ESG-Investing erreicht kritische Masse

Immer mehr Finanzinstitutionen reagieren mit einem breiteren Spektrum von ESG-Strategien auf das gesteigerte Interesse an nachhaltigen Investments. (Bild: Shutterstock.com/metamorworks)
Immer mehr Finanzinstitutionen reagieren mit einem breiteren Spektrum von ESG-Strategien auf das gesteigerte Interesse an nachhaltigen Investments. (Bild: Shutterstock.com/metamorworks)

Die Anzahl professioneller Investoren mit ESG-Ansatz ist seit 2018 um 18% gestiegen. Bei den Methoden der Implementierung von ESG-Kriterien gewinnt der Active-Ownership-Ansatz stark an Bedeutung: Mehr als ein Drittel der Fondsselektoren und der Grossanleger suchen das direkte Gespräch mit den Unternehmen, wie eine Studie von Natixis IM zeigt.

23.04.2021, 11:42 Uhr
Nachhaltigkeit

Redaktion: rem

Immer mehr Finanzinstitutionen reagieren mit einem breiteren Spektrum von ESG-Strategien auf das gesteigerte Interesse an nachhaltigen Investments. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie von Natixis Investment Managers, zu der 2020 weltweit 3'600 professionelle Investoren wie Grossanleger, Fondsselektoren oder Finanzberater befragt worden sind. 72% der institutionellen Investoren sowie 77% der Fondsselektoren nutzen demnach inzwischen nachhaltig ausgerichtete Investmentstrategien.

Vor allem im vergangenen Jahr machte das ESG-Wachstumstempo mit Rekordzuflüssen in entsprechende Fonds und eine bis dahin beispiellose Auflage neuer ESG-Fonds einen erheblichen Sprung. So dürfte es auch in diesem Jahr weitergehen. Denn 68% der professionellen Fondsselektoren planen für 2021 eine Erweiterung ihres ESG-Engagements. Sie reagieren damit auf die erhöhte Nachfrage von Investoren, für die sie laut der Studie vor allem folgende Gründe sehen: 36% der Investoren würden sich zunehmend Sorgen über den Klimawandel machen und 42% wollten sich auf den Übergang zu einer grünen Ökonomie vorbereiten. 50% würden nun, da sie die kritische Masse für erreicht hielten, auf den ESG-Zug aufspringen. Und bei 75% der Investoren sei das Bewusstsein für ESG-Fragen in den vergangenen Monaten allgemein gewachsen.

"Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das bestehende Momentum künftig anhalten wird oder ob es zu einer grünen Blase kommen könnte", kommentiert Harald Walkate, ESG-Chef bei Natixis Investment Managers, das Ergebnis. Um diese Frage zu beantworten, bedürfe es mehr Klarheit bei den Anlegern, was sie mit ESG-Investments tatsächlich erreichen wollen und können. "Es geht um realistische Erwartungen sowohl über den finanziellen, als auch über den gesellschaftlichen Ertrag von ESG-Investments", so Walkate.

Klare Performance-Erwartung

Obwohl die genaue Messung von ESG-Investments nach wie vor als Herausforderung angesehen wird, finden es 83% der Fondsselektoren und 79% der institutionellen Investoren inzwischen leichter, die Performance von ESG-Investments gegenüber einer Benchmark zu vergleichen. Bessere ESG-Daten und zunehmend standardisierte Reportings hätten dazu beigetragen.

  • 53% der befragten institutionellen Investoren und 55% der Fondsselektoren stimmen in der Aussage überein, dass Unternehmen mit einem besseren ESG-Track-Record zu besseren Investmentergebnissen führen.
  • 70% der Fondsselektoren und 62% der institutionellen Investoren sehen die Berücksichtigung von ESG-Kriterien als einen wichtigen Beitrag zur Generierung von Alpha an.

Mit Blick auf die Analyse von Unternehmen und Branchen erachten 48% der professionellen Investoren nichtfinanzielle Kriterien als genauso wichtig wie klassische Finanzkennziffern. Allerdings herrscht bei 67% der Fondsselektoren und bei 74% der institutionellen Investoren eine Unsicherheit darüber vor, welche nichtfinanziellen Kriterien tatsächlich relevant für die Investmentanalyse seien.

