Bei aller Tragik von Gewalt – politische Börsen haben kurze Beine
Anlegerinnen und Anleger müssen Phasen hoher Marktunsicherheit und Nervosität aushalten können. (Bild: Shutterstock.com/Ivan Marc)
Mit der militärischen Eskalation in der Ukraine ist der schon zuvor geknickte Aufwärtstrend an den Aktienmärkten einer beschleunigten Korrektur gewichen. Orientierung tut not. Peter Bänziger, Ex-Anlagechef von Swisscanto und jetzt Partner des Vermögensverwalters Colin, liefert sie in Form einer 80-jährigen Analyse von geopolitischen Ereignissen und ihren Auswirkungen auf die Börse.
24.02.2022, 16:55 Uhr
Autor: Hanspeter Frey
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine bringt grosse Verunsicherung an die Märkte. Der unabhängige Vermögensverwalter Colin, 2009 in Zug gegründet und heute mehr als CHF 2 Mrd. Vermögen betreuend, rechnet mit einer kurzen negativen Marktreaktion und mit anschliessender schneller Erholung.
Diese Prognose sieht weder über die dramatischen und tragischen Ereignisse im Osten Europas hinweg noch ist sie von Trübsal und Kümmernis geprägt, wie sie unter Anlegerinnen und Anleger in der aktuellen Lage da und dort vorherrschen mögen. Sie bezieht sich auf die Geschichte.
Was die Geschichte sagt
Colin-Partner Peter Bänziger verweist in seiner Einschätzung auf eine 80 Jahre zurückgreifende Analyse geopolitischer Ereignisse und ihre Konsequenzen auf den US-Aktienindex S&P 500. Die Analyse zeigt einen grossmehrheitlich geringen negativen Einfluss. Selbst 9/11 und der Koreakrieg verliefen an der Leitbörse USA mit minus 11,6 resp. minus 12,9% relativ glimpflich (vgl. Tabelle). Von einschneidender Tragweite war Pearl Harbour (minus 19,8%), alle anderen Vorkommnisse hinterliessen geringe Spuren.
Die Analyse zeigt auch den zeitlichen Verlauf: die Dauer des Rückgangs bis zur Talsohle und die Periode der Erholung. Wiederum von Pearl Harbour abgesehen, was kaum die Blaupause für den Russland-Ukraine-Konflikt darstellt, so sehr dieser schmerzt, waren die Zeitspannen erstaunlich kurz.
Die bekannte Börsenfloskel: "Politische Börsen haben kurze Beine", lässt sich auf diesen Umstand zurückführen, betont Peter Bänziger. Im Durchschnitt verliert der Aktienmarkt im Nachgang eines politischen Ereignisses nach 20 Tagen 4,6%. "Die Erholung dieses Rückgangs ist bereits nach gut 43 Tagen nach Eintreten des Ereignisses vollzogen", so der Börsenexperte.
Geringer negativer Einfluss von geopolitischen Ereignissen auf den Aktienmarkt
Quelle: LPL Research, S&P Dow Jones Indices, CFRA
Aufgrund des vernachlässigbaren Einflusses geopolitischer Ereignissen auf die Börsen hält Vermögensmanager Colin die Beurteilung der fundamentalen Lage für viel wichtiger. Diese besteht aus mehr als 250 Indikatoren und gibt für die kommenden Monate ein Umfeld erhöhter Unsicherheit vor.
Phasen erhöhter Volatilität gehören dazu
Die konjunkturelle Eintrübung sorgt für Nervosität und führt zu erhöhten Schwankungsbreiten in der Preisentwicklung, erklärt Bänziger. Beispielsweise bei Aktien: Dem schwächeren Wachstum der Unternehmensgewinne bei hohen Aktienmarktbewertungen stehe als Kontraindikator eine zu negative Investorenstimmung gegenüber (vgl. Grafiken): "Je nach Marktlage messen Investoren dem positiven oder negativen Indikator ein höheres Gewicht bei und positionierten sich entsprechend. Bei schnellen Meinungswechseln erzeugt dies ein Umfeld erhöhter Volatilität."
Aktien sind Renditetreiber im Portfolio. "Die Eintrittswahrscheinlichkeit der Rendite kann allerdings nur mit einem längeren Anlagehorizont erhöht werden", weist der erfahrene Anlageexperte auf eine andere Börsenregel hin: Je höher die Aktienquote im Portfolio, desto länger der Anlagehorizont. "Phasen erhöhter Volatilität gehören beim Aktieninvestieren mit dazu und müssen zeitweise ausgehalten werden", so das Fazit.
Konjunkturverlauf mit erwartetem Tiefpunkt im März 2023
Quelle: Colin&Cie.
Investorenstimmung zu negativ
Quelle: Colin&Cie.
"Dennoch erwarten wir im Verlauf des dritten Quartales eine allmähliche Verbesserung mit einer Beruhigung der Situation", betont Bänziger. Obwohl die mediale Berichterstattung noch von negativen Wirtschaftsmeldungen geprägt sein werde, antizipierten die Finanzmärkte bereits das Ende des Konjunkturrückgangs ab März 2023. In der Folge gingen die Schwankungen zurück und es komme wieder zu steigenden Kursen.
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