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Das Risikoszenario in der Eurozone heisst Stagflation

Anders als in den USA hätte eine mögliche Stagflation in den Ländern der Eurozone ihren Ursprung nicht in einer übermässigen Straffung der Geldpolitik. (Bild: Shutterstock.com/Goodlideas)
Anders als in den USA hätte eine mögliche Stagflation in den Ländern der Eurozone ihren Ursprung nicht in einer übermässigen Straffung der Geldpolitik. (Bild: Shutterstock.com/Goodlideas)

Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen treffen die Eurozone wirtschaftlich deutlich härter als die USA. Swiss Life Asset Managers rechnet mit einem schlechteren Wachstums-Inflations-Mix im Jahr 2022, mit Stagflation als Risikoszenario. Lieferengpässe verschärfen sich teilweise wieder, Lockdowns in China sind dabei ein zusätzliches Risiko.

07.04.2022, 11:18 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: rem

Anders als für andere Regionen lagen für die Schweiz zu Redaktionsschluss der aktuellen "Perspektiven" von Swiss Life Asset Managers noch keine Stimmungsindikatoren vor, die Rückschlüsse auf das künftige Verhalten von Unternehmen oder Konsumenten angesichts des Krieges in der Ukraine erlauben würden. Verfügbare Indikatoren aus der Realwirtschaft besagten, dass das inländische Konsumverhalten bisher nicht beeinträchtigt ist, ebenso sei beispielswiese die internationale Reisetätigkeit gemessen an den Flugbewegungen ab Zürich stabil.

Verlangsamung der konjunkturellen Dynamik in der Schweiz

Der Indikator zur wöchentlichen Wirtschaftsaktivität (WWA) des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) weist auf eine Verlangsamung der konjunkturellen Dynamik hin. Diese geht gemäss Seco hauptsächlich auf die Pharmaindustrie zurück, die stark von den steigenden Energiekosten und erneuten Lieferengpässen betroffen ist. Es sei allerdings in Erinnerung zu rufen, so Swiss Life Asset Managers, dass die Exporterfolge der Pharmaindustrie ein Hauptgrund für die rekordhohen Güterausfuhren im Februar waren. Weil die Schweiz Sanktionen gegenüber Russland ergriffen hat, bleibt abzuwarten, wie sich diese auf den Geschäftsgang in den besonders exponierten Sektoren auswirken. Insbesondere der Transithandel mit Rohstoffen trug in den vergangenen Jahren relativ zur Beschäftigtenzahl überproportional zum Schweizer Bruttoinlandsprodukt bei.

Mit 2.2% Jahresteuerung übertraf die Inflationsrate im Februar 2022 erstmals seit 2008 wieder den oberen Rand des von der Schweizerischen Nationalbank angestrebten Zielbands von 0% bis 2%. Nach den Berechnungen der Ökonomen von Swiss Life Asset Managers ist die Inflationsrate auch im März auf 2.5% angestiegen, was jedoch den Höhepunkt im laufenden Zyklus markieren sollte. Nur im Falle nochmals steigender Rohstoffpreise im Zuge eines Embargos russischer Gaslieferungen würden die Ökonomen vorübergehend mit noch höheren Inflationsraten in der Region von 3% bis 5% rechnen.

Prognosevergleich

Sanktionen treffen USA kaum

Ganz anders sieht es mit der Teuerung in den USA aus. Die US-Inflation stieg im Februar auf 7.9% und Swiss Life Asset Managers rechnet damit, dass die Inflation im März einen zyklischen Höhepunkt von 8.7% erreicht. Die weitere Entwicklung der Gesamtinflation hänge stark von der Entwicklung der Energiepreise ab. Falls der Krieg nicht auf andere Länder übergreife und kein Öl- und Gasembargo gegenüber Russland komme, dürften sich die Energiepreise stabilisieren und die Inflationsraten aufgrund des Basiseffekts allmählich zurückgehen. Die Kerninflation werde aber hoch genug bleiben (immer noch rund 4–5% im zweiten Semester 2022), um die US-Notenbank auf Straffungskurs zu halten.

