01.12.2025, 10:36 Uhr
Das Strategy and Insights Office von Invesco hat seinen jährlichen Ausblick für die Asset Allokation für 2026 veröffentlicht. Dieser stellt ein Umfeld in Aussicht, das von einem beschleunigten globalen Wachstum...
«Die Konjunktursignale sind nach wie vor widersprüchlich, die Datenlage ist durch den Stillstand in der US-Regierung getrübt und die Inflation steigt wieder an. Dennoch steigen risikoreiche Anlagen weiter an, angetrieben durch eine lockerere Liquiditätspolitik und die Erwartung einer Unterstützung durch die Zentralbanken», schreibt Nadège Dufossé, Global Head of Asset Allocation bei Candriam.
Nach monatelangem Zögern bewegt sich die Geldpolitik in Europa und den USA wieder im Einklang – in Richtung einer vorsichtigen Lockerung. Die Anleger versuchen unterdessen zu entscheiden, ob diese Angleichung den Auftakt zu einer kurzfristigen Bereinigung oder den Beginn eines neuen, durch Liquidität getriebenen Aufschwungs markiert. Candriam ist nach wie vor überzeugt, dass eine risikobereite Ausrichtung angebracht ist, da die Fundamentaldaten und technischen Faktoren einen positiven Ausblick für Aktien bestätigen und sich der Aufwärtstrend mittelfristig fortsetzen werde. «Daher haben wir einige Anpassungen an unserer regionalen Aktienallokation vorgenommen und halten eine ausgewogene übergewichtete Allokation in den USA, der Eurozone, Japan und den Schwellenländern», schreibt Dufossé.
Nach einer neunmonatigen Pause hat die US-Notenbank (Fed) ihre Zinssenkungen fortgesetzt. Die Zinssenkung um 25 Basispunkte im September beendete die lange Pause und bestätigte, dass der Fokus nun weniger auf der Eindämmung der Inflation als vielmehr auf der Sicherung des Wachstums liegt. Der Markt rechnet jetzt mit weiteren Zinssenkungen, mit denen der Leitzins bis Mitte 2026 auf rund 3,25 Prozent gesenkt werden könnte. Dieses Niveau entspricht eher dem Szenario einer sanften Landung, als einer Reaktion auf eine Krise.
Die aktuelle Phase wird jedoch durch zwei kurzfristige Komplikationen überschattet: das moderate Inflationsrisiko und den Mangel an zuverlässigen Daten. Die Gesamtinflationsrate der USA hat aufgrund der erneuten Zollerhöhungen um einige Zehntel-Prozentpunkte angezogen. Die politischen Entscheidungsträger – und die Märkte für Break-even-Inflationsraten – signalisierten Bereitschaft, über diesen vorübergehenden Anstieg «hinwegzusehen». Doch die Optik spielt ebenfalls eine Rolle. Der kurzfristige Forward-Spread der US-Notenbank (Fed) ist immer noch negativ. Daher ist das Signal eindeutig moderat. Die Zentralbank lockert ihre Geldpolitik jedoch vor dem Hintergrund von Gesamt-Inflationsraten, die nicht mehr rückläufig sind.
Am Anleihemarkt schlägt sich diese Spannung in einer deutlichen Steilheit der Zinskurven nieder. Die Renditen kurzfristiger Anleihen sind rapide gesunken, da die Anleger eine Reihe von Zinssenkungen einpreisen. Das lange Ende der Renditekurve war unterdessen stabiler. Das Ergebnis ist ein Bull-Steepening-Muster wie aus dem Lehrbuch, das an frühe Lockerungszyklen erinnert. Die Realzinsen sind zwar gegenüber ihren Sommerhochs zurückgegangen, bleiben aber historisch gesehen auf einem hohen Niveau. Diese Kombination – niedrigere kurzfristige Zinsen und ein positiver realer Carry – fördert die Nachfrage nach Duration, ohne Überhitzungsängste auszulösen. Tatsächlich hat die vorsichtige Wiederaufnahme der Zinssenkungen durch die Fed, die langfristigen Erwartungen wieder verankert und ermöglicht zugleich eine Anpassung der Renditen am kurzen Ende an das neue Narrativ.
