19.12.2024, 10:18 Uhr
Jacques-Aurélien Marcireau, Co-Head of Equities bei Edmond de Rothschild Asset Management, erwartet dass das thematische Trio aus Momentum, generativer Künstlicher Intelligenz (KI) und «Trump-Trade» seine starke...
Das Wachstum verlagert sich zunehmend auf die Entwicklungs- und Schwellenländer ausserhalb Chinas. Worauf Anleger achten sollten und welche neuen Chancen sich hier 2024 ergeben, erklären Paulo Salazar, Head of Emerging Markets Equity, und Kroum Sourov, Leitender ESG-Analyst, bei Candriam, in ihrem Ausblick.
In einem Umfeld ständigen Wandels, geprägt von geopolitischen Spannungen, der zunehmenden Bedeutung des Klimawandels und einer globalen wirtschaftlichen Neuorientierung, zeichnet sich ein deutlich erkennbarer Megatrend ab: Das Wachstum verlagert sich zunehmend auf die Entwicklungs- und Schwellenländer ausserhalb Chinas. Dieses wird durch demografische Entwicklungen und die sich wandelnde globale Wirtschaftsstruktur noch verstärkt. Die aktuellen geopolitischen Spannungen fördern den Trend zum «Nearshoring», gleichzeitig stehen einige Schwellenländer vor erheblichen Herausforderungen. Auch dort wird die Bevölkerung langsam älter, und was einst eine wirtschaftlich vorteilhafte demografische Struktur war, wird jetzt zum Risiko. Die einschneidenden Auswirkungen des Klimawandels und der KI-getriebenen Automatisierung verkomplizieren die globale Wirtschaftsentwicklung zusätzlich.
Die 90er Jahre waren geprägt von der Globalisierung, die zum Outsourcing und Offshoring der Produktion in Länder mit billigeren Arbeitskräften und lascheren Umweltstandards führte. Die Umgestaltung der Lieferketten oder «China-plus-One»-Strategien schafften Chancen für viele andere Entwicklungs- und Schwellenländer, insbesondere in Mexiko, Indien und Südostasien – dort haben globale Unternehmen begonnen, in alternative Lieferketten zu investieren.
Gerade Mexiko profitierte aufgrund seiner geografischen Nähe zu den USA sehr früh von dieser Entwicklung und ist so zum grössten Handelspartner der USA geworden. Fertigungs- und exportorientierte Unternehmen in Indien – vor allem in Sektoren wie Pharma, Biotech und Elektronik – erhielten Rückenwind für ihr Wachstum, da viele Akteure die Diversifizierung ihrer Lieferketten vorantrieben.
Um das Potenzial einzelner Länder vor dem Hintergrund einer dekarbonisierten Weltwirtschaft einordnen zu können, müssen Investoren zum einen die Bevölkerungsdynamik des betreffenden Landes berücksichtigen. Zum anderen ist auch die Kapazität dieser Länder relevant, mit der sie aktiv zum Wandel beitragen und neue Nachfragequellen im Inland und auf der lokalen Ebene erschliessen können.
China profitierte viele Jahre lang von der Tatsache, dass ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter war. Inzwischen erlebt das Land jedoch eine demografische Verschiebung hin zu einer alternden Bevölkerung, während sich die Wirtschaft weiterentwickelt. Verschiedene Faktoren beeinflussen dabei das künftige Nachfragewachstum. Das Candriam Ländernachhaltigkeitsmodell bietet zusätzliche Einblicke in die Wachstumsaussichten der einzelnen Regionen und Länder. Um die Bedingungen am Arbeitsmarkt zu beurteilen, müssen die Zahlen für die Bevölkerung im Erwerbsalter analysiert werden. Das umfasst die Zusammensetzung nach Geschlechtern, die Erwerbsquote, Sektorprofile und Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus hat die Qualität der Gesundheitssysteme, in Bezug auf Menschen sowohl im erwerbsfähigen Alter als auch in sehr jungen Jahren, Einfluss auf die Bewertungen der Länder. Zuletzt ist auch Qualität und Verfügbarkeit von Bildung für junge Menschen in den einzelnen Ländern zu beurteilen. Auf Basis dieser Kennzahlen dürften Länder wie Indien, Indonesien und Malaysia bei der Beurteilung ihrer Potenziale zukünftig besser abschneiden.
Weltweit wird der Übergang zur Elektrifizierung der Wirtschaft durch neue Technologien vorangetrieben. Im Fokus stehen dabei Batterietechnologien und Halbleiter. Die Lieferketten für wichtige Mineralien wie Lithium, Nickel, Kobalt, Grafit und Mangan – wichtige Grundstoffe für Elektrofahrzeug-Batterien – sind stark konzentriert und werden hauptsächlich von Australien und China dominiert. Geopolitische Erwägungen und politische Massnahmen in den USA und der EU haben das Ziel, die Abhängigkeit von diesen ausländischen Lieferketten zu verringern.
Bei der Mineraliengewinnung kann eine Diversifizierung angestrebt werden, insbesondere bei Grafit, für das es in Europa und Brasilien beträchtliche Reserven gibt. Verbesserte geologische Gutachten in Schwellenländern sind enorm wichtig, ebenso wie Fortschritte bei Recyclingtechnologien. Im Augenblick dominiert China bei der Produktion von Batteriezellen, aber auch Korea und Japan spielen entscheidende Rollen in Downstream-Bereichen. Mit entsprechender politischer Unterstützung und geopolitischen Veränderungen könnten andere Entwicklungs- und Schwellenländer hier aufholen.
Die Energiewende in der EU und den USA korreliert mit Partnerländern ausserhalb Chinas und bietet diesen so Wachstumschancen. Gesetze wie der Critical Materials Act der EU und der Inflation Reduction Act in den USA schaffen die Grundlage für Energiewendechancen in Ländern wie Korea, Indonesien und Lateinamerika.
Die globale Versorgungskette für Halbleiter wird von Taiwan und Südkorea dominiert, zwei Regionen, die ein bedeutendes Gewicht in den Emerging Markets ex-China haben. Bei genauerer Betrachtung der ergiebigen KI-Wertschöpfungskette in den Schwellenländern wird ihre entscheidende Bedeutung für den globalen KI-Goldrausch klar: Sie stellen die wesentliche Infrastruktur bereit, von Halbleiter- und Hardware-Produktionszentren in Asien bis zur Entwicklung neuer innovativer Technologien wie Speicher mit hoher Bandbreite und Chip-on-Wafer-on-Substrates. So treiben sie strukturelle und technologische Entwicklungen in der gesamten KI-Lieferkette an und versprechen ein potenziell signifikantes Wachstum in den kommenden Jahren.
Anlagechancen in Schwellenländern gehen weit über China hinaus und befinden sich an einem wichtigen Wendepunkt. Vorteilhafte demografische Dynamiken, positive geopolitische Entwicklungen und Chancen durch Energiewende und Halbleiter-Lieferketten könnten diese Märkte in die Lage versetzen, das globale Wachstum nachhaltig anzuführen. Deswegen sollte es keine Überraschung sein, dass die Schwellenländer ausserhalb Chinas in den kommenden Jahren die grössten Treiber des globalen Wachstums sein dürften.