Alternder Bulle oder aufkeimende Mega-Hausse?

Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Partners
Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Partners

Die Aktienhausse wird bald sechs Jahre alt. Der durchschnittliche amerikanische Bullenmarkt seit 1932 dauerte nur knapp vier Jahre. Daher fragen sich nun viele Marktteilnehmer, wie lange der Boom noch anhalten kann. Risiken gibt es bei Aktien natürlich immer, und auch unerwartete Unfälle können passieren. Doch es gibt auch Argumente, die dafür sprechen, dass der Markt sich in einer strukturellen Mega-Hausse wie jener von 1980 bis 2000 befindet, sagt Mikio Kumada von LGT.

18.02.2015, 10:50 Uhr

"US-Aktien erlebten im eingangs erwähnten Zeitraum bis zur Jahrhundertwende eine aussergewöhnliche Hausse, auch wenn es zwischendurch herbe Rückschläge gab, wie den «Schwarzen Montag» von 1987 oder die Kuwaitkrise von 1990. Inflationsbereinigt legte der S&P 500 vom Rezessionstief im April 1980 bis zum Internetblasenhoch im August 2000 im Schnitt 9.8% pro Jahr zu - mehr als doppelt so viel wie seit 1932. Seit 2000 beträgt der reale Kursgewinn hingegen nur 0.3% pro Jahr (alle Angaben ohne Berücksichtigung der Dividenden). Auf einen ungewöhnlich robusten Bullmarkt folgte also eine Epoche volatiler und schwacher Märkte.

Es wäre daher nicht ganz überraschend, wenn sich die Rallye, die im März 2009 begann, wieder als besonders langlebig herausstellen sollte. Neben der aufgrund struktureller Deflationstendenzen weltweit wahrscheinlich auf Jahre expansiven Geldpolitik stellt der jüngste Rückgang der Energiepreise in diesem Zusammenhang ein zusätzliches Argument für eine solche Hausse dar.

Ende des Rohstoffbooms begünstigt Industrieländer und Konsumgesellschaften
Von 1998 bis 2008 erlebten wir einen grossen Rohstoffboom, welcher die Schwellenländer entsprechend begünstigte. Doch dieser ist inzwischen vorbei. Somit hat sich das Blatt in dieser Hinsicht wieder zugunsten der «alten» Industrieländer und Dienstleistungsge-sellschaften gewendet. Besonders deutlich wird diese Wende, wenn wir den realen Rohölpreis betrachten. Aus US-Sicht ist das Barrel Rohöl inflationsbereinigt von 67 US-Dollar im Juli 2008 auf aktuell weniger als 23 US-Dollar gefallen (vgl. PDF Seite 2, Grafik 1). Sollten die realen Preise so tief bleiben oder sogar weiter fallen, dann wäre eine wichtige Parallele zu den frühen 1980ern gegeben.

Auch in den 1980er Jahren stellten Disinflation sowie sinkende Zinsen und Energiepreise die Auslöser der Hausse dar, obwohl dies seinerzeit keinesfalls offensichtlich war. In den 1970ern wurden Börse und Konjunktur von den «Ölschocks» und der inflationären Lohn- und Ausgabenpolitik der Regierungen zurückgehalten. Anfang der 1980er fokussierten Notenbanken und Regierungen dann zunehmend auf Inflationsbekämpfung und Ausgabenkontrolle. An den Börsen ging es aber zunächst trotzdem nur schleppend voran.

Ölbaisse als Symbol grösserer Gezeitenwechsel
Doch parallel dazu ging es mit dem Ölpreis immer stärker und schneller bergab: Kostete das Fass Rohöl am Höhepunkt des Iran-Irak-Krieges von 1980 noch real rund 100 USD, so war der Preis bis 1985 auf das heutige Niveau von 20 bis 25 USD gefallen. Bis 1998 sank der Preis sogar auf weniger als 8 USD – und die Börsen erlebten in der Zwischenzeit eine Jahrhunderthausse.

