Dunkle Wolken über boomender Kreuzfahrtindustrie

Norwegen hat bereits damit begonnen, den Redereien Restriktionen aufzuerlegen. (Bild: shutterstock.com, MikhailBerkut)
Norwegen hat bereits damit begonnen, den Redereien Restriktionen aufzuerlegen. (Bild: shutterstock.com, MikhailBerkut)

Mehr als 500 Kreuzfahrtschiffe schippern weltweit über die Meere. Wegen der Verwendung von Schweröl droht ein Imageschaden. Um das abzuwenden, hat die Kreuzfahrtbranche begonnen, umweltschonendere Betriebsstoffe einzusetzen. Doch das Gros der Branche setzt gemäss eines Berichts von Swisscanto Invest weiterhin auf Schweröl und verzichtet auf den Einsatz von Abgastechnik.

24.09.2019, 05:00 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: lek

Die Kreuzfahrtindustrie stellt eigentlich mit ihren geschätzten 30 Millionen Passagieren im Jahr 2019 nur einen Bruchteil des globalen Tourismusmarktes dar. Philipp Mettler, Senior Analyst im globalen Aktienresearch des Asset-Management der Zürcher Kantonalbank, macht den Vergleich: Mehr als 40 Millionen Personen haben im vergangenen Jahr Las Vegas besucht. Global dominieren vier Konzerne die Kreuzfahrtindustrie: Carnival, u.a. mit den Marken Costa und AIDA (42% Marktanteil), Royal Caribbean Cruises, u.a. mit den Marken Celebrity und TUI (22%), Norwegian Cruise Line (8%) sowie MSC (7%).

Da die Industrie ausgesprochen kapitalintensiv ist - ein Kreuzfahrtschiff mit über 5'000 Betten kostet etwa so viel wie 1'000 Einfamilienhäuser -, wächst die Nachfrage mit dem Angebot, da die Schiffe grundsätzlich immer voll besetzt sind. Bei nachlassender Nachfrage werden die Preise herabgesetzt, bis wieder Vollauslastung erreicht ist, was bei den hohen Fixkosten markante Auswirkungen auf die Profitabilität der Redereien hat.

Scrubber, Flüssiggas, Elektroantrieb

Unter dem Druck einer zunehmend sensibleren Öffentlichkeit haben Kreuzfahrtunternehmen gemäss Mettler begonnen, Russpartikelfilter (sog. "Scrubbers") und Katalysatoren einzubauen, welche jedoch bezüglich Gesamtwirksamkeit umstritten sind. Die bestehenden Flotten werden nach und nach mit solchen Scrubbern umgerüstet werden. Zudem dürfen die Schiffe in immer mehr Regionen nur noch mit dem weniger schmutzigen, aber deutlich teureren Schiffsdiesel fahren. Die nächste Generation von Schiffen dürfte dann schwefelfrei mit Flüssiggas oder sogar elektrisch betrieben werden, meint Mettler. Derzeit gibt es allerdings erst ein einziges Schiff, die AIDAnova von Carnival, das vollständig mit Flüssiggas fährt. Es wird noch viele Jahre dauern, bis die Flotten vollständig ersetzt sind - die Lebensdauer eines Schiffes beträgt etwa 30 Jahre. Politischen Druck bleibt bisher die Ausnahme: Norwegen etwa, ein beliebtes Kreuzfahrtziel, verbannt ab 2026 alle Kreuzfahrtschiffe, die nicht mit Hybridantrieb oder Gas fahren und hat bereits jetzt in einigen Häfen strengere ökologische Auflagen beschlossen.

Viel höhere Belastung als bei Autos

Basierend auf den publizierten Zahlen der beiden grössten Kreuzfahrtunternehmen belaufen sich die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Passagierkilometer auf mehr als das Doppelte von benzinbetriebenen Autos. Naturschützer kommen zu noch höheren Zahlen. Bei Schwefeldioxiden, Stickstoffoxiden sowie Feinstaubpartikeln liegen die Werte bei einem Zigfachen der Strassenfahrzeuge. Es erstaunt Mettler daher nicht, dass sich gewisse Städte - wie beispielsweise Venedig - gegen den Kreuzfahrttourismus wehren. Untersuchungen zeigen zudem, dass nicht nur die Destinationen der riesigen Schiffe betroffen sind, sondern auch die Passagiere unter der schadstoffbelasteten Luft leiden.

Traumschiff-Feeling soll erhalten bleiben

"Wir gehen davon aus, dass die Umweltvorschriften für die Kreuzfahrtindustrie in den kommenden Jahren verschärft werden. Die Redereien werden deutlich mehr in Emissionsreduktionsmassnahmen investieren müssen. Dies wird die Gewinne via höherer Abschreibungen etwas belasten. Die Unternehmen werden diese Investitionen aber auf jeden Fall tätigen, um einen Imageschaden zu vermeiden. So können das "Traumschiff-Feeling" und die damit verbundenen Wachstumsraten aufrechterhalten werden," sagt Mettler. Konsumentenentscheide für umweltfreundliches Reisen sind dagegen kaum zu erwarten. Eine neue Reise-Analyse (2019) der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen zeigt, dass Nachhaltigkeit beim individuellen Buchungsverhalten nur eine untergeordnete Rolle spielt.

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