewinnwachstum der Unternehmen von geschätzten 20% im nächsten Jahr wird ein positiver Treiber bleiben, auch wenn im Vergleich zum Vorjahr der Zenit überschritten ist." Die Fortsetzung der wirtschaftlichen Erholung sei für die Aktienkurse eine gute Basis.

Aufgrund des guten Konjunkturverlaufs würden die Aktienmärkte auch mit einer höheren Inflation zurecht kommen: "Steigende Inflation und höhere Aktienindizes sind kein Widerspruch." Auch der Mangel an Alternativen spreche weiterhin für Aktien.

Wie anlegen?

Diese sind bei der St. Galler KB im ausgewogenen Franken-Portfolio für Privatanleger mit einem Anteil von 55% übergewichtet. Das Schwergewicht bilden die Industrieländer mit Fokus sowohl auf Wachstums- und Substanzwerten. "Entscheidend ist die Qualität", betont Hilb.

Schwellenländer sind untervertreten. Chinas Politik und die Erwartung steigender US-Zinsen seien ein zu grosser Unsicherheitsfaktor, so die Begründung.

Über alles gesehen stellt sich die Bank nach dem spektakulären Kursverlauf in den letzten achtzehn Monaten auf ein "normales" Aktienjahr ein, mit einer durchschnittlichen Avance um 5 bis 6%, plus Dividende. Im SMI wären das Ende 2022 rund 13'100 Punkte.

Zur Stabilisierung allfälliger Aktienturbulenzen umfasst das Portfolio 35% Obligationen. 5% entfallen auf Gold, auch wenn beim Goldpreis keine grösseren Bewegungen erwartet werden. Motiv für die Goldposition sind Versicherungsüberlegungen. Denn was 2022 alles bereit hält, wissen auch die Expertinnen und Experten der St. Galler Kantonalbank nicht, trotz ihres Prognose-Volltreffers für dieses Jahr.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen die bestmögliche Nutzung unserer Website zu ermöglichen.> Datenschutzerklärung