Netto-Null-Lösung ist mehr als eine Low-Carbon-Strategie
Der Ausschluss wichtiger Unternehmen, deren Fortschritte für die Erreichung von Netto-Null entscheidend sind, verlangsamt das Tempo des Übergangs. (Bild: Shutterstock.com/darksoul72)
Die Netto-Null-Lösung bei CO2-Emissionen ist eine riesige Herausforderung. Auch Investoren müssen ihre Portfolios für diesen tiefgreifenden wirtschaftlichen Übergang neu überdenken. Unternehmen mit hohen Emissionen sollten dabei nicht ausgeschlossen werden, meint Yannik Zufferey von Lombard Odier Investment Managers.
26.05.2021, 16:05 Uhr
Redaktion: rem
"Das Rennen ist eröffnet. Wir haben es mit einer neuen industriellen Revolution zu tun, die sich mit der Geschwindigkeit des digitalen Zeitalters entfaltet und immense Chancen und Risiken für die Anleihenmärkte mit sich bringen wird", sagt Yannik Zufferey, Chief Investment Officer Fixed Income bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM).
Um das Ausmass der Net-Zero-Herausforderung zu verdeutlichen, fügt er ein Beispiel an: Bill Gates verwendet die Analogie einer Badewanne, die sich langsam mit Wasser füllt. Da der Effekt kumulativ ist, wird selbst das langsamste Rinnsal die Wanne irgendwann zum Überlaufen bringen. Bei der derzeitigen Emissionsrate – 52 Gt CO2e pro Jahr – haben wir weniger als zehn Jahre Zeit, bevor wir eine globale Erwärmung von 1,5° C erreichen, ein Niveau, das als entscheidend angesehen wird, wenn wir katastrophale ökologische, soziale und wirtschaftliche Schäden begrenzen wollen. Um auf dem richtigen Weg zu sein, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, haben wir neun Jahre Zeit, die Emissionen um 50% zu reduzieren. "Diese Dringlichkeit treibt daher Massnahmen von Politikern, Unternehmen und Verbrauchern für eine schnelle Dekarbonisierung an. Als Investoren müssen wir unsere Portfolios für diesen tiefgreifenden wirtschaftlichen Übergang neu überdenken", betont Zufferey.
Probleme mit kohlenstoffarmen Strategien
Heutzutage beinhalteten Anleihenindizes eine immense Menge an Klimarisiken, die nicht korrekt eingepreist seien. Für festverzinsliche Investoren, die eine Netto-Null-Prognose anstreben, stelle sich die offensichtliche Frage: Wie sollte das Kohlenstoffrisiko gemanagt werden? In der Vergangenheit haben viele Investoren darauf mit Strategien reagiert, die Sektoren und Unternehmen mit hohen Emissionen zugunsten von Unternehmen mit geringen Emissionen ausschliessen. "Unserer Ansicht nach ist dieser Ansatz aus einer Reihe von Gründen fehlerhaft", sagt Zufferey:
Verpasste Chancen: Durch das Ignorieren von Unternehmen mit grossem Kohlenstoff-Fussabdruck, aber glaubwürdigen Dekarbonisierungspfaden, werden Investoren daran gehindert, Chancen des Klimawandels zu nutzen.
Verlangsamung des Übergangs: Durch den Ausschluss wichtiger Unternehmen – wie z. B. Stahl- und Zementunternehmen –, die wirklich dekarbonisieren und deren Fortschritte für die Erreichung von Netto-Null entscheidend sind, verlangsamt der Ausschluss das Tempo des Übergangs.
Konzentrationsrisiko: Indem sie das investierbare Universum erheblich einschränken, können kohlenstoffarme Strategien die Diversifizierung verringern und somit das Konzentrationsrisiko erhöhen.
"Investoren sollten die Chancen nutzen und Risiken bei der Netto-Null-Umstellung vermeiden wollen, eine gesamtwirtschaftliche, zukunftsorientierte Sichtweise einnehmen, die weit über den aktuellen CO2-Fussabdruck hinausgeht. Letztlich müssen sie Unternehmen identifizieren, die – unabhängig von ihrer Branche oder ihrem aktuellen CO2-Fussabdruck – glaubwürdige Pläne zur Reduzierung ihrer Emissionen im Einklang mit einer Netto-Null-Zukunft umsetzen. Wir nennen dies Investitionen in den Übergang", erläutert der CIO Fixed Income bei LOIM.
Portfolios kühlen, die Wirtschaft kühlen
Um in die Energiewende zu investieren, müsse man über die Analyse des Kohlenstoff-Fussabdrucks hinausgehen und sich ein klares Bild von den Dekarbonisierungsplänen der Unternehmen machen. Auf diese Weise könnten Investoren beurteilen, ob es sich bei den Unternehmen um Übergangschancen handelt, die es zu nutzen gelte oder um Risiken, die es zu vermeiden gelte.
"Wir definieren diese Übergangschancen als 'Eiswürfel', weil ihre Fortschritte bei der Emissionsreduzierung dazu beitragen, die Wirtschaft abzukühlen. Im direkten Gegensatz dazu definieren wir die grossen Emittenten, die keine offensichtlichen Pläne zur Dekarbonisierung haben, als Übergangsrisiken oder 'brennende Holzscheite'. Sie tun nichts, um den Übergang voranzutreiben, und werden wahrscheinlich bei oder auf dem Weg zu Netto-Null zum Opfer fallen", sagt Zufferey.
Netto-Null-Ziel bei festverzinslichen Anlagen
Auf den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere sei das Universum der Netto-Null-Emissionen ausgerichteten Unternehmen begrenzt. Ein echtes Netto-Null-Portfolio aus Unternehmensanleihen sei daher derzeit nicht realisierbar - obwohl LOIM davon ausgehe, dass dies in den kommenden Jahren möglich sein werde, wenn sich der Übergang beschleunige. "Aber unsere Überzeugung, in den Übergang zu investieren, zwingt uns, nach Eiswürfeln zu suchen, brennende Holzscheite zu vermeiden und uns zu engagieren, um den Fortschritt beim Erreichen von Netto-Null zu beschleunigen", umschreibt Zufferey das Vorgehen und fügt an: "Dabei blicken wir nach vorne und auf die gesamte Wirtschaft – ohne uns auf kohlenstoffarme Sektoren zu beschränken – mit dem Ziel, den Übergang zu dekarbonisieren, zu diversifizieren und voranzutreiben.
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