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«Der Handels-Krieg, den man beginnt, ist selten der, den man bekommt»

David Rolley, Portfoliomanager und Co-Leiter des Global Fixed Income Teams bei Loomis Sayles. (Bild pd)
David Rolley, Portfoliomanager und Co-Leiter des Global Fixed Income Teams bei Loomis Sayles. (Bild pd)

«Es ist ein bekanntes Klischee der Militärgeschichte: Einen Krieg zu beginnen ist einfacher, als ihn zu beenden – und der Krieg, den man beginnt, ist selten der, den man bekommt. Das gilt nicht nur im Militär, sondern auch im Handel», schreibt David Rolley, Portfoliomanager und Co-Leiter des Global Fixed Income Teams bei Loomis Sayles, einer Tochter von Natixis.

12.05.2025, 11:16 Uhr
Aktien | Obligationen

Zölle sind eine Form fiskalischer Straffung – mit Auswirkungen wie schwächerem realen Wachstum, fallenden Aktienkursen, niedrigeren Renditen, sinkenden Ölpreisen und einem schwächeren US-Dollar. «Warum also der Schritt?», fragt sich Rolley. Seine Antwort: «Die US-Regierung braucht Geld.» Die gesamte Nettoverschuldung beträgt 98 Prozent des BIP – rund 30 Billionen US-Dollar. Die Staatseinnahmen liegen bei etwa 17 Prozent des BIP, die Ausgaben bei über 23 Prozent. Das Defizit beträgt 6 bis 7 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Ausgabenkürzungen seien der erste Reflex, «doch weder Wettmärkte noch Analystenschätzungen deuten darauf hin, dass diese ausreichend greifen». Eine ernsthafte Reduktion der Transferzahlungen – Medicare, Medicaid und Social Security – ist für den Experten politisch hochriskant und wohl nicht durchsetzbar. Bleiben die Steuern. Doch in einem tief gespaltenen, steuerkritischen Kongress bestehe praktisch keine Bereitschaft für ein überparteiliches Steuer- und Ausgabenpaket à la Bowles-Simpson. Zölle sind die einzige Steuerform, die per Präsidialdekret eingeführt werden kann. «Eine Rezession ist nicht zwingend, aber eine Wachstumsverlangsamung halte ich für wahrscheinlich», schreibt Rolley.

Rückwärts in die Reagan-Ära

Ein Blick in die Geschichte offenbart für ihn weitere potenzielle Schmerzpunkte. Die derzeitige Politik- und Marktsituation erinnert an das Gegenteil der Reagan-Jahre 1980–1982: Damals sorgten massive Steuersenkungen und ein Rüstungsboom für fiskalische Impulse, während die Fed massiv straffte. US-Aktien und -Anleihen waren nach der Inflationsdekade der 1970er Jahre international unterrepräsentiert. Als die Investoren das Reagan-Modell verstanden, floss Kapital in Strömen in die USA, der Dollar stieg vier Jahre in Folge – bis 1985.

«Heute sehen wir das Gegenteil: US-Aktien sind zu rund 20 Prozent im Besitz ausländischer Investoren, bei US-Staatsanleihen sind es rund 33 Prozent. Die Bewertungen reflektierten bislang Optimismus. Nun aber kommt die grösste effektive Steuererhöhung seit 1968 – gleichzeitig preisen die Futures auf die Fed Funds Rate Zinssenkungen von 75 bis 100 Basispunkten für dieses Jahr ein. Wenn die Reagan-Mischung den Dollar stärkte, könnte diese neue Mischung das Gegenteil bewirken», schreibt der Experte.

Höherer Risikoaufschlag

US-Aktien und der Dollar könnten aus Sicht internationaler Investoren neu bewertet werden – mit einem höheren Risikoaufschlag. Leo Lewis schrieb kürzlich in der Financial Times aus Tokio – zwei der grössten Kapitalquellen ausserhalb der USA –, dass Globalisierung, regelbasierte Ordnung und Pax Americana passé seien. Stattdessen: Merkantilismus, Isolationismus und Protektionismus. Investoren waren es gewohnt, die US-Notenbank als Stabilitätsanker zu sehen. Doch aktuelle White-House-Strategien erhöhten die Volatilität – und könnten das weiter tun. Höhere Risikoaufschläge erscheinen nachvollziehbar. Ebenso strukturelle Veränderungen in Investitions- und Kapitalströmen.

Einige Branchen könnten laut dem Experten besonders unter abnehmenden Investitionen leiden:

  • Biotechnologie und Pharma: Budgetkürzungen im Gesundheitsministerium und politische Spannungen mit Eliteuniversitäten bremsen Grundlagenforschung. Die US-Wettbewerbsfähigkeit in Pharma könnte sinken. Forscher wandern ab.
  • Verteidigung: US-Rüstungsfirmen könnten bei der europäischen Aufrüstung nicht mehr erste Wahl sein – wegen wahrgenommener Unzuverlässigkeit.
  • Energie: Die Kohle-Renaissance könnte dazu führen, dass US-Versorger auf ESG-Ausschlusslisten europäischer und asiatischer Investoren landen.
  • Finanz-, Rechts- und IT-Dienstleistungen: Internationale Kunden prüfen ihre US-Partner und könnten kritische Dienste lokalisieren.
  • Tourismus: Die Zahl ausländischer Besucher ist vor der Sommersaison bereits rückläufig.

«Für viele ausländische Investoren heisst es nun: verkaufen – oder zumindest nicht weiter aufstocken. Die globale Anlegerstimmung scheint sich zu drehen – von einer US-Präferenz über eine Phase der Zurückhaltung hin zu einer möglichen dritten Phase: Sell America. Vielleicht retten Künstliche Intelligenz und Automatisierung die US-Produktivitätsstory. Aber der fiskalische Rückenwind, der die US-Wirtschaft über ein Jahrzehnt getragen hat, scheint Geschichte. Aus Sicht der Kapitalströme und politischen Rahmensetzung ist die Tendenz in diesem Umfeld bärisch für den Dollar. Das ist keine klassische Handelskriegsanalyse, sondern eine Analyse der Portfolioströme. Und möglicherweise stehen wir vor einem anderen, viel teureren Krieg», so das Fazit.

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