28.06.2024, 09:40 Uhr
Die Stimmung unter den Schweizer Bankangestellten scheint sich im Nachgang der CS-Wirren etwas beruhigt zu haben. Die Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche werden positiver eingeschätzt als ein Jahr zuvor....
Die Schweizerische Nationalbank verteidigt ihre derzeitige Negativzinspolitik dezidiert und führt dabei in erster Linie ihre Kernaufgabe, die Sicherung der Preisstabilität, ins Feld. Das Swiss Finance Institute hat vor diesem Hintergrund eine Public Discussion Note veröffentlicht, um die positiven und negativen Folgen der aktuellen Situation für die Schweiz zu erklären und mögliche zukünftige Entwicklungen zu diskutieren.
In den letzten Jahren haben die Zentralbanken verschiedener Länder die kurzfristigen Zinssätze auf unter Null gesetzt. In einigen Fällen haben sich sogar die langfristigen Marktzinsen negativ entwickelt. Es überrascht daher kaum, dass negative Zinssätze zunehmend kontrovers diskutiert und in Frage gestellt werden. In der Schweiz, dem Land mit den derzeit niedrigsten Negativzinsen, wird die Debatte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses Phänomens sowie dessen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft besonders aktiv geführt. Das Swiss Finance Institute (SFI) hat deshalb eine Public Discussion Note veröffentlicht.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erklärt regelmässig die grundlegende wirtschaftliche Notwendigkeit für negative Zinssätze und erläutert auch, warum diese aus ihrer Sicht noch einige Zeit negativ bleiben könnten. Dennoch zeigt sich eine wachsende Zahl von kritischen Beobachtern zunehmend besorgt über die aktuelle Situation. Das SFI fragt sich, ob die SNB von ihrer derzeitigen Negativzinspolitik abweichen sollte. In einer idealen Welt müsste diese Frage mit "Ja" beantwortet werden, meint das nationale Kompetenzzentrum im Bank- und Finanzwesen. In der realen Welt müsse die Frage jedoch anders lauten: Ist die SNB überhaupt in der Lage, einen Kurswechsel einzuleiten? SFI-Professor Philippe Bacchetta von der Universität Lausanne sagt dazu: "Eine Erhöhung des Zinssatzes würde höchstwahrscheinlich zu einer Aufwertung des Schweizer Frankens und zu einer Verringerung der wirtschaftlichen Aktivität führen. Eine Deflation könnte die Folge sein. Dennoch empfiehlt es sich, auch neue Massnahmen, die über die klassischen Instrumente der Geldpolitik hinausgehen, in die öffentliche, politische und wissenschaftliche Debatte einzubringen."
Das Hauptproblem der negativen Zinssätze ist laut SFI der eingeschränkte Handlungsspielraum für die Geldpolitik. In der gegenwärtigen besonderen Situation wäre es – theoretisch – optimal, eine expansivere Geldpolitik zu betreiben. Da die Zinssätze aber bereits unter null Prozent liegen, haben die Zentralbanken auf eine unkonventionelle Geldpolitik umgeschaltet, was in der Regel zu einer Ausweitung ihrer Bilanzen führte. Im Falle der Schweiz stellte jedoch die Aufwertung der Währung einen zusätzlichen Faktor dar. Dies bedeutete zunächst, dass die Ausweitung der Bilanz der SNB durch den Erwerb ausländischer Vermögenswerte erfolgte (um die Nachfrage nach der Währung auszugleichen), während andere Zentralbanken inländische Vermögenswerte aufkauften. Diese Käufe waren jedoch nicht wirksam genug oder hätten in einem massiveren Umfang (sprich ein Mehrfaches des Schweizer BIP) durchgeführt werden müssen. Daher wurden die Massnahmen mit negativen Zinssätzen flankiert. Das Problem würde gemäss SFI verstärkt, wenn die Wirtschaft in eine Rezession geriete.
In seinem Public Discussion Note zählt das SFI auch einige viel genannte Vor- und Nachteile des derzeitigen Negativzinsumfelds auf. Beispielsweise können sehr niedrige Zinssätze und insbesondere unangemessen niedrige Risikoprämien zu einer Bedrohung der Finanzstabilität werden. Viele Investoren, einschliesslich Banken und Pensionskassen, sehen sich einem starken Druck ausgesetzt, angemessene Erträge aus ihren Investitionen zu erzielen. Dies führt dazu, dass nach Renditen gesucht wird und in risikoreichere Anlageklassen investiert wird, soweit die jeweilige Investitionspolitik und -regulierung dies zulassen.
Unter anderem erhöhen die tiefen Zinsen zudem das Risiko einer Immobilienblase und verringern die Rentabilität der Banken, da diese die Negtivzinsen nur teilweise weitergeben. Ausserdem können generationenübergreifende Probleme auftreten, weil junge Menschen schon jetzt ermutigt werden, angesichts der niedrigen künftigen Renditen und der erwarteten (niedrigen) Inflation mit dem Sparen für
den Ruhestand zu beginnen. Dies könnte einen Teufelskreis einleiten: Niedrige Zinssätze erzeugen noch mehr Ersparnisse, was die Zinssätze weiter unter Druck setzt.
Zu den Vorteilen zählen laut SFI unter anderem der Kurs des Schweizer Frankens zum Euro, der auf dem aktuellen Niveau gehalten wird und so die Schweizer Exporte unterstützt. Zudem werden die geringeren Kosten für öffentliche Verschuldung und die positiven Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte erwähnt. Denn gemessen am internationalen Vergleich ist die Staatsverschuldung in der Schweiz gering. Dennoch zahlen Bund, Kantone und Gemeinden im aktuellen Negativzinsregime weniger für ihre Schulden. Dies wirkt sich deutlich positiv auf ihre Haushaltsbudgets aus. Auch die historisch tiefen Hypothekarzinsen verdanken wir den niedrigen Zinsen. Davon profitieren sowohl Hauseingetümer wie auch Mieter, da die Mietpreise in der Schweiz an einen Referenzzinssatz gekoppelt sind.