Verschnaufpause an Aktienmärkten?

01.03.2007, 17:40 Uhr

Die Aktienmärkte sind zurzeit aus zwei Gründen verwundbar: Erstens erlebten die Börsen seit Mitte Juni des letzten Jahres – also für eine ungewöhnlich lange Periode – einen fast ununterbrochenen Aufschwung und waren dementsprechend überkauft. Zweitens sind einige Märkte – speziell im Asiatisch-Pazifischen Raum sowie in den Schwellenländern – aus ihren Bewertungsbandbreiten ausgebrochen und erscheinen nun teuer. Sie haben sich während den letzten vier bis fünf Jahre innerhalb der Bandbreiten bewegt, die aufgrund des Kurs-Gewinn-Verhältnisses der jeweils nächsten 12 Monate erwartet werden. Europas Aktienmärkte (ohne Grossbritannien) haben das obere Ende ihrer Bandbreiten erreicht, weshalb die weitere Kursentwicklung von der Bewertung her ebenfalls nicht mehr unterstützt wird.

Der Aktienmarkt von Schanghai fiel am Dienstag um 9% – exportiert China nun auch Börsencrashs? Kaum, denn diesem Kursverlust ging ein Gewinn von 13% innerhalb von nur sechs Handelssitzungen voraus. Die Korrektur scheint ausserdem die Antwort auf Gerüchte zu sein, wonach die Behörden strikter gegen spekulative Exzesse und illegale Praktiken im chinesischen Aktienhandel vorgehen wolle. Für Investoren sollte dies jedoch kein Grund sein, andere Märkte zu verkaufen, zumal die Korrelation zwischen chinesischen und anderen Aktien sehr gering ist.

Bedeutender dürfte die Nervosität in Bezug auf die US-Wirtschaft sein. Es scheint ein Stimmungswandel stattgefunden zu haben. Nachdem Wirtschaftsnachrichten vorher eher durch die rosa Brille betrachtet worden waren, wird jetzt auch die düstere Seite gesehen. Der 8-prozentige Fall bei den Bestellungen von langlebigen US-Gütern trug am Dienstag nicht gerade zur Stimmungsbesserung bei (obwohl diese Datenreihe notorisch volatil ist und ein grosser Teil des Einbruchs auf einen Bestellungsrückgang bei Boeing zurückzuführen war). Tatsache ist aber, dass die US-Wirtschaftsdaten weiterhin im Einklang mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2 bis 2,5% stehen. Dies ist bereits seit dem 2. Quartal letzten Jahres der Fall und wird es gemäss unserer Einschätzung auch im 1. Halbjahr 2007 bleiben.

Nicht gerade stimmungsfördernd waren ausserdem Schlagzeilen, wonach Alan Greenspan vor einer möglichen US-Rezession warnte. Tatsächlich sagte er aber, Anzeichen wie das hohe Verhältnis der Unternehmensgewinne zum BIP deuteten darauf hin, dass sich die USA in einer späten Phase des wirtschaftlichen Zyklus befinde. Eine Rezession sei zwar möglich, eine entsprechende Prognose zu stellen indes mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Dennoch, seine Worte haben nach wie vor Gewicht und einige Akteure dürften die (irreführende) Schlagzeilen nicht genügend hinterfragt haben.

Die Tatsache, dass nicht nur Aktien, sondern auch weitere Risikoanlagen unter einer Verkaufswelle litten, risikoarme Anlageklassen wie Staatsanleihen aber haussierten, weisen auf eine erhöhte Risikoaversion hin. Die steigende Nervosität ist zum Teil auch auf Entwicklungen im US-Markt für zweitklassige (sub-prime) Hypotheken sowie ein scharfer Einbruch der synthetischen, durch Vermögenswerte gesicherte Benchmarkindizes, die zweitklassige Hypotheken abdecken (synthetic asset-backed benchmark indices covering sub-prime mortgages). Bis dahin schien es, dass diese Probleme auf den Hypothekenmarkt und eine Gruppe von Kreditgebern beschränkt sind. Möglicherweise kommen jetzt aber Ängste vor einer breiteren Kreditkündigungswelle auf. Es ist zwar noch zu früh, um von einer Kreditknappheit zu sprechen, restriktivere Kreditvergaben könnten sich jedoch das künftige Wirtschaftswachstum der USA hemmen.

Sorgen bereitet ferner das Ende der Carry Trades, das durch den 1,5-prozentigen Anstieg des Yen eingeleitet wurde. Sollte diese Entwicklung eskalieren, zum Beispiel mit einer 10-prozentigen Erhöhung des Yens innert weniger Tage, könnte dies zu einem weiteren Ausverkauf einer Palette von Risikoanlagen führen (wobei niemand genau weiss, wie gross der Markt für Carry Trades ist).

Unsere vorsichtige Schlussfolgerung ist, dass die Aktienmärkte eine längst überfällige Verschnaufpause machen. Angesichts der Kursgewinne seit Mitte Juni vergangenen Jahres sowie der Bewertung einiger Märkte könnte sich die Situation noch verschärfen, bevor eine Besserung eintritt. Dennoch, die meisten fundamentalen Wirtschaftsdaten bleiben günstig und es ist unwahrscheinlich, dass dies der Beginn einer massgebenden Baisseperiode ist, sofern sich die Kreditschraube in den USA nicht markant anzieht und die Carry Trades nicht kollabieren.

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