Irgendwann fand dieser Megazyklus natürlich sein Ende. Die Internetblase platzte, und es folgten die Anschläge vom 11. September 2001, die Kriege gegen Afghanistan und Irak, die USD-Abwertung und diverse andere Entwicklungen, die letztlich den vieldiskutierten «Abstieg» der USA symbolisierten. Doch diese Epoche dürfte nun vorbei sein – oder zumindest neue Nuancen entwickeln.

Bleibt es jedenfalls bei den günstigen Rohstoffpreisen, dann würden die alternden Volkswirtschaften des Westens und Japan profitieren. Die Mittelschichten dieser Länder, welche tendenziell zu den Globalisierungsverlierern zählten, könnten sich mit der Zeit wieder stärker erholen. Potenzielle Gewinner gibt es aber auch in einigen inzwischen in hohem Masse industrialisierten Schwellenländern. Südkorea ist ja praktisch schon ein Industrieland. Doch auch Chinas Wandel vom aufstrebenden Billiglohnland zur anspruchsvollen Konsumgesellschaft dürfte beschleunigt werden. Von dieser Entwicklung würden nicht nur chinesische Unternehmen profitieren – und auch das dürfte sich natürlich an den Börsen spiegeln.

Deutlich tiefere reale Rohölpreise stützen die Aktienhausse
Die erste Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigt die nominale und die inflationsbereinigte Preisentwicklung für das Fass Rohöl. Für die realen Preise nehmen wir den «Bloomberg WTI Crude Oil Inflation Adjusted Spot Price Index». Aus langfristiger Sicht ist die Abweichung zwischen nominalen und realen Preisen signifikant. Selbst die Grafik vermag das optisch nicht so deutlich herauszustreichen: So betrug der nominale Preis Ende Januar rund 48 USD pro Fass - und lag damit immer noch knapp 60% höher als zu Beginn der Zeitreihe im Mai 1983. Real betrachtet notierte der Preis jedoch bei etwas mehr als 20 USD - also gut 33% tiefer als 1983. Damit wird deutlich, wie stark der Ölpreis aus US-Sicht im Verhältnis zum allgemeinen Preisniveau inzwischen gesunken ist. Für den Konsumenten, aber auch für sehr viele Geschäftsbranchen bietet diese Entwicklung einen klaren Rückenwind.

Reale Aktienkurse auf dem Niveau von 2000 - trotz eingebrochener Ölpreise und höherer Unternehmensgewinne
Die nächste Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigt den Kursverlauf des S&P 500 (Daten von Prof. Robert Shiller) und des Ölpreises auf inflationsbereinigter Basis. Dem grossen Bullmarkt der 1980er-1990er ging ein ähnlich deutlicher Rückgang des Ölpreises voraus (wobei der reale Preis 1980 bei 100 USD notierte). Mit der Stabilisierung des Ölpreises auf tiefem Niveau gewann ab 1983 auch die Aktienhausse sukzessive an Schwung. In der zweiten Hälfte der 1990er setzte schliesslich eine Phase übertriebenen Optimismus ein. Danach verlief die Entwicklung an den Finanzmärkten sehr volatil: Es gab zwei intensive Abwärtsphasen und zwei Bullmärkte, wobei der zweite seit 2009 anhält. Trotzdem haben US-Aktien auf inflationsadjustierter Basis erst kürzlich das Niveau von 2000 erreicht - und dies, obwohl Unternehmensgewinne und Dividenden die damaligen Stände heute um rund 45% bzw. 75% übertreffen (ebenfalls inflationsbereinigt). Letzteres unterscheidet die aktuelle Situation übrigens von der Rallye in der zweiten Hälfte der 1990er, als die Stimmung derart überschwänglich war, dass Erträge und Dividenden jahrelang den Aktienkursen deutlich hinterherhinkten. Ob und wie lange US-Aktien freilich weiterhin so stark wie seit 2009 laufen werden, sei dahingestellt - gewiss sollten und werden Börsen in anderen Regionen früher oder später aufholen, wie es beispielsweise seit Anfang Jahr für Euroraum-Aktien zutrifft. Dass der aktuelle US-Bullmarkt jedoch grundsätzlich noch mehrere Jahre anhalten könnte, kann angesichts des zusätzlichen Rückenwindes, den die zuletzt deutlich tieferen Rohstoffpreise bieten, keinesfalls ausgeschlossen werden."

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