Gelingt 2024 die perfekte Landung?

Emmanuel Petit, Head Fixed Income bei Rothschild & Co Asset Management über die Aussichten auf ein «perfect landing». (Bild pd)
Emmanuel Petit, Head Fixed Income bei Rothschild & Co Asset Management über die Aussichten auf ein «perfect landing». (Bild pd)

Die Geldpolitik der Notenbanken war das alles bestimmende Thema im Jahr 2023. «Gelingt 2024 die perfekte Landung? Das ist äusserst fraglich», wie Emmanuel Petit, Head Fixed Income bei Rothschild & Co Asset Management und Fonds Manager des R-co Conviction Credit Euro, in seiner Quartalsstrategie zum Anleihenmanagement erläutert.

15.01.2024, 10:36 Uhr
Obligationen

Redaktion: sw

Im Gegensatz zur Panik, welche die Märkte im Jahr 2022 im Griff hatte, ist die Stimmung in diesem Jahr völlig umgeschlagen. Die Kerninflation ist rückläufig, wobei die Investoren offenbar mit einem «perfect landing»-Szenario rechnen – ein Szenario, in dem die Notenbanken ihre Leitzinsen so stark gesenkt haben, dass die Inflation gebremst ist und das Wachstum nicht vollends abgewürgt wird. In diesem Szenario hätten die Zentralbanken folglich das Notwendige zur Eindämmung der Inflation unternommen – mehrere Zinserhöhungen bis Oktober und eine aggressive Kommunikation im gesamten Jahresverlauf.

Fraglich ist für Petit, wie sich dieser Straffungskurs auswirken wird. Die Zentralbanker befinden sich inzwischen im Beobachtungsmodus. Die Inflation ist zwar noch von der Zielmarke entfernt, doch ist der Trend positiv und der Optimal wert könnte über kurz oder lang erreicht werden. Obwohl sich die Wirtschaft derzeit noch gut behaupten kann, sind die finalen Auswirkungen der Zinserhöhungen noch nicht absehbar, ein Indiz hierfür sind die weiterhin durchwachsenden Konjunkturdaten.

«Es bleibt zu hoffen, dass die Zentralbanken mit ihren Zinserhöhungen den Bogen nicht überspannt und ein hard landing vermieden haben.» Sie betonen, dass die Ausrichtung ihrer Geldpolitik von einer Reihe makroökonomischer Daten abhängt, und dass sie in den kommenden Monaten je nach Datenlage entscheiden werden.

Diskrepanzen zwischen den USA und Europa

In Europa und den Vereinigten Staaten zeigt sich ein unterschiedliches Bild. Jenseits des Atlantiks ist die Inflation zwar rückläufig, aber noch immer hoch. Am dynamischen Arbeitsmarkt hat dies bisher allerdings nicht viel geändert. Die US-Wirtschaft war im Jahresverlauf erstaunlich widerstandsfähig, doch dürften die Stützfaktoren im Jahr 2024 ihre Wirkung verlieren. Die extrem expansive Fiskalpolitik, das Ende des Moratoriums für Studienkredite, die grösstenteils ausgegebenen Ersparnisse aus der Pandemie – all diese Elemente könnten diese Dynamik in den nächsten Monaten bremsen. Die EZB kann kaum einen noch offensiveren Kurs fahren als die Federal Reserve, zumal die Konjunktur in Europa schwächer ist als in den USA. Und noch weniger kann sie sich besonders dovish zeigen, da die Inflation noch weit von der Zielmarke entfernt ist. Der Arbeitsmarkt in der Eurozone steht aufgrund seiner stärkeren Regulierung weniger im Fokus.

Inversion der Renditekurven

Gleichzeitig haben die Zentralbanken ihre Interventionen wohl perfekt kalibriert, davon sind die Anleger offenbar davon überzeugt. Dies würde die These eines «perfect landing» untermauern. Die Inflationserwartungen beruhen auf diesem idealen Szenario: eine allmähliche, regelmässige und einheitliche Rückkehr der Inflation zur Zielmarke von 2 Prozent in beiden Zonen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Anleger einen Trend überinterpretieren, denn nachdem sich die Inflation Ende 2022 bereits verlangsamt hatte, rechnete der Konsens mit erheblich weniger Zinserhöhungen, als 2023 tatsächlich erfolgt sind. Die Folge war eine Inversion der Renditekurven. Diese Entwicklung zwang auch die Notenbanken zu einer intensiveren Kommunikation mit eindeutig aggressiver Rhetorik, die mit dem Ausdruck «higher for longer» auf den Punkt gebracht wird, der signalisiert, dass kurzfristig keine weitere Zinssenkungen zu erwarten sind.

Jedoch sind die Anleger offenbar der Ansicht, dass diese Zinssenkungen deutlich früher kommen werden als angekündigt. Der Konsens geht mittlerweile von sechs Zinssenkungen für 2024 aus – die erste soll bereits im März erfolgen –, während die Fed nur maximal drei ins Auge fasst, eher gegen Ende des Jahres. Durch die vom Markt erwartete Lockerung der Finanzierungsbedingungen kommt es möglicherweise zu einem riskanten Poker zwischen Märkten und Notenbanken und somit zu einem Anstieg der Volatilität bei den Renditen.

Übertriebener Optimismus ist fehl am Platze

«Diese Gemengelage gebietet besondere Vorsicht», schreibt Rothschild & Co Asset Management. Historisch sei es die Regel, dass die Auswirkungen radikaler Zinserhöhungen für heftige wirtschaftliche Turbulenzen sorgten. Die jüngste Zinsanhebung kam besonders schnell, wobei sie in diesem Zyklus noch nicht ihre volle Wirkung entfaltet hat. Da sich die Effekte der Geldpolitik in der Regel erst sechs bis neun Monate später in der Wirtschaft niederschlagen, sind die Auswirkungen der letzten Zinserhöhungen erst später spürbar. Die sehr restriktiven Bedingungen für die Kreditvergabe belasten das Wachstum – die Zahl der neuen Darlehen für Unternehmen ist bereits rückläufig.

«Unter diesen Rahmenbedingungen optieren wir weder für ein Szenario eines soft landing noch für das Szenario eines perfect landing – wir bezweifeln, dass die Wirtschaft auch in den kommenden Monaten noch resilient sein wird», schreibt Petit. Egal ob sie besser oder schlechter ausfallen als erwartet: Die makroökonomischen Daten durften die Volatilität der Renditen ebenfalls schüren. Die US-amerikanische Präsidentschaftswahl und die Haushaltspläne müssten im Jahresverlauf ebenfalls überwacht werden. Der Wahlsieg von Donald Trump scheint bereits vor Beginn des Wahlkampfs festzustehen, so dass sich Beobachter schon jetzt fragen, welche Politik er verfolgen wird.

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