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Corona kostet die Welt 24,4 Billionen Franken

Die Corona-Pandemie wirft viele Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung massiv zurück und führt zu einer langen Phase der Wohlstandsstagnation. (Bild: Shutterstock.com/Imageflow)
Die Corona-Pandemie wirft viele Länder in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung massiv zurück und führt zu einer langen Phase der Wohlstandsstagnation. (Bild: Shutterstock.com/Imageflow)

Europa erlebt nach verhältnismässig ruhigen Sommermonaten eine zweite Infektionswelle, deren Ausgang noch ungewiss ist. Lukas Rühli von Avenir Suisse kommentiert auf Basis der Experten-Schätzungen des IWF die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der Massnahmen zu ihrer Eindämmung.

27.10.2020, 11:11 Uhr

Redaktion: rem

Gegenüber den im Vorjahr prognostizierten Werten betragen die Verluste im internationalen Durchschnitt für das Jahr 2020 je nach Weltregion zwischen 6% bis 10% des BIP (vgl. Abbildung). Unklar ist der weitere Verlauf. "An sich ist Corona ein klassischer exogener Schock, aus dem heraus eine Volkswirtschaft wieder verhältnismässig schnell auf ihren alten Wachstumspfad zurückfinden müsste. Das spräche dafür, dass sich die gegenüber der 2019er-Prognose aufgeklafften Lücken in den Folgejahren schnell schliessen", erläutert Lukas Rühli von Avenir Suisse.

In der Realität sei es aber leider nicht so einfach. Eine von aussen herangetragene Krise könne zu einer Kettenreaktion negativer Auswirkungen führen, die sich quer durch Wirtschaft und Gesellschaft fressen und kaum prognostizieren liessen. Der offensichtlichste Risikofaktor seien die Staatsschulden, so Rühli. Viele Länder starteten schon überschuldet in die Pandemie – die dann zu einem Einbruch der Einnahmen und zu enormen Mehrausgaben der öffentlichen Hand führte. Die Folgen absehbarer Staatsbankrotte könnten wiederum Auswirkungen auf andere Länder haben. Auch die politische Stabilität und der gesellschaftliche Friede sei durch solche Krisen gefährdet, weil sie einen Nährboden für eine weitere politische Polarisierung, für Unruhen oder gar Umstürze bilden.

Der Covid-Graben: Mehr L- als V-förmig

Eigene Berechnungen basierend auf IMF World Economic Outlook Database Oktober 2020 und Oktober 2019; Grafik: Avenir Suisse
Eigene Berechnungen basierend auf IMF World Economic Outlook Database Oktober 2020 und Oktober 2019; Grafik: Avenir Suisse

Im Nachgang des Corona-Einbruchs prognostizieren die IWF-Experten zwar durchaus einen gewissen Aufholprozess, doch unter den sechs Länderklassen soll bis 2024 keine deutlich mehr als die Hälfte des 2020er-Einbruchs wettmachen (vgl. Abbildung). Global und über diese fünf Jahre aggregiert kumulieren sich die Wertschöpfungsverluste auf den astronomischen Betrag von 24,4 Bio. Franken.

Aufschlussreich sind laut dem Experten die Unterschiede zwischen den Länderklassen: Am ehesten eine V-Form, also eine rasche Erholung, wird für die entwickelten Volkswirtschaften (weite Teile Europas inklusive Schweiz, USA, Kanada, Israel, Japan, Südkorea, Singapur, Hong Kong, Taiwan, Australien, Neuseeland) prognostiziert. Sie schliessen bis 2024 immerhin etwas mehr als die Hälfte der Prognoselücke. Dicht darauf folgen die europäischen Schwellenländer und (das von China dominierte) Ostasien, wo der Einbruch mit 6% aber schon 2020 am geringsten war.

Eine fast perfekte L-Form wird hingegen (im Durchschnitt) für die Entwicklungs- und Schwellenländer Afrikas, dem Nahen Osten, Zentralasien sowie Lateinamerika und der Karibik prognostiziert. Sie werden in den nächsten Jahren – im Verhältnis zur Vorjahresprognose – kaum etwas vom covidbedingten Einbruch wettmachen. "Das untermauert die These, dass die Gefahr negativer Kettenreaktionen in Ländern mit schwächeren politischen Institutionen höher ist als in solchen mit starken. In Ersteren schwelen oft schon länger Konflikte im Unterholz, aus denen dann mit Corona als Zündfunken schnell Grossbrände werden können", folgert Rühli.