Der Krieg in der Ukraine verschärft laut Swiss Life Asset Managers den wirtschaftlichen Graben zwischen den USA und Europa. Die Sanktionen treffen die USA kaum: Exporte nach Russland seien unbedeutend und die USA seien nicht von russischer Energie abhängig. Die USA könnten die Inlandsnachfrage beinahe durch einheimische Ölproduktion decken und seien Nettoexporteur von Flüssiggas. "Insofern sind die höheren Energiepreise kein externer Schock für die US-Wirtschaft: Der Energiesektor verzeichnet durch die hohen Preise enorme Mittelzuflüsse, wobei bisher die Gewinnausschüttung gegenüber Investitionen priorisiert wurde", erläutern die Expertinnen und Experten von Swiss Life Asset Managers. Dennoch dürften die Investitionen im Sektor allmählich anziehen, der Output der vorgelagerten Industrien (Bsp. Bohraktivitäten) befänden sich im Aufwärtstrend.

Die breite Industrie habe gemäss den März-Einkaufsmanagerindizes ebenfalls angezogen. Im Gegensatz zu Europa hätten Neuaufträge und Output an Fahrt aufgenommen und die Situation bei den Lieferketten habe sich marginal entspannt. Leidtragende der anhaltend hohen Inflation bleiben die privaten Haushalte. Auf realer Basis stagnieren die Detailhandelsumsätze, und weiter gestiegene Hypothekarzinsen dürften den Häusermarkt 2022 bremsen. Insgesamt hat Swiss Life Asset Managers die Wachstumsprognose 2022 leicht gesenkt, von 3.5% auf 3.3%.

Eurozone: Gaslieferungen als Konjunkturrisiko

Zur Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine arbeiten die Ökonomen von Swiss Life Asset Managers neben einem "Worst Case"-Szenario mit drei alternativen Szenarien unter der Annahme, dass der Krieg auf das Gebiet der Ukraine beschränkt bleibt. Die entscheidende Frage für Europa bleibe dabei für die kommenden neun bis zwölf Monate, ob die Gaslieferungen aus Russland aufrechterhalten bleiben oder ob sie von einer der beiden Vertragsparteien gestoppt werden.

In der kurzen Frist stelle der Unterbruch der Versorgung mit diesem Rohstoff ein erhebliches Konjunkturrisiko dar. "Möglicherweise wäre eine Rationierung bei der Gasversorgung auf den kommenden Winter hin eine der notwendigen Konsequenzen. Weil die Löhne mit der Preisentwicklung nicht schritthalten, ist in diesem Szenario mit einem Nachfragerückgang seitens der Verbraucher zu rechnen. Anders als in den USA hätte also eine mögliche Stagflation in den Ländern der Eurozone ihren Ursprung nicht in einer übermässigen Straffung der Geldpolitik. Wir veranschlagen die Wahrscheinlichkeit des Szenarios 'vollständiger Lieferstopp' aktuell auf rund 25%. Mit zunehmender Verringerung der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen wird dieses wirtschaftliche Risiko weiter abnehmen", sagen die Ökonominnen und Ökonomen von Swiss Life Asset Managers.

Anders als zu Beginn der Pandemie stehe die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, der weiter zunehmenden Inflationsgefahr zu begegnen. Ein Blick auf den Markt für inflationsgeschützte Anleihen zeige, dass sich die langfristigen Inflationserwartungen mindestens kurzfristig aus ihrer Verankerung gelöst haben: Lag die sogenannte "Breakeven-Inflationsrate" im Durchschnitt für die nächsten zehn Jahre vor Kriegsausbruch noch unterhalb des EZB-Zielwerts von "nahe bei, aber unter 2%", stieg sie inzwischen für Deutschland und Frankreich auf 2.7%.

