24.11.2021, 13:35 Uhr
Am diesjährigen Qualitätstest des Handelsblatt Elite Reports hat die LGT Bank wiederum die Höchstpunktzahl erreicht und das Prädikat "summa cum laude" erhalten. Sie führt damit die Wertung in Liechtenstein an und...
Japans Volkswirtschaft ist derzeit die weltweit einzige, die deutlich über ihrem Potenzial wächst. Eine ausserordentlich starke Börsenhausse und der schwache Yen haben den Binnenkonsum und die Exporte belebt. Die für eine langfristige und nachhaltige Erholung der Wirtschaft und der Staatsfinanzen kritischen Anlageinvestitionen und Verbraucherpreise sanken jedoch weiter. Das unterstreicht nur die Bedeutung der in Aussicht gestellten strukturellen Reformen.
Gutes Semesterzeugnis für Premierminister Abe
Die Regierung von Shinzo Abe ist nicht einmal ein halbes Jahr im Amt. Es ist auch kaum ein Quartal her, seitdem die Bank of Japan eine neue Führung hat. Der Staatshaushalt für das laufende Bilanzjahr hat erst vor wenigen Tagen endgültig das Parlament passiert. Es umfasst ein umfangreiches Konjunkturprogramm für den Wiederaufbau des seit März 2011 über weite Strecken verwüsteten Nordostens und für die Modernisierung der alternden Infrastruktur des Landes. Noch ist jedoch kein einziger Yen ausgegeben worden. Vor diesem Hintergrund fällt das Zeugnis für das erste Semester der Abe-Regierung sehr gut aus.
Deutlich höheres Wirtschaftswachstum im ersten Quartal
Neben der extrem positiven Reaktion an den Börsen und der Aufhellung vieler Stimmungsbarometer in Japan gibt es inzwischen auch erste realwirtschaftliche Fortschritte. Das japanische Bruttoinlandprodukt ist im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vorquartal annualisiert um 3.5% gewachsen das mit Abstand höchste Wirtschaftswachstum unter den G7-Ländern. Fast wichtiger ist jedoch, dass damit das japanische Potenzialwachstum um mehr als das Dreifache übertroffen wurde. Sofern dieses Tempo beibehalten werden kann, wird es sehr positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Löhne haben sowie auf das Preisniveau und die Unternehmensgewinne. Nur um die Dimension zu illustrieren: In den USA entspräche dies einer Wachstumsrate von fast 10%.
Haushalte konsumieren wieder kräftiger und die Exporte ziehen an
Positiv fiel zudem auf, dass der private Haushaltskonsum in Japan um 3.7% zulegte, im Vergleich zu einem Durchschnittswert von 1.1% seit 1994. Der private Haushaltskonsum repräsentiert rund 74% der Gesamtwirtschaftsleistung und ist damit wichtiger als die viel zitierten Exporte, welche zwar um 16.1% wuchsen, doch letztlich "nur" rund 15% des BIP ausmachen (wenn man die Importe berücksichtigt, betragen die Nettoexporte sogar nur 1.7% des BIP). Bei den kritischen privaten Kapitalgüterinvestitionen (ebenfalls ca. 15% des BIP) und der Überwindung der Deflation wurden allerdings noch keine Fortschritte erzielt. Der private Häuserbau (2.7% des BIP) erholt sich zwar weiter langsam von extrem tiefen Niveaus, doch die anderen Anlageinvestitionen (12.5% des BIP) sinken weiter. Zugleich erinnerten die Daten noch einmal daran, dass bisher nur die erwarteten Inflationsraten gestiegen sind, während die tatsächlichen Inflationsraten immer noch negativ sind. Die für das BIP verwendete volkswirtschaftliche Inflationsrate ("BIP-Deflator") verwies auf einen verschärften Rückgang der Preise um 1.2%, nach einem Rückgang von 0.8% im Vorquartal.
Strukturelle Reformen nach den Oberhauswahlen im Sommer
Für eine langfristig nachhaltige Erholung bedarf es sicherlich stetig wachsender Anlageinvestitionen, welche wiederum ohne die Implementierung struktureller Reformen zur Erhöhung des Potentialwachstums höchstwahrscheinlich ausbleiben dürften. Premierminister Abe hat allerdings bereits verschiedene Reformenvorhaben in diesem Zusammenhang angekündigt. Dazu zählt insbesondere die lange aufgeschobene Beteiligung Japans an den Beitrittsgesprächen zur "Transpazifischen Partnerschaft" TPP (einer anvisierten Freihandelszone, die fast alle Anrainerstaaten des Pazifik umfasst). Ein Beitritt würde zu vermehrtem Wettbewerb im Binnenmarkt führen und zusätzliche Märkte für Japan erschliessen könne. Die Deregulierung des Energiesektors, die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen für bestimmte innovative Industrien und diverse "weiche" Reformen wie die Internationalisierung der Universitäten oder die verbesserte Integration von Frauen im Arbeitsmarkt werden ebenfalls diskutiert. Diverse Arbeitsgruppen, bestehend aus Vertretern der Regierung, Wissenschaft und Geschäftswelt erarbeiten derzeit jedenfalls Vorschläge für langfristig wachstumsfreundliche Massnahmen. Das tatsächliche Ausmass und die Qualität der Reformen dürften sich wohl erst nach den im Juli anstehenden Oberhauswahlen zeigen. Immerhin scheint aber zumindest der Markt davon auszugehen, dass es diesmal nicht nur bei den gut klingenden Absichtserklärungen bleibt.