ESG-Verständnis der Anleger abklären

Die meisten institutionellen Investoren haben laut der Studie eine klare Vorstellung darüber, wie sie die Werte ihrer Organisation mit verschiedenen Investmentansätzen verknüpfen können. Dieser Aspekt spielt auch für Privatanleger eine herausgehobene Rolle: 77% der von Natixis in anderem Zusammenhang befragten Anleger gaben an, dass die Verknüpfung ihrer persönlichen Werte mit einem Investment wichtig für sie sei. Hilfe dabei erwarten sie vor allem von ihren Finanzberatern. Für diese ist es daher wichtig, die genaue Erwartungshaltung ihrer Kunden zu kennen, um Missverständnissen vorzubeugen.

"Für Berater ist nicht immer klar, was Kunden mit persönlichen Werten meinen, und ob sie in erster Linie durch den Wunsch nach einer besseren Welt, nach einer besseren Rendite oder gar durch beides motiviert sind", sagt Dave Goodsell, Executive Director, Natixis Center for Investor Insight. "Diese Dinge müssen aber zwingend geklärt sein, bevor Empfehlungen ausgesprochen werden. Die ansonsten nicht ausbleibende Unzufriedenheit könnte sonst schnell zu einem Vertrauensverlust in die nachhaltige Geldanlage insgesamt und damit zu einem Problem für die weitere Entwicklung dieses noch jungen Investmentbereichs führen."

"In der Schweiz ist es für 78% der Anleger entscheidend, dass die getätigten Investitionen auch mit den persönlichen Werten übereinstimmen", ergänzt Timo Paul, Head German-speaking Switzerland bei Natixis Investment Managers. "Darüber hinaus haben 25% der Finanzfachleute festgestellt, dass Schweizer Kunden in den letzten 12 Monaten verstärkt nach ESG gefragt haben."

Methoden der Implementierung von ESG-Kriterien

Bei den Methoden der Implementierung von ESG-Kriterien verfolgen die Investoren keinen Königsweg. Vielmehr nutzen sie unterschiedliche Ansätze mit speziellen Risiko/Rendite-Eigenschaften, die ihnen je nach Zielsetzung ein individuelles Vorgehen ermöglichen.

  • Die ESG-Integration gehört zu den am meisten präferierten Methoden der Implementierung. 54% der Fondsselektoren und 48% der institutionellen Investoren befürworten diesen Ansatz, bei dem ESG-Kriterien in den gesamten Investmentprozess eingebunden werden.
  • Das Negative-Screening findet Zustimmung bei 42% der Fondsselektoren und bei 40% der institutionellen Investoren. Der seit den 1970er Jahren betriebene Ausschluss von Unternehmen oder Branchen, die als unethisch oder schädlich eingestuft werden, hat laut Natixis IM zuletzt etwas an Attraktivität verloren, da es keine zwingenden Beweise dafür gebe, dass er entweder einen finanziellen oder gesellschaftlichen Nutzen bringe. Er findet sich dennoch nach wie vor im Werkzeugkasten von Fondsselektoren und Grossanlegern.
  • Aktive Ownership, also der Versuch, über direkte Gespräche mit der Unternehmensleitung ESG-Kriterien zu berücksichtigen, hat in den vergangenen Jahren beständig an Zuspruch gewonnen. 35% der Fondsselektoren und 34% der Grossanleger befürworten diesen Weg. Inzwischen betrachtet ein gutes Drittel der institutionellen Investoren Active Ownership als Hauptmittel bei der Umsetzung von ESG-Interessen.
  • Impact Investing hat ebenfalls eine signifikante Bedeutungszunahme erfahren. Die Befürworter dieser Methode haben zuletzt zugenommen. 42% der Fondsselektoren und 34% der institutionellen Investoren sprechen sich gegenwärtig für diesen Ansatz aus.
  • Thematisches Investieren war vor drei Jahren ein noch kaum genutztes Instrument. Inzwischen befürworten 43% der Fondsselektoren und 28% der Grossanleger diese Methode.
Fondmanager Anthony Bailly von Rothschild & Co Asset Management. (Bild pd)

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