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Geldpolitische Lockerung und Ertragsfokus

Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management
Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management

Jüngst zeigt sich eine Erholung risikoreicher Werte. Während die Konjunktur weiterhin stagniert, notieren Aktien, Unternehmensanleihen und selbst Rohstoffwerte fester. Der S&P 500 kletterte auf ein neues Allzeithoch.

06.05.2013, 14:00 Uhr

Redaktion: dab

Die häufigste Erklärung für den beobachteten Wandel im Marktverhalten ist, dass die Wirtschaftsdaten einerseits nicht schwach genug sind, um sich über die Verfassung der Weltkonjunktur echte Sorgen zu machen, aber andererseits schwach genug, um Raum für weitere geldpolitische Lockerung zu bieten. Nach dem Kurswechsel der BoJ setzt nun auch die EZB auf stärkere konjunkturelle Impulse. Auch Fed und die neue Führung der Bank of England würden mit aller Entschlossenheit handeln, falls ihre Volkswirtschaften sich deutlich schlechter entwickelten. Im Ergebnis führt das zu einer hohen Liquiditätsversorgung der globalen Märkte.

Insofern sollte man annehmen, dass die jüngste Rally bei Aktien und Staatsanleihen liquiditätsgetrieben war. Gleichzeitig weicht das Marktverhalten in letzter Zeit deutlich vom Muster früherer Perioden in diesem Jahr ab, als kapitalkräftige Investoren auf der Suche nach Einkünften und stabilen Wachstumswerten dank üppiger Liquidität eine Kurs-Rally auslösten. Diese Faktoren erklären weitgehend, warum Rohstoffe so stark hinter dem Markt zurückgeblieben sind und warum zuverlässige defensive Dividendentitel im ersten Quartal des Jahres besser als zyklische Aktien abgeschnitten haben.

Die jüngste Erholung bei Rohstoffen und die Zyklizität der Aktienmarkt-Rally (also das überdurchschnittliche Abschneiden von IT und Grundstoffen) legen einen Wandel bei den Antriebskräften des Marktes nahe. Das deutet darauf hin, dass die jüngste Entwicklung nicht allein von höheren Erwartungen in puncto geldpolitischer Lockerung getrieben wird. Insofern war durchaus bemerkenswert, dass der Euro im Laufe der Woche gegenüber dem Dollar zulegte, denn normalerweise würde die Aussicht auf eine Zinssenkung durch die EZB den Druck auf die Währung erhöhen.

Bei der Suche nach alternativen Erklärungen sollte man nicht allein die geldpolitischen Aspekte berücksichtigen, sondern auch den fiskalpolitischen Bereich. Es wäre sicher verfrüht, hier bereits eine Kurswende zu erwarten, doch seit ein paar Wochen weht ein moderater Wind des Wandels. Da die strikte Haushaltspolitik in den letzten paar Jahren eine der grössten Hürden für das globale Wachstum darstellte, könnte eine Wende die Markterwartungen an das künftige Wachstum erheblich beeinflussen.

Doch noch predigen viele Politiker in weiten Teilen der entwickelten Welt Sparsamkeit. Andererseits fällt die Durchsetzung des Sparkurses mangels Popularität und wirtschaftswissenschaftlicher Basis immer schwerer. Südeuropäische Politiker haben das offensichtlich schon lange begriffen. Die jüngsten Entwicklungen in Spanien und Italien signalisieren, dass man ab jetzt einen weniger drastischen Sparkurs verfolgen wird. Spanien hat der Troika erfolgreich eine Fristverlängerung um zwei Jahre zum Erreichen seiner Haushaltsziele abgerungen; die neue italienische Regierung macht deutlich, dass sie die wichtigste Botschaft aus den letzten Wahlen – Sparkurs: NO! – verstanden hat, und dürfte Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung ausgewogener angehen. Aber auch die Europäische Kommission scheint sich nicht mehr länger den Realitäten zu verschliessen: Sowohl Kommissionspräsident Barroso als auch Olli Rehn, der Kommissar für Wirtschaft und Währung, haben bereits öffentliche Stellungnahmen abgegeben, die eine nachgiebigere Haltung signalisieren.