Die BIP-Prognosen für 25 einzelne Länder

Avenir Suisse hat auf Basis der IWF-Prognosen der letzten zwölf Jahre zur Entwicklung des BIP pro Kopf 25 Länder analysiert. Bei Durchsicht dieser mehrheitlich grossen Volkswirtschaften zeigt sich: Ähnlich wie bei der Finanzkrise des Jahres 2008 gibt es demnach kaum ein Land, das durch die Corona-Krise nicht einen deutlichen Einbruch seiner Wachstumskurve zu verzeichnen hat. Anderseits ist der BIP-Einbruch vielerorts nicht entscheidend grösser als bei der Finanzkrise. Rühli macht spezifische Beobachtungen dazu:

  • Die für die Schweiz vom IWF prognostizierte Rezession entspricht eher einer L- als einer V-Form. An der vor sieben Monaten diagnostizierten Wachstumsschwäche hat sich nichts geändert – sie findet neu einfach ein paar Prozente weiter unten statt. Das noch vor Jahresfrist für 2020 prognostizierte Pro-Kopf-BIP soll sie bis 2025 nicht erreichen.
  • Griechenlands Pro-Kopf-BIP wird 2020 bloss 72,4% des Niveaus von 2007 betragen. Beim prognostizierten Wachstumspfad würde es bis 2036 dauern, bis Griechenland wieder den Wert von 2007 erreicht.
  • Italien steht fast so schlecht da wie Griechenland. 2020 soll das Pro-Kopf-BIP 83,3% des 2007er-Werts betragen; die Wachstumsdynamik ist schwach.
  • Spanien und Portugal sollen dagegen ihre grossen Einbrüche verhältnismässig schnell wieder wettmachen.
  • Für Irland waren die Prognosen bisher nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben waren. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des Steuerparadieses trieb bisher seltsame Blüten. Der Covid-Einbruch soll bald aufgeholt sein.
  • In Brasilien bedeutet Covid eine Verschärfung der bisherigen Wirtschaftskrise.
  • Mexiko wird ein grosser Einbruch ohne anschliessende Aufholtendenz prognostiziert.
  • Chinas Wachstumskurve ist der dargestellten Skala längst entschwunden. Das Pro-Kopf-BIP soll gemäss IWF dieses Jahr 3,7% unter dem im Vorjahr prognostizierten Wert zu liegen kommen. Damit verliert China bloss ein halbes Jahr Wirtschaftswachstum.
  • Indiens BIP erleidet einen enormen Einbruch. Gegenüber der vorjährigen Prognose wird 2020 ein Verlust von 16,2% prognostiziert, der sich in den Folgejahren kaum vermindern soll. Da Indien allerdings ein sehr hohes Trendwachstum aufweist, handelt man sich dadurch bloss einen Wachstumsrückstand von drei Jahren ein.
  • Nigeria setzt seine seit 2015 laufende Elendsserie fort. Vom afrikanischen Löwenstaat (in Anlehnung an die asiatischen Tigerstaaten) zum Wachkoma-Patienten: Nigeria ist die einzige der analysierten 25 Volkswirtschaften, für die der IWF im Anschluss an die Corona-Krise permanentes Nullwachstum prognostiziert.
  • Eine ähnliche Tragödie spielt sich in Südafrika ab.

Nicht wenige Länder durchleben also als Folge diverser wirtschaftlicher Einbrüche seit der Finanzkrise eine voraussichtlich jahrzehntelange Phase der Wohlstandsstagnation. "Es ist schwierig, seit Beginn der Industrialisierung ähnlich lange Perioden des Stillstands – bzw. präziser: des sich gegenseitig auslöschenden Auf-und-Abs – auszumachen", stellt Rühli fest und fügt an: "Derart lange Phasen der Stagnation erschüttern das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft und sie öffnen den leeren Heilsversprechen von Populisten Tür und Tor. Das stellt eine Gefahr für freiheitliche Rechtsordnungen und demokratische Institutionen dar. Es ist zu hoffen, dass diese ohne permanenten Schaden aus den Krisen hervorgehen – denn sie sind wiederum die wichtigsten Pfeiler für Prosperität und individuelle Freiheit."

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