Sind Aktien überteuert?

Bild: Pixabay
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Weil die Bewertungen an den Aktienmärkten nach Ansicht von Rothschild & Co Wealth Management nicht alarmierend hoch sind, bleibt die Bank bei der Meinung, dass Aktien für langfristig orientierte Anleger weiterhin gute Chancen bieten, über der Inflation liegende Renditen zu erzielen.

21.11.2018, 14:49 Uhr

Redaktion: rem

"Aktien richtig zu bewerten ist nicht einfach, und die Geschichte hat sich bisweilen als grausam erwiesen", sagt Kevin Gardiner, Global Investment Strategist Wealth Management bei Rothschild & Co. Finanzpresse und Zentralbanken behaupteten seit Jahrzehnten, Aktien seien überbewertet. Die Modelle von Wachstumsanlegern seien mit den Renditen auf Staatsanleihen in sich zusammengebrochen. Unterdessen glaubten Substanzanleger, wie Mozart über ein "absolutes Gehör" zu verfügen, meint Gardiner süffisant.

Den entscheidenden Hinweis liefere das Wort "Markt". Letztlich würden Preise subjektiv entschieden: Blieben die Käufer aus, dann briche der Preis ein. Gebe es keine Verkäufer, dann schnelle er in die Höhe. "Wir sind um Objektivität bemüht, indem wir die Kurse beispielsweise mit Gewinnen, Buchwerten und Abschlägen vergleichen. Hier kommt es aber oft zu Schwankungen.

Selbst wenn diese Kennzahlen nicht derart häufig schwanken würden – unsere Einschätzungen können sich jederzeit ändern", sagt Gardiner und fügt an: "Wenn wir nahelegen, dass Aktien günstig bewertet oder überteuert sind, handelt es sich dabei nur um unsere Meinung." Nirgendwo sei das Konzept der finanziellen Präzision so illusorisch wie im Bereich der Bewertung. Es gebe keine Absolutwerte - kein absolutes Gehör. "Was können wir also Nützliches über Aktienbewertungen sagen? Kam es zu den Verlusten im Oktober, weil sie überteuert waren? Wir glauben das eher nicht."

Minimalistischer Ansatz
Wie Gardiner ausführt, vergleicht ein minimalistischer Ansatz Aktienkurse einfach mit ihren Trends. Dabei handelt es sich nicht wirklich um eine "Bewertung" an sich. Aber wenn Händler ihre Entscheidungen auf einen Aktienindex stützen, der beispielsweise unter seinen 200-tägigen gleitenden Durchschnitt fällt, könnte dies einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung gleichkommen.

Die herkömmlichsten Ansätze vergleichen Preise mit Ertragskennzahlen wie Gewinne, Dividenden, Cashflows, Umsätze oder das EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). KGVs, also Kurse geteilt durch Gewinne, können als die Anzahl der Ertragsjahre ihrer Anlagekosten verstanden werden. Alternativ dazu können sie auf den Kopf gestellt als Renditen interpretiert werden, was gewöhnlich unserer Definition von Dividenden entspricht.

Erträge unterliegen Schwankungen. Gewinne sind zyklischer Natur, und Abschreibungen in der Bilanz können sehr hoch ausfallen. "Zyklisch adjustierte" KGVs (CAPE bzw. Shiller-KGVs) bedienen sich eines zehnjährigen gleitenden Durchschnitts (häufig inflationsbereinigt), um die Gewinne zu glätten. In den USA fielen die Gewinne 2008/09 aber derart drastisch, dass sie sich auf die zehnjährigen Durchschnittswerte niederschlugen. "Sobald dieser Rückgang keine Rolle mehr spielt, dürfte der Nenner im Shiller-KGV eine Zeitlang wohl weiter wachsen und die Bewertungen fallen, selbst wenn die Gewinne von nun an stagnieren", erwartet Gardiner.

KUVs und Kurs/EBITDA-Verhältnisse würden unterdessen beliebter, hätten für Finanzunternehmen, die einen grossen Sektor am Markt stellten, aber wenig Aussagekraft. Bilanzbasierte Kennzahlen seien in der Regel das Eigenkapital oder die "Buchwerte" und relativ stabil. "Daher bieten sie ebenfalls einen nützlichen Vergleichswert", sagt der Investmentstratege und fügt an: "Oftmals werden Verschuldungsquoten oder Leverage Ratios verwendet. Aber auch hier können im Falle von Banken die Daten schwierig zu interpretieren sein.

Discounted-Cashflow-Ansätze
Bei diesen Ansätzen wird laut Gardiner ein risikoloser Abschlag eingesetzt - in der Regel die Renditen auf Staatsanleihen -, der häufig angepasst ist, um die grösseren Risiken von Aktien zu berücksichtigen. In der einfachsten Form werden dabei die Renditen von Aktien mit denen von Anleihen verglichen: Das sogenannte "Fed-Modell" basierte auf der Beobachtung, dass sich diese beiden Renditen für einen Grossteil der 1980er und 1990er Jahre im Tandem bewegten. Theoretisch lassen sich komplexere Versionen zur Konstruktion absoluter Bewertungen einsetzen, die nicht nur zeigen sollen, ob Bewertungen im Vergleich zur Vergangenheit hoch oder niedrig sind, sondern auch, ob sie "fair" sind. In der Praxis sind die Schlussfolgerungen jedoch sehr empfindlich gegenüber geringfügigen Änderungen der Inputannahmen.

Abweichungen waren nicht alarmierend
"Die Anleihenrenditen waren bis zuletzt derart ungewöhnlich niedrig, dass diese Kennzahlen wahrscheinlich zu nachgiebig gewesen wären. Generell lagen die meisten Kennzahlen vor dem Abverkauf deutlich über ihren zehnjährigen Trends. Die Abweichungen waren indes nicht beispielloser oder alarmierender Natur", sagt Gardiner. Allerdings verdienten sie es in einem günstigen Wirtschaftsumfeld nicht, auf die Goldwaage gelegt zu werden. "Schliesslich handelt es sich hier, wie bereits erwähnt, nicht um ein Präzisionswerk. Mittlerweile befinden sich die Bewertungen wieder näher an diesen Trends. Welche Richtung die Märkte demnächst auch einschlagen werden: Wir bezweifeln, dass dafür die Bewertungen verantwortlich sein werden", schliesst er seine Überlegungen.

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