Konsequenzen der Krise in der Ukraine

Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management
Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management

Die Ereignisse in der Ukraine werden den weiterhin robusten Konjunkturaufschwung in den Industrieländern nicht aus der Bahn werfen. Russland und die Ukraine müssten im Eskalationsfall allerdings mit zusätzlichen Schäden rechnen, während die existierenden Trends zu Ungunsten von Schwellenländern weiter anhalten dürften.

05.03.2014, 10:20 Uhr

Redaktion: dab

"Die Zuspitzung der Ereignisse in der Ukraine und Russland am Wochenende und ihre möglichen wirtschaftlichen und geopolitischen Konsequenzen haben zu Beginn der Woche die internationalen Finanzmärkte belastet. Während sich die Volatilität an den meisten Aktien- und Anleihenmärkten (einschliesslich Länder der Euro-Peripherie) aber letztlich insgesamt in gewöhnlichen Grenzen hielt und die traditionellen, frei konvertierbaren Währungen tendenziell zur Stärke neigten (einschliesslich japanischer Yen), traf es den russischen Rubel besonders hart.

Kein "sicherer Hafen" unter den "aufstrebenden Währungen"
Inmitten westlicher Sanktionsdrohungen sank der Rubel gegenüber dem US-Dollar, Euro und anderen Währungen auf ein neues Rekordtief – obwohl die russische Notenbank bereits am Montag mit einer deutlichen Zinserhöhung reagierte, um den Kapitalfluss möglichst einzudämmen. Wie auch andere Schwellenländer-Währungen wertet der Rubel allerdings schon seit geraumer Zeit in Schüben stetig ab. Dazu kommt, dass auch der chinesische Yuan seit einigen Wochen zur Schwäche neigt, wenn vermutlich auch aus anderen (von Peking erwünschten) ordnungspolitischen Gründen. Dennoch ist damit auch der einzige de facto "sichere Hafen" unter den "aufstrebenden" Währungen nicht mehr über alle Zweifel erhaben. Anhand der bisherigen Entwicklungen zeichnen sich aus unserer Sicht jedenfalls folgende erste Schlussfolgerungen ab:

Sanktionen und Gegenreaktionen stellen neue Risiken dar
Die angedrohten Sanktionen gegenüber Russland im Falle einer weiteren Eskalation der Situation in der Ukraine stellen ein realwirtschaftliches Risiko dar – welches sich allerdings weitgehend auf Russland und gegebenenfalls die Ukraine und andere Länder des ehemaligen sowjetischen Raums beschränkt. Einerseits würden die Sanktionen Russland in einer ungünstigen Phase treffen, in der sich seine Wirtschaft ohnehin zyklisch im Abschwung befindet. Andererseits würden die wirtschaftspolitischen Reaktionen Moskaus ebenfalls konjunkturell kontraproduktiv wirken – die jüngste Zinserhöhung stellt ein erstes Beispiel dafür dar.

Ungünstige Markt- und Konjunkturphase für Schwellenländer
Zugleich sind viele andere Schwellenländer derzeit mit eigenen wirtschaftlichen Gegenwinden und geldpolitischen Straffungszyklen konfrontiert – darunter auch China, der potenziell wichtigste "alternative" Partner Russlands, sowohl wirtschaftlich, als auch politisch. Selbst wenn sich viele Länder also aus verschiedenen Gründen nicht (oder nur beschränkt) an den angedrohten Sanktionen beteiligen sollten, was denkbar ist, müssen wir mit zusätzlichen Schäden für Russland und möglicherweise anhaltenden Abflüssen aus "EM"-Finanzanlagen rechnen.

Industrieländer bleiben aber weiter auf Wachstumspfad
Im auffälligen Gegensatz dazu hält in den meisten Industrieländern indessen ein relativ robuster Aufschwung weiter an, wie der seit Freitag publizierte Datenreigen der Konjunkturindikatoren erneut unterstreicht. Die Einkaufsmanagerumfragen für China, Russland und Südkorea ergaben weiterhin allesamt Werte unter 50, während sie in den USA, Japan, Deutschland, Grossbritannien, Italien, Spanien und den Niederlanden erneut deutlich über dieser Wachstumsschwelle notierten – was auch für viele industrielle Zulieferer dieser Volkswirtschaften gilt (Tschechien, Polen und Ungarn im Falle Europas, Taiwan und Mexiko im Falle Japans und der USA). In diesem Umfeld bleiben wir bei unserem Aktienübergewicht in den drei traditionellen entwickelten Märkten, erhöhen aber im Lichte der jüngsten Ereignisse weiter unser Untergewicht bei Hart- und Lokalwährungsanleihen von Schwellenländern, welche in den letzten Wochen Kursgewinne verbucht hatten. Den Erlös halten wir vorerst in Cash.

Schwellenländer-Anleihen: Anhaltender Abwärtstrend im relativen Bild
Die erste Grafik illustriert den seit spätestens Anfang 2013 anhaltenden Trend zu Ungunsten von Anleihen aus Schwellenländern. Zur Illustration zeigen wir die Entwicklung der EM-Indizes in US-Dollar sowie in Lokalwährung gegenüber dem Bloomberg/EFFAS Index für die Staatleihen aller Länder der Europäischen Währungsunion. Aufgrund der besonders starken Entwicklung der Euro-Peripherie in den vergangenen zwei Jahren ist die Schwäche der Schwellenländer hier deutlicher sichtbar als gegenüber den deutschen, amerikanischen, britischen und selbst japanischen Staatsanleihen. Am Grundbild ändert sich jedoch dadurch nichts: Auch gegenüber diesen Staatsanleihen nimmt relative Stärke der Schwellenländer nimmt seit geraumer moderat, aber stetig ab.

Praktisch alle historischen Industrieländer befinden sich weiter auf dem Wachstumspfad
Seit vergangenen Freitag wurden zahlreiche Einkaufsmanagerumfragen für die verarbeitende Industrie veröffentlicht. In der nächsten Grafik fassen wir die Ergebnisse im globalen Überblick zusammen. Wir zeigen dabei den Differenzwerte zwischen dem jeweiligen Länderergebnisses und der "Wachstumsschwelle" bei 50 Punkten. Je höher der Wert, desto besser die potenziellen konjunkturellen Aussichten in den kommenden Monaten – und umgekehrt. Mit Ausnahme Frankreichs befinden sich jedenfalls alle traditionellen Industrieländer weiterhin auf einem robusten Wachstumspfad. Schwellenländer wie Südkorea, China und Russland firmieren derzeit hingegen weiterhin als Schlusslichter. Die Ausnahmen unter den "Emerging Markets" sind die mitteleuropäischen Staaten, Mexiko, und Taiwan – Volkswirtschaften, die aus verschiedenen strukturellen Gründen wahrscheinlich besonders gut positioniert sind, um am gegenwärtigen Aufschwung in Nordamerika, Westeuropa bzw. Japan zu partizipieren."

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