China: Diplomatischer Balanceakt

"Inmitten des Krieges in der Ukraine versucht China einen diplomatischen Balanceakt zu vollziehen", beschreiben die Experten von Swiss Life Asset Managers das Verhalten des Landes. Das heisse, es verfolgt weiterhin eine politische Orientierung an Russland, während es gleichzeitig starke Handelsbeziehungen mit dem Westen pflegen will. Russland sei für China ein bedeutender Rohstofflieferant. Chinas Nachfrage nach Erdgas werde im Verlaufe der Jahre noch deutlich zunehmen, weil das Land das langfristige Ziel verfolge, seinen CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Gleichzeitig seien solide Wirtschaftsbeziehungen zum Westen von entscheidender Bedeutung, da seine Handelsbeziehungen zu den USA und zu Europa viel wichtiger seien als diejenigen zu Russland. Daher halte sich China bisher strikt an den Sanktionsrahmen des Westens.

Nebst der unsicheren geopolitischen Situation stelle die Pandemie ein weiteres Risiko für Chinas Wirtschaft dar, so die Ökonomen. Die Zahl der Covid-Fälle nimmt stark zu, und in wirtschaftlich wichtigen Städten wie Shenzhen oder Shanghai werden Lockdown-Massnahmen ergriffen. Solange die Eindämmungsmassnahmen zeitlich begrenzt bleiben, dürften nach Meinung der Experten die ökonomischen Auswirkungen und Störungen globaler Lieferketten überschaubar bleiben. Es bestehe jedoch die Gefahr, dass die Ausbreitung der Covid-Fälle ausser Kontrolle gerät und möglicherweise einschneidendere Massnahmen ergriffen werden. Trotz verstärkter geld- und fiskalpolitischer Anreize hält Swiss Life Asset Managers an unserer Wachstumsprognose von 5% für 2022 fest.

Der Ukraine-Krieg und die dadurch gestiegenen Rohstoffpreise werden sich laut Swiss Life Asset Managers nur begrenzt in Chinas Konsumentenpreisen niederschlagen. Bezüglich Nahrungsmitteln ist China grösstenteils selbstversorgend. Energiepreise werden zu höheren Produzentenpreisen führen. Die Unternehmen tragen dabei aber die grösste Last und geben die gestiegenen Kosten nicht in grossem Umfang an die Konsumenten weiter.

Japans Inflation dürfte im April 2%-Marke überschreiten

Für Japan hat Swiss Life Asset Managers seine bereits vorsichtige Wachstumsprognose für 2022 weiter gesenkt, von 2.2% auf 2.1%. Damit dürfte Japan unter den grossen Industrieländern 2022 das schwächste Wachstum hinlegen. Die Inflation stieg im Februar von 0.5% auf 0.9% und dürfte im April gar die 2%-Marke überschreiten, was zuletzt 2014 im Zuge von Yen-Abwertung und Konsumsteuererhöhung gelungen sei. Der jüngst schwächere Yen helfe derzeit auch, wichtigste Inflationstreiber blieben aber Energie und Nahrungsmittel. Die japanische Variante der Kerninflation, die verderbliche Nahrungsmittel und Energie ausschliesst, verharrte im Februar noch immer im negativen Bereich (–1.1%).

ESG- Bewertung: Schweiz auf Rang eins

Die jüngste Aktualisierung der hauseigenen ESG-Bewertung (Umwelt, Soziales und Governance) von Swiss Life Asset Managers für 114 Länder zeigt die Schweiz auf Rang eins, gefolgt von Dänemark. Schlusslichter sind der Irak und Angola. Der ESG-Wert korreliert stark mit herkömmlichen wirtschaftlichen Massen wie dem Bruttonationaleinkommen (BNE)* pro Kopf (vgl. Grafik). Dabei steche jedoch heraus, dass vor allem bekannte Ölstaaten, aber auch China, die Türkei und die USA in Relation zu ihrem BNE einen relativ tiefen ESG-Wert aufweisen. Im Vergleich zu anderen entwickelten Ländern schneiden die USA insbesondere im Bereich Soziales schlecht ab, etwa bezüglich Diskriminierung von Minderheiten sowie Zugang zu Bildung und Gesundheit.

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