Vorsorgeeinrichtungen erkennen Warnsignale

(Bild: Pixabay)
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Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge hat im Rahmen der Vorstellung ihres vierten Tätigkeitsberichtes die aktuellen Zahlen zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen präsentiert sowie Risiken analysiert. Das abgelaufene Jahr kann als Warnsignal für die kommenden Jahre gedeutet werden.

12.05.2016, 10:15 Uhr

Redaktion: sif

Die Risiken, welchen Schweizer Vorsorgeeinrichtungen ausgesetzt sind, haben im 2015 aufgrund des schwierigen Finanzmarktumfelds und der weiter steigenden Lebenserwartung zugenommen. Die durchschnittliche Netto-Vermögensrendite betrug nur noch 0.8% (gegenüber 6.4% im Vorjahr). Die Deckungsgrade haben sich im Durchschnitt um rund 2.4 % Punkte reduziert, wozu auch die vorsichtigere Bewertung mit tieferen technischen Zinssätzen beigetragen hat. Einen Rückschlag erlitten hat auch die Kapitalisierung der öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie.

Analyse der einzelnen Risikodimensionen
Die Analyse zeigt, dass das grösste Risiko der Vorsorgeeinrichtungen die zu hohen Zinsversprechen in den Umwandlungssätzen darstellt. In diesem Bereich tragen aktuell 66% der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie hohe bis sehr hohe Risiken. Im Durchschnitt betragen diese Zinsversprechen 3.25%. Der Vergleich dieses Werts mit dem Zinsniveau per Ende 2015 von -0.1% (10-Jahres-Bundesobligationen, Vorjahr: 0.4%) macht deutlich, woher diese Risiken stammen. Da viele Vorsorgeeinrichtungen schon sehr lange existieren und folglich schon über hohe Rentenverpflichtungen verfügen, ist ihre Sanierungsfähigkeit im Durchschnitt die Risikodimension mit den zweithöchsten Risikowerten.

Im Bereich der Sanierungsfähigkeit tragen aktuell 48% der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie hohe bis sehr hohe Risiken. Aufgrund der bestehenden Rentenverpflichtungen kann die Sanierungsfähigkeit von den Vorsorgeeinrichtungen kaum beeinflusst werden. Die im Durchschnitt eingeschränkte Sanierungsfähigkeit der Vorsorgeeinrichtungen macht die Verwendung von realistischen versicherungstechnischen Grundlagen für die Stabilität des Systems sehr bedeutsam.

Die Risikodimension Deckungssituation wird aufgrund ihrer Wichtigkeit für das Gesamtrisiko doppelt gewichtet. Sie basiert auf einer Bewertung mit einheitlichen versicherungstechnischen Grundlagen. Die Deckungssituation hat sich im letzten Jahr – nach drei Jahren mit Verbesserungen – etwas verschlechtert. In diesem Bereich tragen aktuell rund ein Drittel (Vorjahr: rund ein Fünftel) der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie hohe bis sehr hohe Risiken.

In der Risikodimension Anlagerisiko sind die Vorsorgeeinrichtungen gezwungen Risiken einzugehen, damit sie die Leistungen finanzieren können. Die Risikowerte haben sich per Ende 2015 leicht erhöht. 33% (Vorjahr: 24%) der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatsgarantie tragen hier hohe bis sehr hohe Risiken. Es zeigt sich, dass der Renditedruck auf die Vorsorgeeinrichtungen nochmals gestiegen ist. 2015 hat das Gesamtrisiko der Vorsorgeeinrichtungen ohne Staatgarantie somit klar zugenommen. Für die Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie zeigt sich ein ähnliches Bild, jedoch sind sie in allen Risikodimensionen noch deutlich höheren Risiken ausgesetzt. So tragen z.B. in der Risikodimension Zinsversprechen sogar 94% der Vorsorgeeinrichtungen mit Staatsgarantie und in der Risikodimension Sanierungsfähigkeit 91% hohe bis sehr hohe Risiken.

Vorsichtigere Bewertungen – weitere Senkung des technischen Zinssatzes
Positiv zu werten ist, dass als Reaktion auf das veränderte Umfeld viele Schweizer Vorsorgeeinrichtungen Massnahmen getroffen und ihre für die Bewertung der Verpflichtungen verwendeten technischen Zinssätze weiter gesenkt haben. Gesenkt wurden vielfach auch die zukünftigen Umwandlungssätze, und teilweise wurden auch andere Leistungsanpassungen vorgenommen. Zur Berücksichtigung der steigenden Lebenserwartung verwenden beispielsweise immer mehr Vorsorgeeinrichtungen Generationentafeln anstelle von gesonderten technischen Rückstellungen. Bei vielen Vorsorgeeinrichtungen werden weitere Anpassungen auf der Leistungsseite und der Finanzierungsseite indes unvermeidbar sein.

Finanzierungslücke bleibt unverändert
Trotz risikosenkender Massnahmen vieler Vorsorgeeinrichtungen haben sich die Risiken insgesamt erhöht. So verbleiben auch die Zinsversprechen, welche den Altersleistungen zu Grunde liegen, im Durchschnitt höher als die für die Bewertung der Verpflichtungenvon der Vorsorgeeinrichtung verwendeten technischen Zinssätze. Diese Differenz ist im Gesetz nicht vorgesehen und kann bisher auch nicht durch paritätische Beiträge vorfinanziert werden. Im Vergleich zu realistisch zu erwartenden Renditen sind die Zinsversprechen als hoch zu bezeichnen. Mit zukünftigen Vermögenserträgen nicht finanzierbare Renten können im Nachhinein nicht mehr gekürzt werden, sondern müssen von Arbeitgebern und Versicherten nachfinanziert werden.

Alarmbereitschaft für die kommenden Jahre
Nach den vergangenen sehr guten Anlagejahren fielen die Renditen im Jahr 2015 ernüchternd aus, waren aber für das Gros der Vorsorgeeinrichtungen gerade noch verkraftbar. Für die kommenden Jahre stellen sich jedoch einige zusätzliche Herausforderungen: So werden risikoarme Anlagen wie Bundesobligationen in den nächsten Jahren aufgrund der sehr tiefen respektive negativen Zinsen praktisch keinen oder sogar einen negativen Beitrag an den Anlageertrag leisten. Auch die oft gut rentierende Anlagekategorie der Immobilien bietet nach den Bewertungssteigerungen der vergangenen Jahre nur noch eine reduzierte Rendite.

Die Aktienmärkte wiederum bleiben volatil und damit anfällig auf Kursverluste infolge unsicherer ökonomischer Zukunftsaussichten. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass das Ertragsniveau der Vorjahre gehalten werden kann. Vielmehr kann das abgelaufene Jahr als Warnsignal für die kommenden Jahre gedeutet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Deckungsgrade durch die andauernde Phase der extrem tiefen, zum Teil negativen Zinsen weiter sinken werden. Gleichzeitig bleiben die Zinsversprechen hoch und die laufenden Renten können aufgrund des geltenden Rechts nicht mehr reduziert werden. Dies verstärkt die Tendenz zu weiteren Reduktionen der Deckungsgrade und damit zu weiteren Senkungen der künftigen Umwandlungssätze. Massnahmen zur Verminderung der Risiken müssen von den obersten Organen der Vorsorgeeinrichtungen getroffen werden. Angesichts des extrem tiefen Zinsniveaus und der stetigen Erhöhung des Rentenanteils sind indes auch weitere Kreise aus Wirtschaft und Politik gefordert, um realistische und für alle Beteiligten tragbare Lösungen zu ermöglichen.

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