In Europa, wo die Zinsen unverändert bei 2 Prozent gehalten wurden und die Inflation nur knapp über dem Zielwert liegt, kann es sich die Europäische Zentralbank (EZB) leisten, Geduld zu üben. Ihre Kommunikation ist aber deutlich entspannter geworden. Die Verantwortlichen bezeichnen die Geldpolitik als «angemessen». Sie behalten sich jedoch vor, die Zinsen im Jahr 2026 weiter zu senken, falls die Zolleffekte oder die schwachen Daten der deutschen Wirtschaft fortbestehen. Die Haushaltspolitik leistet einen bedeutenden Beitrag: Das deutsche Konjunkturpaket, das etwa 0,5 Prozent des BIP ausmacht, und das laufende ReArm Europe Programm, verschaffen der Region ein gewisses Wachstumspolster in den kommenden Quartalen.
Für die Märkte schafft diese eher zurückhaltende Annäherung zwischen der Fed und der EZB ein neues Gefühl der monetären Transparenz – wenn auch gefiltert durch das Rauschen unvollständiger Informationen. Da aufgrund des Shutdowns in den USA derzeit keine neuen US-Konjunkturdaten verfügbar sind, müssen sich die Anleger an Erwartungen und an der Positionierung orientieren, statt an harten Fakten. Das Umfeld ist aber trotzdem durch die Lockerung geprägt. Wie diese genau verlaufen wird, lässt sich jedoch schwer einschätzen.
Die aktuelle Marktdiskussion lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Konjunkturindikatoren deuten auf eine Verlangsamung hin, während die Inflation hoch genug bleibt, um das Signal zu verzerren. Der Shutdown in den USA verstärkt diese Unsicherheit: Da die Ermittlung der massgeblichen Datenreihen ausgesetzt ist, müssen sich die Anleger an Indikatoren aus zweiter Hand orientieren – Frachtvolumen, regionale Umfragen, private Daten und marktbasierte Kennzahlen – um abzuschätzen, in welche Richtung sich die Wirtschaft bewegt.
Am stärksten im Fokus steht derzeit der Arbeitsmarkt. Die Einstellungsdynamik hat sich sukzessive verlangsamt, ein direkter Stellenabbau ist aber bisher noch nicht zu beobachten. Die Modelle zeigen, dass eine Abschwächung am Arbeitsmarkt in der Regel zu einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen während einem oder zwei Quartalen führen. Dies deutet auf eine künftige Verlangsamung hin, aber nicht auf eine unmittelbar bevorstehende Rezession.
Der eigentliche Test für die Haushalte wird im Jahr 2026 kommen, wenn die kumulativen Auswirkungen der Zölle beginnen, die Kaufkraft zu untergraben. Derzeit liegt das nominale Lohnwachstum noch leicht über der aktuellen Inflationsrate, und der positive Vermögenseffekt durch steigende Vermögenspreise stützt weiterhin die Ausgaben. Daher hält sich der Konsum recht gut – nicht etwa, weil sich die Fundamentaldaten verbessern, sondern weil die Anpassung verzögert wurde.
Die Finanzmärkte preisen jedoch bereits das nächste Kapitel ein. Aktien haben ihre Rallye bis Anfang Oktober fortgesetzt, was die Überzeugung widerspiegelt, dass die politische Unterstützung jede vorübergehende Konjunkturschwäche überwiegen wird. Die Credit-Spreads sind nach wie vor historisch eng und die Volatilität bleibt verhalten. In diesem Umfeld wird jede fehlende Datenveröffentlichung zu einer Quelle für Spekulationen, jede Aktualisierung der Unternehmensgewinne zu einem Makro-Proxy.
Die bevorstehende Berichtssaison für das 3. Quartal gewinnt dadurch eine überproportionale Bedeutung. Analysten rechnen insgesamt mit einem Wachstum im mittleren einstelligen Bereich, wobei der Technologiesektor den Zyklus antreibt. Bislang ist es die Ertragsstabilität – und noch nicht die Liquidität –, die einen Grossteil der Marktstärke erklärt. Zu Beginn der Berichtssaison werden die Anleger insbesondere die Prognosen für 2026 im Auge behalten, um einzuschätzen, wie sich die Zollsituation nach Einschätzung der Unternehmen auf Kosten und die Nachfrage auswirken wird.
Kurz gesagt bleibt die Lage kurzfristig zyklisch und turbulent. Die Kombination aus der erhöhten Inflation, unvollständigen Daten und einer überzogenen Rally spricht für eine vorübergehende Volatilität – ein Muster, das im Oktober oft zu beobachten ist. Andererseits dürfte der gesamtwirtschaftliche Grundton – Rückkehr der Disinflation im Jahr 2026, Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbank und eine allmähliche haushaltspolitische Expansion – Risikoanlagen weiterhin zugutekommen, sobald sich der Nebel lichtet.
