In Europa hatten nach oben schiessende Strompreise verheerende Auswirkungen auf die Energiesysteme des Kontinents. (Bild: ZVG)
Die weltweite Energiekrise erschüttert die Energiemärkte und sorgt dafür, dass es entlang der Energie-Wertschöpfungskette Gewinner und Verlierer gibt. Laut Robeco begünstigen höhere Energiepreise die nachhaltigen thematischen Strategien, welche auf die Dekarbonisierung der Sektoren Energie und Industrieproduktion abzielen.
12.01.2022, 17:21 Uhr
Redaktion: rem
Die weltweite Energiekrise erschüttert die Energiemärkte und wirkt sich auf Haushalte, Unternehmen und Investoren aus. Bislang waren die Strompreise in Europa am stärksten betroffen. Das Problem sei aber nicht ausschliesslich ein europäisches und der Preisanstieg könnte sich ohne weiteres auf andere Regionen übertragen, so Robeco.
Einige der Ursachen der Krise, insbesondere die stark wachsende Nachfrage infolge der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften, seien zyklischer Natur und würden sich letztlich legen. Insgesamt jedoch werde die Volatilität der Preise fortbestehen. "Zusammen mit verschärfter Regulierung und Netto-Null-Initiativen eröffnet dies hervorragende Aussichten für Investitionen entlang der Wertschöpfungskette bei sauberer Energie", sagen die Robeco-Experten.
Im letzten Quartal des Jahres 2021 trafen externe Faktoren zusammen, die im gesamten Energiesektor eine Welle der Volatilität ausgelöst haben. In Europa hatten nach oben schiessende Strompreise verheerende Auswirkungen auf die Energiesysteme des Kontinents. Gleichzeitig haben höhere Preise bei Gas, Öl und Kohle die Krise zusätzlich angeheizt. Noch beunruhigender ist laut Robeco, dass die Prognosen auf anhaltend hohe Strompreise in den kommenden Jahren hindeuten.
Vor allem ein Angebotsproblem – es sind aber auch andere Kräfte im Spiel
Verantwortlich seien mehrere Faktoren. Zwar war die Nachfrage stärker als erwartet, dennoch liege das Problem hauptsächlich auf der Angebotsseite. Die Gasreserven seien so niedrig wie nie zuvor, nachdem die Produktion von Windstrom aufgrund schwachen Windes gesunken ist und geringere Regenfälle die Produktionskapazität wichtiger Wasserkraftwerke reduziert hat. Ausserdem sei aufgrund des internationalen Wettbewerbs und geopolitischer Spannungen ein Auffüllen der Reserven über Importe aus den USA und Russland, Europas traditionellen Handelspartnern in Bezug auf Erdgas, ausgeblieben, stellen die Experten fest.
Wie sie weiter ausführen, hat das im Jahr 2020 gestartete Emissionshandelssystem in der EU wie beabsichtigt dazu geführt, dass die CO₂-Preise gestiegen sind. Infolgedessen haben sich die Kosten für CO₂-intensive Energieproduktion aus Kohle und Gas erhöht. Die Notierung von CO₂-Emissionszertifikaten hat bereits ein Rekordhoch erreicht (90 EUR am 8. Dezember 2021). Aufgrund der sinkenden Zahl an CO₂-Zertifikaten, Zusagen im Rahmen der COP26 und günstiger Energiepreisentwicklung kann sie nur weiter steigen. Auch wenn ein knappes Angebot die Hauptursache der Entwicklung war, entfielen rund 10-20% des jüngsten Anstiegs der Strompreise auf die CO₂-Bepreisung.
CO₂ und Strom: Emissions-Bepreisung erhöht Elektrizitätskosten
Quellen: Robeco, Bloomberg
Unterschiedliche Auswirkungen auf Unternehmen
Um die negativen Auswirkungen höherer Energiepreise zu kompensieren, können Unternehmen Preisabsicherungen vornehmen, langfristige Lieferverträge abschliessen oder kommerzielle Abkommen eingehen, bei denen die Preise an bestimmte Rohstoffpreise geknüpft werden. Die Hauptstrategie zur Wahrung der Profitabilität besteht laut Robeco allerdings darin, die höheren Energiekosten an die Konsumenten weiterzugeben. Dies geschehe normalerweise mit einer zeitlichen Verzögerung je nach operativem Rahmen und Wettbewerbsumfeld.
