Nachhaltige Investments: Zunehmend beliebt und oft missverstanden

Trotz Corona-Krise verwalten nachhaltige Fonds in der Schweiz 60% mehr Vermögen als noch vor einem Jahr. (Bild: Shutterstock.com/petrmalinak)
Trotz Corona-Krise verwalten nachhaltige Fonds in der Schweiz 60% mehr Vermögen als noch vor einem Jahr. (Bild: Shutterstock.com/petrmalinak)

Die Vermögen nachhaltiger Publikumsfonds sind in der Schweiz über die letzten zwölf Monate trotz Corona-Krise stark angestiegen. Allerdings verspricht nur eine Minderheit dieser Anlagen explizit eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt.

18.11.2020, 06:00 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: alm

Nachhaltige Investments sind die Gewinner der Corona-Krise: Das Angebot an nachhaltigen Publikumsfonds wächst im Vergleich zum Vorjahr von 595 auf 777 Fonds (+31%). Die darin verwalteten Vermögen steigen von 198 auf 316 Mrd. Franken (+60%) – und dies, obwohl der Gesamtmarkt stagniert. Knapp 6% aller Fondsvermögen sind nachhaltig investiert. In der Summe ist das deutlich weniger als die hohe mediale Präsenz des Themas erwarten lässt. Jeder vierte Franken, der neu investiert wird, wird heute allerdings nachhaltig angelegt. Um diese Neugeldzuflüsse herrscht unter den internationalen und Schweizer Anbietern ein intensiver Wettbewerb. Das sind die Ergebnisse der IFZ Sustainable Investments Studie 2020.

Umwandlung konventioneller Fonds in nachhaltige Fonds liegt im Trend

Deutlich häufiger als in den Vorjahren haben Anbieter konventionelle Fonds in eine nachhaltige Bewirtschaftungsform überführt. Die Studie identifiziert insgesamt 73 ehemals konventionelle Fonds mit einem Vermögen von 28 Mrd. Franken, die von ihren Anbietern neuerdings als "nachhaltig" positioniert werden.

Die Umwandlung in nachhaltige Fonds sei jedoch anspruchsvoll: Anbieter kämpfen mit Wissenslücken und Umsetzungsfragen. Sie müssen Anlageprozesse und Fondsdokumente anpassen, Research-Partner gewinnen, Kundinnen und Kunden über die gewählte Nachhaltigkeitsstrategie aufklären sowie Anlageberaterinnen und Anlageberater auf dem Thema ausbilden. Beispielhaft für die Industrie im Umgang mit diesen Herausforderungen seien die Kantonalbanken: Rund ein Drittel der Kantonalbanken bietet neuerdings eigene nachhaltige Fonds an, ein Teil davon wurde in jüngster Zeit von "konventionell" auf "nachhaltig" umgestellt.

Klima- und Umweltschutz-Fonds sind bei Investoren beliebt

Rund ein Viertel aller nachhaltigen Fonds investiert in ausgewählte Themen mit Nachhaltigkeitsbezug. Hierzu zählen saubere Energien, Wasser oder Anlagen rund um den Umwelt- und Klimaschutz. Beeindruckend ist, dass sich speziell die Nachfrage nach Klimafonds in den vergangenen drei Jahren auf 34 Mrd. Franken mehr als versechsfacht hat. "Nachhaltige Themenfonds sind für Anleger intuitiv verständlich. Sie bieten neben Ertragschancen auch einen emotionalen Mehrwert", sagt Manfred Stüttgen, Co-Autor der Studie und Dozent an der Hochschule Luzern. Laut Stüttgen mögen besonders Privatinvestorinnen und Privatinvestoren Anlagethemen, in denen ihr Geld Nutzen stiften kann. Die Studie zeigt allerdings auch, dass nachhaltige thematische Aktienfonds höhere Gebühren tragen als ihre nicht-thematischen Pendants.

Nicht jeder nachhaltige Themenfonds verspricht positive Wirkung

Nachhaltige Fonds werden in der Öffentlichkeit oft mit einer positiven Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft assoziiert. "Einen positiven ökosozialen Effekt verspricht allerdings nur eine Minderheit der angebotenen Nachhaltigkeitsfonds explizit", sagt Manfred Stüttgen. So weist bei den total 184 nachhaltigen Themenfonds lediglich ein Drittel – und hier vorwiegend die Umwelt- und Klimafonds – auf eine potenziell positive Wirkung («Impact») hin.

Nachhaltige Themenfonds und die Verwendung von ESG-Strategien (in Anzahl Fonds, per 30. Juni 2020. Quelle: IFZ
Nachhaltige Themenfonds und die Verwendung von ESG-Strategien (in Anzahl Fonds, per 30. Juni 2020. Quelle: IFZ

"Wer bei allen nachhaltigen Fonds pauschal eine positive Wirkung erwartet, unterliegt einem verbreiteten Missverständnis", so Stüttgen. Allfällige Vorwürfe gegenüber nachhaltigen Fondsanbietern, "Greenwashing" zu betreiben, erscheinen laut den Studienautoren jedoch überzogen.

Missverständnisse sind häufig

Die Bezeichnung von Fonds als "nachhaltig" setze lediglich voraus, dass der Fondsverwalter Kriterien zu Umwelt, Sozialem und guter Unternehmensführung in seinen Anlageprozess integriert. Eine positive Wirkung für Ökologie und Soziales werde dadurch nicht zwingend generiert. "Eine bewusste Täuschung der Anlegerinnen und Anleger sehen wir selten", kommentiert Co-Studienautor Brian Mattmann von der Hochschule Luzern. "Ob eine nachhaltige Anlage realwirtschaftlich positiv wirkt, hängt von der jeweils gewählten Anlagestrategie ab. Nur eine Minderheit aller nachhaltigen Fonds verfolgt explizit ein Wirkungsziel."

IFZ Sustainable Investments Studie 2020

Die jährlich erscheinende IFZ Sustainable Investments Studie der Hochschule Luzern untersucht
nachhaltige Investmentfonds mit öffentlicher Vertriebszulassung in der Schweiz. Dieses Jahr
widmen sich die Studienautoren speziell den nachhaltigen Themenfonds. Die Studienergebnisse
werden jeweils am Sustainable Investments Day vorgestellt, der in diesem Jahr am 18. November 2020 online stattfindet.

Weitere Informationen zur Studie und zur Konferenz gibt es hier.

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