Wie viel internationale Diversifizierung ist nötig?

05.10.2007, 17:43 Uhr

Die Kurskorrekturen im Sommer haben den deutschen Aktienmarkt stärker in Mitleidenschaft gezogen als den breiten europäischen Markt. So rutschten auch Fonds mit Schwerpunkt auf deutschen Aktien deutlicher ins Minus als Produkte, die ihre Investments in ganz Europa auswählen können. Die Verluste wurden mittlerweile fast schon wieder wettgemacht. Dennoch scheint dies einmal mehr die Bedeutung einer internationalen Diversifizierung für die Kapitalanlage zu unterstreichen.

Allerdings stellt sich die Frage: Wie lässt sich diese Diversifizierung messen? Schaut man sich die regionale Aufstellung eines Fonds auf Websites oder Fact Sheets an, so erfolgt die Einteilung nach dem Sitz des Unternehmens. Dieser sagt aber in Zeiten der Globalisierung immer weniger darüber aus, wo das Unternehmen seine Geschäfte macht. Tatsächlich sind die meisten Firmen über die nationalen Grenzen hinweg aktiv und machen teilweise mehr Umsatz im Ausland als im heimischen Markt. Das gilt insbesondere für Länder wie Deutschland, wo die Exporte einen Anteil von 40% am Bruttoinland-produkt haben. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass die Korrelationen zwischen den regionalen Märkten steigen, die Kurse sich also immer mehr im Gleichklang bewegen.

Ein Blick auf den DAX als Leitindex für den deutschen Aktienmarkt (oder alternativ auch einen ETF, der den DAX nachbildet) zeigt: Zwar sind alle Indexmitglieder in Deutschland beheimatet, doch fallen ihre Umsätze zu 62% im Ausland an (Grundlage: Umsätze im Jahr 2006; gewichtet nach Markt-kapitalisierung). Dabei gibt es natürlich branchenspezifische Unterschiede: Bei den Maschinenbauern ist das internationale Geschäft tendenziell viel wichtiger als etwa bei den Versorgern. Bei den im DAX vertretenen Grosskonzernen ist der Anteil am Auslandsgeschäft höher als für mittlere oder kleine Unternehmen, die stärker im Heimatmarkt verwurzelt sein dürften. Dennoch bleibt die Diskrepanz zwischen der regionalen Struktur, wie sie sich nach Unternehmenssitz errechnet, und der ökonomischen Realität sehr markant.

Welche Konsequenzen hat dies? Können sich Anleger die internationale Diversifizierung nun doch sparen und weiter guten Gewissens auf ein Deutschland-lastiges Portfolio setzen? Auf jeden Fall ist das Phänomen, dass Anleger ihren Heimatmarkt im Depot übergewichten, weit verbreitet – und wird, wie anfangs angesprochen, auch immer wieder kritisiert. Dabei sind solche Anleger zwar stärker regional diversifiziert als dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Allerdings bietet ein breiteres Anlageuniversum eine bessere Streuung über verschiedene Branchen, Marktkapitalisierungen und Anlagestile. So kann der deutsche Aktienmarkt mit keinem grossen internationalen Energiekonzern aufwarten. Auch Pharma hat einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Dagegen sind Versorger oder Industriewerte hier deutlich stärker vertreten als am breiten europäischen Markt. Die höhere Risikostreuung, die ein breit angelegtes europäisches oder globales Investment ermöglicht, lässt sich auch an den Risikokennzahlen ablesen. Der DAX etwa weist über längere Zeiträume deutlich höhere Schwankungen auf als der MSCI Europe als Referenzindex für den europäischen Aktienmarkt.

Daher spricht weiterhin viel für eine Risikostreuung durch internationale Anlagen. Wie hoch ihr Anteil sein sollte, ist schon schwieriger zu beantworten. Leider stehen Informationen über den tatsächlichen Auslandsanteil eines Portfolios (auf Basis der Geschäftstätigkeit der enthaltenen Unternehmen) nicht ohne weiteres zur Verfügung. So gelangt man letztlich doch wieder zur Aufteilung nach Unternehmenssitz, auch wenn jedem klar sein muss, dass diese kein getreues Abbild der Wirklichkeit ist. Für Euro-Anleger bietet es sich an, die Eurozone (oder gar Europa) als Heimatmarkt zu betrachten. Es spricht sicherlich nichts dagegen, hier eine höhere Gewichtung vorzusehen als die 36%, die Europa im MSCI World als Vergleichsindex für internationale Aktien ausmacht. Portfoliooptimierer, die auf Grundlage der historischen Renditen und Korrelationen zwischen den Anlageklassen Portfoliovorschläge berechnen, kommen auf einen Europaanteil von bis zu zwei Dritteln. Solche Empfehlungen hängen letztlich auch von der persönlichen Risikoneigung und dem Anlagehorizont ab, so dass es keine allgemeingültige Zahl gibt. Anleger sollten sich jedoch die Möglichkeiten der Risikostreuung durch internationale Diversifikation nicht entgehen lassen.

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