Unternehmen mit grösserer Preissetzungsmacht seien imstande, ihre Absatzpreise zu erhöhen, um gestiegene Energiekosten weiterzureichen. Umgekehrt bedeute eine geringere Preissetzungsmacht in Branchen mit starkem Wettbewerb nicht nur, dass gestiegene Energiekosten nicht über höhere Absatzpreise weitergegeben werden können, sondern auch grössere negative relative Auswirkungen der Energiepreise auf die Gewinnmargen.
Positive Implikationen für den Bereich Smart Energy
Anbieter von Ausrüstung und Hersteller von Komponenten in den Bereichen Wind- und Solarkraft sind laut Robeco ein Musterbeispiel für Marktsegmente mit starkem Wettbewerb. Die Verknappung von Rohstoffen und höhere Nachfrage nach Stahl, Aluminium und Polysilizium hätten die Preise bei Rohmaterialien steigen lassen, die für Anlagen im Bereich erneuerbare Energien benötigt werden. Nach oben schiessende Frachtkosten und Lieferverzögerungen hätten das Problem verschärft, da hierdurch die Lagerbestände der Produzenten gesunken und die Margen der Lieferanten unter Druck gekommen sind.
"Während die öffentliche Hand noch die Auswirkungen auf die anfälligeren Teile der Gesellschaft abmildern muss, werden die Auswirkungen höherer Strompreise unseres Erachtens vom Energiesystem absorbiert werden. Dies sollte als Weckruf für Unternehmen wirken, schwankende Energiepreise zu vermeiden und den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen zu beschleunigen", sagen die Robeco-Experten. Rund ein Drittel der Unternehmen im MSCI World Index publizieren Daten zum Verbrauch erneuerbarer Energien. Demnach stammte im Jahr 2020 durchschnittlich 18% des eingesetzten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Mit mehr als 60% Anteil erneuerbarer Energien schnitten Finanzdienstleister am besten ab. Industrieunternehmen lagen deutlich unter dem Durchschnitt; bei ihnen betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix nur 11%.
Robeco geht davon aus, dass weitere Sorgen hinsichtlich Stromabschaltungen oder der Kündigung von Verträgen seitens Versorgern Investitionen im Bereich Energiespeicherung wie zum Beispiel Batterien und "grünem" Wasserstoff Schub verleihen werden. Diese würden auch dazu beitragen, das Problem der schwankenden Produktion von erneuerbaren Energien zu überwinden und sicherzustellen, dass das Energieangebot stets zuverlässig die Nachfrage deckt. Dies schaffe einen noch grösseren Anreiz für Unternehmen, künftige Risiken dadurch zu reduzieren, dass sie in sauberere Energiequellen und energieeffizientere Geräte investieren. "Wir beobachten bereits, dass Unternehmen sich selbst in der Erzeugung erneuerbarer Energien engagieren, anstatt sich lediglich erneuerbare Energie über langfristige Stromabnahmeverträge zu sichern. Während die Produktionskapazität erneuerbarer Energien zunimmt, werden deren Kosten weiter fallen und wettbewerbsfähig mit traditionellen Energiequellen machen, deren Preise weiter steigen", so die Experten.
Höhere Energiepreise begünstigten die nachhaltigen thematischen Strategien von Robeco, welche auf die Dekarbonisierung der Sektoren Energie und Industrieproduktion abzielen. "Die Unternehmen, in die wir investieren, verfügen über spezielle Vorteile, die sich daraus ergeben, dass sie dem Bedarf nach mehr Energieeffizienz Rechnung tragen. Infolgedessen sollten sie von grösserer Nachfrage und höherem Wachstum in der Zukunft profitieren", so die Robeco-Experten.
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