Fairness statt Umverteilung in der zweiten Säule

Umverteilung von jung zu alt: Zunehmend wird auch der Sparteil in der zweiten Säule angetastet.
Umverteilung von jung zu alt: Zunehmend wird auch der Sparteil in der zweiten Säule angetastet.

In der ersten Säule des Schweizer Altersvorsorgesystems, der AHV, gilt das Umverteilungsprinzip. Bei der zweiten Säule, dem BVG, ist beim Sparen keine Umverteilung vorgesehen. Trotzdem hat sie sich eingeschlichen und schmälert das Alterskapital der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Die Zurich Invest erklärt die Gründe dafür.

16.04.2021, 14:55 Uhr
Vorsorge

Redaktion: alm

Mit dem Ziel, gemeinsam mit der AHV den Menschen im Alter den gewohnten Lebensstandard angemessen erhalten zu können, wurde die berufliche Säule 1985 im Gesetz verankert. Die zweite Säule besteht aus einem Spar- und ein Risikoteil. Bei letzterem gilt das Solidaritätsprinzip, denn alle zahlen gemeinsam ein. Dieser Solidaritätsgedanke macht laut der Zürich Invest bei dauerhaften Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen Sinn, entsprechend sei auch die Umverteilung gewollt. Beim Sparteil hingegen gilt das Kapitaldeckungsverfahren: Alle sparen für sich, um sich einen guten Lebensstandard nach der Pensionierung zu sichern. Vom Gesetzgeber her ist hier keine Umverteilung vorgesehen: "Alle backen ihren eigenen Kuchen und dürfen diesen dann auch alleine geniessen", so die Zürich Anlagestiftung.

In den vergangenen 35 Jahren haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert und deshalb findet – ganz schleichend – eine immer stärkere Umverteilung auch innerhalb des Sparteils statt. "Die Erträge meines Kapitals, die eigentlich mir gehören, werden zum Teil an andere weiterverteilt. Und mein Kuchen fürs Alter wächst nicht wie ursprünglich vorgesehen an, sondern bleibt kleiner, als er sein sollte", erklären die Experten der Zurich Invest.

Altersvorsorgesystem basiert auf veralteten Annahmen

Grund dafür ist einerseits, dass die Menschen in der Schweiz immer älter werden. Gleichzeitig gibt es aber deutlich weniger Kinder. In der Folge verändert sich das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern, wie beim Bundesamt für Statistik zu erfahren ist: Kamen im Jahr 1991 noch 28 Rentner auf 100 Erwerbstätige, waren es 2019 bereits 35 Rentner. Im Jahr 2040 könnten es, so die Prognose des Bundesamtes, bereits 50 Rentner auf 100 Erwerbstätige sein.

1960 hatte ein 65-jähriger Mann noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 13 Jahren, heute sind es bereits 20 Jahre. Das angesparte Geld muss also für eine längere Zeitspanne ausreichen. Doch die vorhandenen Garantien und Umwandlungssätze entsprechen nicht der Realität: Die Zinsen sind seit Jahren derart niedrig, dass das Vorsorgekapital nicht mehr so wächst wie ursprünglich geplant. Gleichzeitig ist der im Gesetz festgelegte Umwandlungssatz von 6,8% für den obligatorischen Teil laut der Zurich Invest zu hoch angesetzt. Das führe dazu, dass das angesparte Kapital nicht für die längere Rentenzeit ausreicht. Auch die Rendite, die sich an den Kapitalmärkten noch erwirtschaften lässt, sei aufgrund der hohen Volatilität und des anhaltend tiefen Zinsumfelds zunehmend unsicherer. Für das Kuchenbeispiel bedeutet das: Mit dem hohen Umwandlungssatz wird der Kuchen in zu grosse Stücke geteilt – entsprechend ist er schneller aufgegessen. Ausserdem sorgt die niedrige Rendite dafür, dass die Schokoladenschicht auf dem Kuchen immer dünner wird.

In dieser Situation entsteht bei den Pensionskassen eine Finanzierungslücke. Um die unrealistischen und auf alten Annahmen basierenden Auszahlungsversprechen an die Rentner zu halten, müssen sie einen Teil der Anlageerträge von den Berufstätigen zu den Rentnern umverteilen. Notgedrungen senken die Sammelstiftungen zudem auf dem überobligatorischen Altersguthaben den Umwandlungssatz. In der Folge finanzieren Unternehmen mit hohem Lohnniveau und grosszügigen Pensionskassenleistungen andere Unternehmen mit, die ein niedriges Lohnniveau haben und ihren Versicherten nur ein Minimum an Leistungen bieten.

Das Geld bleibt nicht dort, wo es hingehört

Der Grundgedanke der zweiten Säule, dass alle für sich selbst sparen, wird mit der zunehmenden Umverteilung untergraben. Die zukünftigen Altersleistungen für die Versicherten sinken, da sie ihre Anlageerträge mit den Pensionären teilen müssen. Arbeitgeber hingegen werden zu unfreiwilliger Solidarität mit anderen, weniger leistungsfähigen oder engagierten Unternehmen gezwungen. "So verlieren sie an Attraktivität für qualifizierte Mitarbeitende, weil sie sich nicht mehr über eine gute Vorsorgelösung differenzieren können. Um beim Kuchenbeispiel zu bleiben: An meinem selbst gebackenen Kuchen esse ich nicht allein, sondern es knabbern jeweils noch andere mit. Am Kaffeetisch in der Familie würde ich mich sofort wehren. In der beruflichen Vorsorge jedoch merke ich erst im Alter, dass andere ihre Gabeln auf meinem Teller hatten und mein Kuchen kleiner ausfällt. Und dann ist es zu spät", fassen die Experten der Zurich Invest zusammen und führen fort: "Damit auch die heutigen Berufstätigen und vor allem unsere Kinder auf die zweite Säule bauen können, muss diese nachhaltig modernisiert werden."

Fondmanager Anthony Bailly von Rothschild & Co Asset Management. (Bild pd)

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