EZB belässt Leitzins und beschliesst Massnahmenpaket

Die EZB will angesichts der Coronavirus-Krise der Wirtschaft unter die Arme greifen. (Bild: Shutterstock.com/nitpicker)
Die EZB will angesichts der Coronavirus-Krise der Wirtschaft unter die Arme greifen. (Bild: Shutterstock.com/nitpicker)

Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt den Leitzins unverändert bei 0% und den Einlagensatz bei -0,5%. Der EZB-Rat beschloss aber zusätzliche Liquiditätsspritzen für Banken und die Aufstockung der Anleihenkäufe. Drei Asset Manager kommentieren den Entscheid.

12.03.2020, 15:23 Uhr
Notenbanken

Redaktion: rem

Am Donnerstag beschloss der EZB-Rat in seiner turnusmässigen Sitzung, den Leitzins unverändert bei Null und den Einlagensatz bei -0,5% zu belassen. Dennoch will die Europäische Zentralbank angesichts von Coronavirus-Krise, Börsencrash und Ölpreisschock die Wirtschaft mit einem Massnahmenbündel stützen und hat dabei insbesondere kleinere und mittelgrosse Unternehmen im Blick, die wegen der Virus-Krise in Bedrängnis geraten.

Liquiditätsspritzen für Banken

Die Währungshüter kündigten neue Liquiditätsspritzen für Banken an, um den Kreditfluss an die Wirtschaft zu stützen. Es handelt sich um zusätzliche subventionierte Kredite, sogenannte langfristige Refinanzierungsoperationen (LTRO). Die Konditionen der bereits angekündigten gezielten Langfristkredite für Banken, die im Branchenjargon als TLTRO III bezeichnet werden, will die Notenbank ferner für die Periode Juni 2020 bis Juni 2021 verbessern. Dabei kann im günstigsten Fall der Zinssatz sogar ein Viertel Prozentpunkt unter dem Satz liegen, der den Banken für ihre Einlagen bei der EZB als Minuszinsen berechnet wird. Das heisst: Die Banken erhalten bis zu 0,75% Zinsen von der EZB, wenn sie die Kredite annehmen und an ihre Kunden weiterreichen.

Zudem plant die EZB, bis Jahresende zusätzlich Wertpapiere über 120 Mrd. Euro zu erwerben, um günstige Refinanzierungskonditionen für die Realwirtschaft sicherzustellen. Dieses zusätzliche Geld soll vor allem dem Unternehmenssektor zugutekommen. Die Anleihenkäufe waren in den vergangenen Jahren die stärkste Waffe der Währungshüter im Kampf gegen eine schwache Konjunktur und eine aus ihrer Sicht zu niedrige Inflation.

"Zwei Treffer und ein Fehlschuss"

"Unser EZB-Urteil: zwei Treffer und ein Fehlschuss. Die Treffer sind die QE-Erhöhung und das neue TLTRO-III-Programm, die eindeutig begrüsst werden und dazu beitragen sollten, die Liquidität in der Wirtschaft zu erhalten. Der Zinssatz von -0,75 % für die TLTRO-Darlehen an die Banken ist eine wichtige Neuerung. Es ist das erste Mal, dass die Zentralbank den Banken Kredite zu einem Zinssatz unterhalb ihres Leitzinses gewährt – in gewisser Weise ist das eine gezielte Zinssenkung. Aber der Fehlschuss ist die fehlende Senkung des Einlagenzinssatzes, was die Markterwartungen enttäuscht. Es signalisiert, dass sogar die EZB selbst glaubt, dass weitere Zinssenkungen nichts mehr bewirken", kommentiert Paul Diggle, Senior Economist bei Aberdeen Standard Investments, die heutige EZB-Sitzung.

Ulrike Kastens, DWS Volkswirtin Europa, findet, die EZB agiere deutlich weniger aggressiv als es die anderen bedeutenden Notenbanken getan haben: "Christine Lagarde hat gleich zu Beginn der Pressekonferenz klargestellt, dass in diesem wirtschaftlichen Umfeld Fiskalpolitik gefordert ist. Sie rief entsprechend die europäischen Regierungen zu einer koordinierten und substantiellen Fiskalpolitik auf, mit Flankierung seitens der EZB. Es war allerdings schon kein Rufen mehr, sondern beinahe schon ein Flehen, was man wiederum als Eingeständnis werten kann, wie begrenzt die Möglichkeiten der EZB in diese Falle sind."

"Die EZB hat die Markterwartungen unterschätzt. Sie hat darauf verzichtet, die Zinsen zu senken, und lediglich ihr Programm zur quantitativen Lockerung ausgeweitet. Dementsprechend heftig waren die Reaktionen, sodass der Handel am italienischen Anleihenmarkt während der Pressekonferenz von Lagarde aufgrund schwerer Kursverluste eingestellt wurde. In der geldpolitischen Erklärung der EZB hiess es, sie sehe keine 'wesentlichen Anzeichen für Spannungen an den Geldmärkten oder Liquiditätsengpässe' - was angesichts der grossen Verwerfungen, die Vermögensmärkte in dieser Woche erlitten haben, eine beunruhigende Aussage für die Anleger ist. Es scheint, dass die EZB etwas hinterherhinkt", kommentiert Jon Day, Fixed Income Portfolio Manager bei Newton IM – einer Gesellschaft von BNY Mellon Investment Management zum heutigen EZB-Entscheid. Lagardes Forderung nach einem koordinierten Vorgehen der Europäischen Union werde die Anleger veranlassen, abzuwarten, ob die EU ihre Anstrengungen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus aufnehme. Italien hat sein Ausgabenpaket bereits aufgestockt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu bekämpfen. "Jetzt müssen nur noch andere Länder dem Beispiel folgen", sagt Jon Day.

Wachstumsprognosen reduziert

Die Wachstumsprognosen für den Euroraum hat die EZB im Zuge der der Ausbreitung des Coronavirus vor allem für dieses Jahr reduziert. Die Notenbank erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 0,8%. Im Dezember hatte die Prognose noch 1,1% betragen. Im kommenden Jahr dürfte sich das Wachstum auf 1,3% (bisher 1,4%) beschleunigen. Für 2022 wird eine Rate von unverändert 1,4% erwartet. Die Inflationsprognosen wurden nicht verändert. Demnach rechnet die EZB in diesem Jahr mit einer Teuerung von 1,1%. Im kommenden Jahr wird eine Rate von 1,4% und im Jahr 2022 von 1,6% erwartet.

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