In Europa ist das Bild weniger dramatisch aber zunehmend konstruktiv. Das Wachstum ist nach wie vor moderat, wobei sich die Umfragen zum Fertigungssektor bei rund 50 Punkten stabilisieren. Doch die Ausrichtung ist seit Beginn dieses Jahres positiv geworden. Die Inflationsrate steuert allmählich auf 2 Prozent zu.
Damit verfügt die EZB über Spielraum für eine akkommodierende Geldpolitik und die Fiskalpolitik beginnt die Wirtschaft allmählich zu stützen, statt sie zu belasten: Die Konjunkturimpulse in Deutschland und die Ausgaben der EU zur Stärkung der Erholung dürften die Nachfrage bis in das Jahr 2026 hinein unterstützen. Daher hat sich die Stimmung gegenüber den Tiefstwerten vom Ende des Sommers etwas verbessert. Wir beurteilen die Region jetzt positiv.
Die schwächere Phase im politischen Zyklus Frankreichs hat sich nicht auf die Spreads ausgewirkt und die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen haben sich normalisiert. Im Bereich Fixed Income schwanken die Renditen der 10-jährigen deutschen Bundesanleihen zwischen 2,6 Prozent und 2,8 Prozent, wobei die Volatilität auf die tiefsten Werte seit mehreren Jahren gesunken ist. Die wechselkursbereinigten Renditen sind im Vergleich zu den USA nach wie vor attraktiv.
Dies regt die internationalen Kapitalströme an. An den Märkten für Unternehmensanleihen bietet sich ein ähnliches Bild. Die Investment-Grade-Spreads nähern sich dem Niveau von 75 Basispunkten und die High-Yield-Spreads bieten mit rund 280 Basispunkten nur begrenztes Aufwärtspotenzial, aber einen stabilen Carry. Die Rating-Dynamik ist nach wie vor positiv, die Emissionen sind solide und die Anlegernachfrage nach Renditen hält an.
Zusammen definieren diese Elemente ein Umfeld, das immer noch vom Gewinnwachstum geprägt ist, aber zunehmend von der verbesserten Liquiditätslage unterstützt wird. In der Berichtssaison für das 3. Quartal wird sich zeigen, ob die Rentabilität die aktuellen Bewertungen stützen kann. Sollten die Gewinne bei einer Lockerung der Geldpolitik stabil bleiben, könnte der Übergang von zyklischer Widerstandsfähigkeit zu mittelfristigem Wachstum – der Beginn eines Melt-Up – ganz natürlich erfolgen. Dies könnte den Beginn eines weiteren Aufschwungs markieren. Im Augenblick bewegen sich die Märkte weiter zwischen Datenlücken und politischen Signalen. Daher befinden sie sich nicht in einem geradlinigen Aufwärtstrend, sondern stolpern eher mit unsicheren Schritten voran.
Aus diesen Gründen bleibt Candriam in Aktien übergewichtet, wobei sich die Allokation ausgewogen über die USA, die Eurozone, Japan und die Schwellenländer verteilt. Die positive Dynamik wird von Technologie- und Industrietiteln angetrieben. Im Gesundheitssektor hat der Druck nachgelassen, wodurch ein hemmender Faktor wegfällt.
Im Fixed-Income-Bereich ist die Strategie in Schwellenländeranleihen übergewichtet. Sie werden durch attraktive Renditen, Erleichterung in Bezug auf die Zölle, einen relativ schwachen US-Dollar aufgrund der moderateren Geldpolitik der Fed und verbesserte Zuflüsse von Anlegern unterstützt. «Abgesehen davon bleiben wir in Bezug auf die Duration in europäischen Kernländern (Deutschland) zuversichtlich, während wir bei Unternehmensanleihen europäische Investment-Grade-Titel gegenüber High-Yield-Werten bevorzugen, die wir auf Neutral hochgestuft haben. Wir erkennen keine ausreichenden Prämien, die uns dazu bewegen könnten, in dieser Anlageklasse ein grösseres Risiko einzugehen. Stattdessen äussert sich unsere Risikobereitschaft auf der Portfolioebene in Form der oben erwähnten Übergewichtung in Aktien», heisst es dazu.
«Im Rahmen unserer Strategie halten wir nach wie vor Edelmetalle, Alternatives und Market Neutral Strategien: Gold und Silber haben gezeigt, dass sie in einer Welt der geopolitischen Komplexität, der volatilen Realzinsen und einer moderateren Fed eine gute Absicherung bieten können. Ausserdem halten wir an unserer Allokation in alternativen Strategien fest», erläutert die Global Head of Asset Allocation bei Candriam.