20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
Die Digitalisierung macht's möglich: Nicht nur entstehen neue Finanzangebote, auch die Grenzen zwischen den klassischen Sparten weichen sich auf. Allfinanz, das Banken- und Versicherungsgeschäft aus einer Hand, steht vor einem Revival, meint Urs Rohner, VR-Präsident der Credit Suisse Group.
"Einen Hypothekarvertrag unterzeichnen - natürlich digital -, und gleichzeitig eine Hausrats- oder eine Schadenversicherung abschliessen, nichts einfacher als das", nannte CS-VR-Präsident Urs Rohner ein Beispiel, wie Finanzkunden in Zukunft ihre Finanzgeschäfte erledigen.
Gleiches mit der Konto- oder der Depoteröfffnung - die Möglichkeiten der Digitalisierung für Finanzdienstleistungen gehen weit über das E-Banking hinaus. Die digitale Transformation eröffne ungeahnte Chancen, man stehe in diesem Prozess erst am Anfang, meinte Rohner an der "Finanz und Wirtschaft Forum"-Konferenz Vision Bank - Vision Finanzplatz Schweiz, die sich um Szenarien von morgen drehte.
Der Schweizer Bankensektor ist nicht als Pionier im digitalen Zeitalter bekannt. Er hinkt hinter der Industrie, aber auch der internationalen Konkurrenz wie beispielsweise Skandinavien und Grossbritannien hinterher. Doch er holt auf, die Bankenlizenz, die jüngst weltweit als erste zwei Schweizer Krypto-Banken erhalten haben, sei Beispiel dafür, sagten auch Sabine Keller-Busse, Konzernleitungsmitglied der UBS.
Dabei kann die Schweiz von der Erfahrung anderer lernen. Digitale Modelle seien keine Wunderwaffe, führte Urs Rohner aus, und die grössten Veränderungen fänden hinter den Kulissen, beispielsweise im Backoffice mit verschlankten und automatisierten Prozessen statt. Gleichwohl passiere an der Kundenfront einiges. Rohner liess dabei unter anderem eine Idee aufleben, die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Hochkonjunktur hatte, dann aber abrupt an der Wirklichkeit scheiterte: das Allfinanzkonzept, alle Finanzleistungen aus einer Hand.
Das Modell, das sich vor allem die Grossbanken auf die Fahne schrieben, scheiterte an der mangelnden Bereitschaft der Kunden, sich nur einem Institut anzuvertrauen. Die neue, technikaffine Generation teile diese Skepsis nicht mehr, für sie stehe Einfachheit und Effizienz zuvorderst, einschliesslich des Bedürfnisses nach Sicherheit, wie es auch die ältere Generation verlangt. Digitale Angebote müssten Sicherheit garantieren, das sei keine Frage und personell (Stichwort Compliance) und technisch möglich. Die junge Bevölkerung gehe jedoch anders mit Banken um, das zeige sich am stärksten in Asien, wo grosse digitale Netze wie der Online-Händler Alibaba oder der Versicherer Ping An sich grosser Beliebtheit erfreuten.
Da bringt Rohner Allfinanz ins Spiel, Banken als Versicherer oder Versicherer als Banken. In der digitalen Welt lösten sich die Kulturen von Banken und Versicherungen auf. Das war für Rohner der Hintergrund, weshalb Allfinanz damals nicht funktionierte. Heute seien nicht nur die Kunden flexibler und offen für neues, sondern auch die Unternehmen. Konkurrenz belebt, Stillstand ist Rückschritt.
Interessant, dass Urs Rohner wie auch Sabine Keller-Busse nicht Fintechs als neue Konkurrenz ansehen, sondern die grossen Tech-Konzerne wie Amazon, Google und den schon angesprochenen chinesischen Internetriesen Alibaba (investrends.ch berichtete zum Thema). Diese hätten die finanziellen Mittel, die Technologie und die Daten, um wie die Banken kundengerechte, massgeschneiderte Angebote zu lancieren und zu erweitern. Da gelte es, mit Qualität, Effizienz und Vertrauenskapital dagegenzuhalten.
Rohner sieht für die Finanzindustrie nicht schwarz, im Gegenteil. Banken seien Intermediäre, "und solange es den Kapitalismus gibt, spielen sie eine wichtige Rolle" (Rohner). Insbesondere für die Beratung würden sie weiterhin gesucht. Aber für zukünftigen Erfolg brauche es Agilität, Effizienz und einen offenen Geist. Banken dürften die Zusammenarbeit mit anderen Instituten, ob Fintech oder Versicherungen, nicht scheuen.