Aber auch ohne eine grundlegende Änderung der Fiskalpolitik haben wir die grössten Auswüchse wohl hinter uns. In Europa erreichte der Sparkurs 2012 seinen Höhepunkt. Zwar belastet er auch 2013 noch das Wirtschaftswachstum, doch ist im kommenden Jahr wohl fiskalpolitische Neutralität zu erwarten. Die USA befinden sich dagegen momentan in der „heissen Phase“ des Sparkurses: Steuererhöhungen und Zwangssparpaket werden in der ersten Jahreshälfte 2013 die konjunkturelle Entwicklung bremsen; ihre wachstumsschädliche Wirkung wird erst in den Folgequartalen nachlassen. Japan legte dagegen eine höhere Gangart ein: Ab dem zweiten Quartal 2013 soll „Abenomics“ die Konjunktur ankurbeln.

Insgesamt könnte es tatsächlich so sein, dass das Anlegerverhalten in den nächsten ein, zwei Jahren zunehmend von konstruktiveren Sichtweisen zu den Folgen der Fiskalpolitik auf das Wirtschaftswachstum beeinflusst wird. Das gilt umso mehr, wenn man den jüngsten Rückgang der Ölpreise berücksichtigt. Dieser hat auf Haushalte in der ganzen Welt eine ähnliche Wirkung wie eine Steuersenkung. Insofern ist nachvollziehbar, warum die Märkte sich bisher wenig um die schwachen Daten der Vergangenheit gekümmert haben, sondern sich lieber am zyklischen Verlauf orientieren.

Niedrige Leitzinsen, reichlich Liquidität und geringere Extremrisiken rechtfertigen die allmähliche Rückkehr von Cash an die Märkte. Im Ergebnis wird die Anlegerschaft wieder verstärkt auf Risiken setzen. Dieser Prozess findet jedenfalls seit vergangenem Sommer statt. Vor diesem Hintergrund ist immer noch völlig unklar, wie viel konjunkturellen Schwung die Wirtschaftspolitik tatsächlich generieren kann, wenn die haushaltspolitische Komponente unter Druck bleibt. Denn schliesslich blieb das weltweite Wirtschaftswachstum auch während der Erholungsphase erstaunlich moderat.

Sofern die haushaltspolitische Komponente sich jetzt endlich in Richtung Wachstum bewegt, könnte das einen grundlegenden Wandel anstossen. Wird der Wandel als überzeugend und nachhaltig wahrgenommen, so könnte die Rückkehr von Cash an die Märkte schliesslich auch eine Hinwendung zu risikoreicheren Anlageformen bedeuten: von defensiven Werten hin zu Wachstumstiteln. Sowohl das Marktverhalten (Anleihen entwickeln sich weiterhin positiv) als auch die ungewisse fiskalpolitische Zukunft lassen darauf schliessen, dass eine echte Umschichtung von Bonds zu risikoreicheren Werten sowie von Ertragsrisiken (Unternehmensanleihen, Immobilien, Dividendentitel) zu Wachstumsrisiken (High-Beta-Werte, Emerging Markets, Rohstoffe) noch nicht in der Breite stattfindet.

Die Weichen sind bereits gestellt. Es ist nun an den Anlegern, sich der Möglichkeit zu öffnen, dass der „Wind of Change“ Weltwirtschaft und Märkte in produktivere Bahnen lenken wird. Dementsprechend bleibt ING bei der Präferenz für Risikowerte (Aktien und Immobilien). Sobald sich die weitere politische Richtung und der Wandel im Anlegerverhalten deutlicher abzeichnen, wird auch ING wieder stärker auf die Wachstumsentwicklung fokussieren.

Festverzinsliche
Bei Spreadprodukten hält ING an ihrer moderaten Übergewichtung von High Yield (HY) und Senior Loans fest. Auch lokale Schwellenländer-Anleihen gewichtet ING über, da sie von hoher globaler Liquidität, stagnierendem Wachstum und rückläufiger Inflation profitieren. Unternehmensanleihen mit hoher Exposition gegenüber Europa bzw. Sensitivität gegenüber der Wachstumsentwicklung an den Emerging Markets bleiben dagegen untergewichtet. Das gilt für europäische Investment-Grade-Titel, Staatsanleihen von der Euro-Peripherie und auf Hartwährung lautende Emerging Markets Debt.

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