24.11.2021, 13:35 Uhr
Am diesjährigen Qualitätstest des Handelsblatt Elite Reports hat die LGT Bank wiederum die Höchstpunktzahl erreicht und das Prädikat "summa cum laude" erhalten. Sie führt damit die Wertung in Liechtenstein an und...
Der grosse potenzielle Verlierer des Ukraine-Konflikts heisst Europa. Subtile, mittelfristige Marktsignale warnen uns aber gleichzeitig vor zu negativen Urteilen: Der vergleichsweise starke jüngste Ausverkauf an den Börsen Europas könnte nur die Schlussphase eines intakten Wendeprozesses zugunsten des Euroraums dargestellt haben.
Während der Marktkorrektur vom Juni/Juli wurden die Finanzmärkte wieder einmal von diversen besorgniserregenden Visionen heimgesucht. Die plausibelste kann wie folgt zusammengefasst werden: Das Risiko, dass Europa wieder in eine Rezession hineinschlittert, ist nach den jüngsten politischen Entwicklungen gestiegen. Die anderen Regionen stehen hingegen inzwischen vergleichsweise gut da. Insbesondere rohstoffarme Länder mit geldpolitisch besonders "locker" gesinnten Notenbanken könnten von der insgesamt deflationären Entwicklung sogar gewissermassen profitieren.
Europa als grosser Verlierer der Ukraine-Krise
Für Europa kommt die Ukraine-Krise aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Während Osteuropa in einem geostrategischen Dilemma steckt, steht in Südeuropa die zaghaft aufkeimende Konjunkturerholung auf dem Spiel. Doch auch im hochindustrialisierten Norden, wo einige Länder aufgrund geplatzter Immobilienblasen und anderer Probleme seit einigen Jahren ebenfalls mit deflationären Gegenwinden kämpfen (z.B. Dänemark, Niederlande, Schweden), hat sich der Ausblick zuletzt eingetrübt. Ein Ausfall des russischen Marktes könnte auch Deutschland und andere vergleichsweise starke Volkswirtschaften belasten. Die Erschliessung alternativer Exportmärkte benötigt Zeit und könnte mancherorts zum gewinnschmälernden und deflationären Verdrängungswettbewerb ausarten. Die eine oder andere Investition in Russland müsste auf Sicht wohl doch abgeschrieben werden, was sich in mancher Bankbilanz niederschlagen würde was so kurz nach der "Eurokrise" ebenfalls unvorteilhaft wäre. Die jüngste Bankrettung in Portugal zeigt, dass EU-Bankprobleme die Welt immer noch in Atem halten können.
Schwellenländer als potenzielle Gewinner?
Im Vergleich dazu scheint der Rest der Welt derzeit recht gut dazustehen. Die USA haben sich in den letzten Jahren stärker auf Asien ausgerichtet und sind weniger exportabhängig. Für Nordamerika sind die Risiken also eher überschaubar. Indirekt profitieren könnten aber auch viele Schwellenländer sowie die zweit- und drittgrössten Ökonomien der Welt, China und Japan. Russland würde im Falle einer Eskalation des Sanktionskreislaufs Alternativen zum EU-Energiemarkt suchen und finden. Moskaus Preisverhandlungsposition wäre aber unter Umständen geschwächt und es hätte vermutlich ein Interesse, diesen neuen Abnehmern aus politischen Gründen "Freundschaftspreise" anzubieten, was auf globaler Ebene ebenfalls tendenziell deflationär wirken würde. Indizien in diese Richtung gibt es. Ein vor wenigen Monaten zwischen Moskau und Peking vereinbartes Energieabkommen soll günstige Konditionen für China beinhaltet haben. Und Japan wurde von den jüngsten russischen Gegensanktionen teilweise ausgenommen, obwohl es die westlichen Sanktionen grundsätzlich mitträgt.
Der Blick in die Glaskugel der Finanzmärkte
Die Experten stehen der Möglichkeit einer raschen Entspannung der Ukraine-Krise derzeit skeptisch gegenüber. Die Finanzmärkte nehmen aber weltweit sinkende Energiepreise und damit wachsende Spielräume für "inflationsfreundliche" Notenbanken vorweg - eine Entwicklung, von der auf den (kreditfinanzierten) Binnenkonsum ausgerichtete Volkswirtschaften wie die USA sowie auch rohstoffarme Länder (mit steigendem bzw. hohem internem Verschuldungsgrad) wie China und Japan profitieren würden.
Noch handelt es sich bei diesen Annahmen natürlich grösstenteils um Spekulation. Dass Europa neben Russland zu den grössten potentiellen Verlierern zählen, scheint plausibel - wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Gleichzeitig warnen uns die Märkte im mittelfristigen relativen Bild aber recht eindrücklich, dass sich so mancher Dritter nicht zu früh "freuen" sollte. Die ganze Affäre könnte sich nämlich ebenso gut als eine weitere Marktlaune herausstellen - die Wiederkehr des seit 2012 bestehenden Trends zugunsten des Euroraums dürfte in diesem Fall nicht sehr lange auf sich warten lassen.
Trendwendeprozess zugunsten des Euroraums
Wir zeigen im Folgenden zwei Charts (siehe PDF, Seite 2) zur relativen Stärke der europäischen Aktienmärkte. Wir nehmen die MSCI-Indizes "EWU" (Europäische Währungsunion) und "Europa ohne EWU" relativ zum Weltindex für alle Länder ("MSCI World All Countries") und fokussieren auf den mittelfristigen Trend, in diesem Fall den 40-wöchigen gleitenden Durchschnittswert. Wir sehen, dass die jüngste "Korrektur", welche am 20. Juni begann, die relativen Tageskurse schnell und stark abwärts drückte. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass sich die Situation nachhaltig zu Ungunsten des Euroraums gekippt ist. Im Gegenteil: Im mittelfristigen Trendbild wurde der Tiefpunkt im Frühling 2012 erreicht - also kurz nach der Umschuldung Griechenlands. Seitdem schlängelt sich der Trend seit Mai 2012 langsam aber stetig wieder nach oben. Der Verlauf des aktuellen Aufwärtstrends war bisher volatiler als während des Aktienbooms von 2003 bis 2007. Sollten die westlichen Alliierten, Russland und Ukraine beispielsweise bis zum Winter doch noch einen politischen Entspannungsausweg finden (was zwar nicht allgemein erwartet wird, aber auch nicht undenkbar ist), dann könnte sich dieser Trend jedenfalls nochmals deutlich manifestieren. Aktionen der Europäischen Zentralbank könnten ebenfalls als "Auslöser" dafür dienen.
Das restliche Europa verliert hingegen weiter an relativer Stärke
Interessant ist die oben beschriebene, seit etwas mehr als zwei Jahren bestehende relative Erholung des Euroraums (siehe PDF, Seite 2) auch deswegen, weil sie nicht mit einer allgemeinen Stärke Europas einhergeht. Wenn wir die Märkte der nicht zum Euroraum gehörenden Länder relativ zum gleichen Weltindex darstellen, so sehen wir, dass bereits im August 2010 ein "Top" erreicht wurde - ein Ausbruch auf höhere Niveaus gelang in einem bald darauf anschliessendem Erholungsversuch nicht. Seit dem Frühjahr 2013 geht es schliesslich trendmässig bergab. Auch dies spricht dafür, dass die Märkte unter dem Strich weiterhin mehr Potenzial im Euroraum sehen.