17.06.2025, 13:45 Uhr
Das wenig berechenbare politische Umfeld und der ungewisse konjunkturelle Ausblick machen Anlegern weiter zu schaffen. Mit den schlimmsten wirtschaftlichen Szenarien muss jedoch nicht gerechnet werden, schreibt der...
«Wir stehen an einem Punkt, an dem Europa seine Identität in einer neuen Welt, in der wir auf uns allein gestellt sind, neu erfinden muss. Wir müssen entscheiden, ob wir unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen, oder ob wir andere über unser Schicksal bestimmen lassen», schreibt René Petersen, Portfolio Manager der European Sustainable Stars Equity Strategie von Nordea.
Die Chance auf ein neues, starkes Europa steht für ihn in starkem Kontrast zu dem Bild, das in den vergangenen 15 Jahren von Europa gezeichnet wurde. «In dieser Zeit haben wir gespart, um den Bankensektor und den Euro zu retten, der zu Beginn des letzten Jahrzehnts ebenfalls in Zweifel gezogen wurde.»
Nach der Finanzkrise mussten die Banken ihre Kapitalbasis stärken und ihre Kreditvergabe drosseln. Gleichzeitig wurde ein Grossteil der industriellen Arbeitsplätze nach China verlagert. Damit habe nicht nur Deutschland die Unterstützung für das eigene politisches System untergraben. «Doch nun scheint es, dass die europäischen Politiker langsam erkennen, in welche Richtung Europa gehen muss – und dieser neue Kurs wird Investitionen erfordern», schreibt Petersen.
Der neue Weg bestehe darin, Europas Abhängigkeit von den USA in der Verteidigung zu verringern, die Energieversorgung unabhängig von Russland und den USA zu sichern und die Abhängigkeit von China in der industriellen Wertschöpfungskette zu reduzieren. Europa müsse zum Beispiel eine eigene Chip-Infrastruktur aufbauen und die industrielle Produktion generell zurückholen – nicht als reine Handarbeit, sondern als automatisierte Produktion, die wiederum viele Dienstleistungsarbeitsplätze schaffe.
Es habe 20 Jahre gedauert, um die Produktions-Wertschöpfungskette abzubauen, getrieben vom Argument der billigen Arbeitskräfte. Doch erstens gebe es diese billigen Arbeitskräfte nicht mehr, und «zweitens können wir es uns nicht leisten, in eine Situation zu geraten, in der wir keine Waren bekommen oder unsere Gesellschaft stillsteht, nur weil ein Containerschiff im Suezkanal feststeckt.»
Die Rückverlagerung der Wertschöpfungskette und der Übergang Europas zu mehr Autonomie wird laut dem Experten den grössten Teil einer Generation in Anspruch nehmen, aber es sei die einzige Option. «Und wenn wir beginnen, den negativen Kreislauf zu durchbrechen, bin ich sehr optimistisch für die Zukunft Europas und das Potenzial für Anlageerträge», erläutert der Portofolio Manager.
Dieser Wandel müsse auch sogenannte sozial inklusive Ziele beinhalten – sie sind Teil der über 170 Empfehlungen, die der ehemalige italienische Ministerpräsident und Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, kürzlich in seinem Bericht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas formuliert hat.
Wachstum, das allein durch steigende Aktien- und Immobilienpreise getrieben wird, ist nicht mehr nachhaltig. «Wachstum muss auch eine soziale Dimension haben, die Ungleichheiten reduziert und den Wohlstand für alle Europäer erhöht – sonst werden unsere Wohlfahrtssysteme nicht überleben», schreibt Petersen.
«Ich verstehe, warum viele Europäer angesichts der aktuellen Entwicklungen besorgt sind. Aber wenn wir auf die jüngste Wirtschaftsgeschichte zurückblicken, sehen wir, dass sich die Dinge oft zum Besseren wenden, wenn wir Angst haben. Auf dem Höhepunkt eines Konjunkturzyklus wollen wir nur, dass es weitergeht. Doch gerade in schlimmen Ereignissen – wie der Finanzkrise – stecken Veränderungen, die uns langfristig nützen können. Heute haben wir ein solides Bankensystem, das sich seit der Finanzkrise mehrfach bewährt hat. Wir haben diese Herausforderung gemeistert – und wir werden auch die heutigen Probleme lösen. Die Aussichten für Investoren in Europa sind vielversprechend», so das Fazit.