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Tapering ja, Straffung nein

EZB in Frankfurt. (Bild: Pixabay)
EZB in Frankfurt. (Bild: Pixabay)

Patrick Barbe und Jon Jonsson, Senior Portfoliomanager bei Neuberger Berman, glauben nicht daran, dass das Ende des Quantitative Easing der EZB den Euro-Anleihemarkt aus dem Gleichgewicht bringt.

01.10.2018, 14:42 Uhr
Notenbanken

Redaktion: rem

Auf ihrer letzten Sitzung bestätigte die Europäische Zentralbank (EZB), dass sie ihre Anleihekäufe bis zum Jahresende beenden will. Viele Investoren fürchten deshalb Risiken für die Euro-Anleihemärkte, weil die Risikoprämien noch immer niedrig sind, insbesondere aufgrund des Erfolgs des Quantitative-Easing-Programms. Es stellt sich gemäss den Experten die Frage, ob dessen Ende die Märkte wirklich aus dem Gleichgewicht bringen wird.

Im Euroraum begann das Quantitative Easing im Jahr 2015. Die EZB kaufte Staatsanleihen, Covered Bonds und Unternehmensanleihen und bot den Banken günstige Liquidität durch ihr TLTRO-Programm, die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte.

Alle Segmente des Euro-Anleihemarkts stehen dadurch unter dem Einfluss des Quantitative Easing. Die EZB hält 22% der Staats- und 9% der Unternehmensanleihen, und die Banken haben wegen des TLTRO-Programms deutlich weniger erstrangige Anleihen emittiert. Wie die Experten feststellen, sind die Credit Spreads deshalb noch immer so niedrig wie selten, sodass Staatsanleihen mit AAA-Rating knapp geworden sind.

Diese Knappheit rechtfertige das Ende der Anleihekäufe. Hinzu komme, dass das Bilanzvolumen der Notenbank ihrer eigenen Analyse zufolge deutlich wichtiger sei als sein Wachstum oder Wachstumstempo. Mit Beginn des Quantitative Easing wurden die Zinsen 2015 sofort negativ, doch das Wirtschaftswachstum im Euroraum legte erst 2016 zu, als die EZB-Bilanzsumme 2 Billionen Euro überschritt. Die Finanzierungsbedingungen mussten erst lange Zeit günstig sein, bevor die Unternehmen wieder Vertrauen schöpften und investierten.

Zinsen bleiben negativ
Auch nach dem Ende des Quantitative Easing wird das Bilanzvolumen hoch sein. Hinzu kommt, dass ein Ende der Anleihekäufe keineswegs eine generelle Straffung der Geldpolitik bedeutet. Die EZB hat erneut betont, dass die Zinsen zumindest bis Ende des nächsten Sommers negativ bleiben werden. Preise und Löhne steigen zwar, doch ist die Notenbank noch ein gutes Stück von ihrem 2%-Inflationsziel entfernt. Die Inflation ist laut Barbe und Jonsson auch deshalb so niedrig, weil Quantitative Easing und Negativzinsen den Euro nicht so stark geschwächt haben wie erwartet. Die Auswirkungen waren vorübergehend, und 2018 war der Wechselkurs wieder auf seinen Durchschnittswert gestiegen.

Sie folgern, dass Währungsstabilität und niedriges Inflationsrisiko den Vorteil haben, dass sie der EZB vermutlich eine Atempause verschaffen. Sie könne ihre grosse Bilanzsumme und die Negativzinsen beibehalten, damit die Anleiherenditen niedrig und die Spreads eng bleiben.

"Dies ist wichtig, damit sich der Euroraum weiter erholt", so die Experten weiter. In Südeuropa beginnen die Banken erst jetzt wieder, in nennenswertem Umfang Kredite zu vergeben, und auch das Geschäftsklima kleiner und mittlerer Unternehmen stabilisiert sich gerade erst. Dies könnte helfen, systemische Risiken und Dominoeffekte zu verhindern. Bemerkenswert ist, dass die politischen Spannungen in Italien in diesem Jahr keine Auswirkungen auf die Wertpapiermärkte anderer Länder hatten.

Unternehmensanleihen-Emissionen vor dem Ende der EZB-Käufe könnten Anfang Oktober die Credit Spreads weiter werden lassen. Die zusätzlichen Basispunkte und die anhaltend lockere Geldpolitik könnten Investoren auf der Suche nach höheren Renditen dann aber zu Neuanlagen bewegen. Auch die Wiederanlage der Rückflüsse fälliger Anleihen aus EZB-Beständen dürfte die Anpassung der Marktpreise erleichtern, so die Experten. "Wir glauben, dass die deutsche Zehnjahresrendite zum Jahresende auf 0,75% steigen kann und 2019 vielleicht 1% erreicht, je nach Inflationsentwicklung."

Pessimistische Einschätzung gegenüber Europa
Die Markteinschätzung gegenüber Europa halten die Portfoliomanager im relativen Vergleich für zu pessimistisch. Gegenüber dem nicht nachhaltigen Niveau des Jahres 2017 sei das Wirtschaftswachstum vielleicht enttäuschend, aber es liege noch immer über dem Trend. Der Euro ist gegenüber dem US-Dollar günstig bewertet, die Finanzbedingungen sind noch immer locker, und die EZB neigt zu einer expansiven Geldpolitik. Ein Handelskrieg könnte den Euroraum-Exporten schaden, aber sie sind gut nach Ländern verteilt. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass die Probleme im Welthandel die europäischen Unternehmensinvestitionen wieder bremsen.

Hingegen sind die Risikoprämien von US-Titeln äusserst niedrig – trotz Unsicherheit durch den starken US-Dollar, die unklare Zinsentwicklung und die wohl fälligen Kürzungen der Staatsausgaben, wenn die Auswirkungen der Steuersenkungen auslaufen.

Im Euroraum halten die Experten von Neuberger Berman eine kurze Duration in den Kern- und Semi- Kernländern für sinnvoll, umgesetzt durch einen geringen Anteil von Langläufern. Vor dem Auslaufen des Quantitative Easing sollte man auch bei Credits vorsichtig sein. Dennoch sind taktische Positionen in italienischen Anleihen jetzt interessant: "Auf mittlere Sicht scheint uns die Angst vor einem starken Renditeanstieg und einer deutlichen Spread-Ausweitung aufgrund eines Rückzugs der EZB aus Italien für reichlich übertrieben."

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