Anatomie des Bullenmarkts: jetzt die Konsolidierung?

Speziell: Die Hausse in Wallstreet wird von wenigen Titeln getragen. (Bild: Shutterstock.com/Lewis Tse)
Speziell: Die Hausse in Wallstreet wird von wenigen Titeln getragen. (Bild: Shutterstock.com/Lewis Tse)

Der Verlauf des US-Markts seit Oktober ist bemerkenswert – auch, weil sich die Rallye trotz festgefahrener Zinsen fortgesetzt hat. Kommt jetzt eine Konsolidierung? Nadège Dufossé, Global Head of Multi-Asset von Candriam, hält eine Verschnaufpause für wahrscheinlich.

15.03.2024, 15:05 Uhr
Anlagestrategie

Redaktion: hf

Die Erholung des US-Aktienmarkts seit Oktober ist im Vergleich zu historischen Beobachtungen aussergewöhnlich: 1989 war das einzige Jahr in den letzten 50 Jahren, in dem der S&P 500-Index in 15 der letzten 17 Wochen des Jahres stiegt. Die aktuelle Dynamik kann sich zwar fortsetzen, aber nach dieser aussergewöhnlichen Anzahl aufeinanderfolgender Anstiege ist eine kurzfristige Konsolidierung wahrscheinlich.

Die Rallye ist umso beispielloser, als sie unabhängig von der Entwicklung der Zinssätze stattfand. Sie begann Ende Oktober 2023 mit der Vorwegnahme einer Zinswende im Jahr 2024 und unabhängig von der Anzahl der erwarteten Zinssenkungen (im Dezember 2023 wurden für die Fed sieben Zinssenkungen für 2024 erwartet, heute sind es drei).

Der Sonderfall währt fort

Die Saison der Gewinnveröffentlichungen hat den Anstieg der Aktienmärkte weiter unterstützt. Das gilt besonders für die USA, wo sich das Wachstum nach wie vor sehr stark auf die «Magnificient 7» oder «6» konzentriert, letztere ohne Tesla. Der US-Elektroautokonzern steckt seit Anfang Jahr in Schwierigkeiten.

Das vierte Quartal 2023 war von starken Unternehmenszahlen geprägt, die leicht über den Erwartungen lagen und einen Anstieg des ausgewiesenen Gewinns pro Aktie (EPS) um sieben Prozent im Jahresvergleich markierten. «The Magnificent 6» verzeichneten ein durchschnittliches Gewinnwachstum von 68 Prozent, während die anderen Unternehmen ein Minus von vier Prozent verzeichneten.

Ebenso wurden die Gewinne der grossen US-Unternehmen für 2024 nach oben korrigiert, während für die übrigen eine Abwärtskorrektur stattfand. Das Capex-Wachstum, das sich im vierten Quartal verlangsamte, wird 2024 voraussichtlich wieder anziehen, angetrieben von inländischen und KI-bezogenen Investitionen. Trotz der mehrheitlich schwächeren Prognosen fürs erste Quartal hat sich die Stimmung der Unternehmen verbessert, was auf einen positiven Gewinnzyklus hindeutet.

Umgekehrt gingen in Europa die Gewinne im vierten Quartal zurück, wobei die Sektoren Rohstoffe und Industrie insgesamt am schwächsten abschnitten.

USA bleiben Wachstumsleader

Für 2024 wird in Europa ein Gewinnwachstum von drei bis vier Prozent und für die USA von fast zehn Prozent erwartet, übertroffen noch von den Prognosen für die Schwellenländern von plus 16 Prozent.

Die Prognosen an die Schwellenländer mögen übertrieben sein. Ein so kräftiges Gewinnwachstums setzt vor allem eine Erholung in China voraus, das in den letzten Jahren immer wieder enttäuscht hat. In Europa sind die Erwartungen angesichts der anhaltend geschwächten Konjunktur realistischer.

In den USA ist die Wirtschaft nach wie vor äusserst widerstandsfähig, und die transatlantische Gewinnwachstumslücke könnte erneut dem Unterschied in der Wirtschaftsleistung folgen.

Die gute Wirtschaftsaktivität und die positiven Unternehmensgewinne haben eine zunehmend optimistische Stimmung unter den Anlegenden geschürt. Die jüngste Umfrage von BofA Merrill Lynch zeugt von grossem Optimismus. Nur vier Prozent der 240 Befragten glauben, dass es 2024 in den USA zu einer Rezession kommen wird.

Diese Sicht ist bedeutend anders als im Vorjahr, als 85 Prozent der gleichen Befragten besorgt waren. Interessanterweise befürchten nur sieben Prozent, dass die steigenden Preise die Investitionen beeinträchtigen könnten.

Aktien weitervor Anleihen und Cash

Die Mehrheit der Anleger rechnet mit einer Fortsetzung des Bullenmarkts und zieht Aktien gegenüber Anleihen und Bargeld vor. US-Titel werden am stärksten favorisiert, gefolgt von Japan, während Europa zum ersten Mal seit 2019 als 'bearish' eingestuft wird.

Allerdings bleiben Barmittelanlagen wie im letzten Jahr hoch. Für zehn Prozent bedeuten sie einen sicheren Hafen. An den sind die Engagements auf eine geringe Anzahl von Unternehmen konzentriert: die «Magnificent 7» in den USA und die «Granolas» – Definition und Auswahl stammen von Goldman Sachs und umfassen die Titel GSK, Roche, ASML, Nestlé, Novartis, Novo Nordisk, L’Oréal, LVMH, AstraZeneca, SAP und Sanofi (Anm. der Redaktion) – in Europa.

Small und Mid Caps weisen seit Jahresbeginn eine negative Performance auf. Obwohl die Bedenken hinsichtlich der Konzentration der Positionen bestehen bleiben, ist eine bullische Stimmung und Positionierung weiterhin möglich, besondere vor dem Hintergrund potenzieller Rotationen in risikoreiche Anlagen und nachlaufende Aktien.

Eine breitere Teilhabe anderer Sektoren und Regionen hängt von der wirtschaftlichen Dynamik und den Unternehmensgewinnen vor dem Hintergrund einer unter Kontrolle gehaltenen Inflation ab. Darin liegt eine der Anfälligkeiten des Marktes. Die Inflation ist für die Anleger keine Sorge mehr und das Prinzip eines «Dovish Pivot» wurde verworfen.

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