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Inflation erwischt US-Notenbank auf falschem Fuss

Die US-Notenbank hat sich von ihrem Szenario einer
Die US-Notenbank hat sich von ihrem Szenario einer 'vorübergehenden' Inflation verabschiedet. (Bild: Shutterstock.com)

Der Anstieg der Inflation, der die US-Notenbank zur Aussage veranlasst hat, dass ein schnellerer Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik frühere Leitzinserhöhungen nach sich ziehen könnte, hat die Märkte durcheinander geschüttelt.

14.12.2021, 05:00 Uhr

Redaktion: rem

Der vielbeachtete US Consumer Price Index (CPI) stieg auf annualisierter Basis um 6,2% – das ist der höchste Wert seit 1990. Dafür verantwortlich gemacht wurden vor allem höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise. Allerdings betrug der Anstieg des Index immer noch 4,6%, wenn man diese Güter auslässt, wie Robeco feststellt.

Dies veranlasste die US-Notenbank dazu, während einer Anhörung ihres Vorsitzenden Jerome Powell im Kongress am 30. November ihre geänderte Einschätzung bekanntzugeben. Demnach sei die erhöhte Inflation nicht lediglich ein "vorübergehendes", sondern ein eher dauerhaftes Phänomen. An den Finanzmärkten sorgte das für Überraschungen. Die Aktienkurse gingen zurück, da ein wesentlich schnellerer Ausstieg aus den geldpolitischen Anreizprogramm zwecks Bekämpfung der Inflation und im Anschluss daran eine frühere erste Leitzinserhöhung befürchtet wurden. und anfängliche Kursgewinne an den Anleihenmärkten angesichts der Omikron-Variante des Coronavirus kehrten sich später ins Gegenteil um, da die Marktteilnehmer begannen, einen früheren Zinsanstieg (aktuell für Mai 2022 erwartet) vorwegzunehmen.

Schnellerer Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik

"Die globalen Anleihenmärkte sind mit steigendem Inflationsdruck konfrontiert und die US-Notenbank hat sich von ihrem Szenario einer 'vorübergehenden' Inflation verabschiedet. Damit rückt ein schnellerer Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik näher», sagt Peter van der Welle, Strategieexperte im Multi-Asset-Team von Robeco. Die Fed-Funds Futures-Kurve habe sich in Reaktion darauf versteilert, da die Marktteilnehmer nun mit früheren Leitzinserhöhungen rechnen. So werde erwartet, dass es auf der FOMC-Sitzung im Mai 2022 zu einer Zinsanhebung kommt. Van der Welle fügt an: "Basierend auf der Swap-Kurve scheinen Leitzinserhöhungen auf maximal 1,75% (aktuell 0,25%) erwartet zu werden. Dies würde bedeuten, dass im Vergleich zu früheren Zinsanhebungszyklen der Höchststand der Leitzinsen relativ niedrig bleiben würde. Das wirkt einem starken Anstieg der Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen entgegen."

Mohamed El-Erian prangert die voreilige Garantie von Fed-Chef Jerome Powell an, dass Preiserhöhungen nur kurzfristig seien. "Die Charakterisierung der Inflation als vorübergehend war wahrscheinlich die schlechteste Inflationsprognose in der Geschichte der Federal Reserve", kommentierte der Chefökonom der Allianz auf CBS, wie Cash berichtet. Diese werde die Wahrscheinlichkeit von politischen Fehlern massiv erhöhen, fügte er hinzu. Daher müsse die Fed ab dieser Woche schnell die Kontrolle über das Inflations-Narrativ zurückgewinnen und ihre eigene Glaubwürdigkeit wiederherstellen, so El-Erian. Andernfalls werde sie zu einem Katalysator höherer Inflationserwartungen, die sich selbst verstärkten.

"Der November ist typischerweise ein guter Monat für die Aktienmärkte, in dem sich die Gewinne des laufenden Jahres im Schnitt um 1 Prozentpunkt erhöhen», sagt Van der Welle. "Diesmal war es anders – so gaben die globalen Aktienmärkte im Monatsverlauf um 1,5% nach. Der Stich in den Rücken erfolgte in Form der Aussage von Powell im US-Kongress, welche die Analysten überraschte.»

Gute und schlechte Inflation

Dies stelle eine drastische Abkehr vom bisherigen Szenario da, wonach die "Inflation lediglich vorübergehend" sei. Mittlerweile habe sich die Rhetorik der US-Notenbank verschärft, da ihr die Inflation zunehmend Sorgen bereitet. Das Niveau und das Tempo des Inflationsschubs erhöhe das Risiko von Zweitrundeneffekten und sich verfestigender Inflation, so Van der Welle. "Die Art der Inflation ist entscheidend. Die aktuell zu beobachtende Teuerung stellt in erster Linie keine 'gute' Inflation dar – also kein stetiger Preisanstieg, der mit einer im Gleichgewicht befindlichen Wirtschaft einhergeht. Stattdessen erlebt die Weltwirtschaft eine 'schlechte' Inflation, die durch Angebotsengpässe verursacht wird, die am Ende den Weg für eine 'hässliche' Inflation bereiten könnten.» Angesichts der anhaltenden Stärke des US-Arbeitsmarkt nimmt das Risiko einer 'hässlichen' Inflation zu, die sich aus einer Lohn-Preis-Spirale ergebe, weil sich die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern verbessert habe.

Die Omikron-Variante des Coronavirus verleihe dem Meinungsumschwung der US-Notenbank zusätzliche Dynamik, sagt Van der Welle. Die OECD habe gewarnt, dass die Inflation erst dann abflauen werde, wenn die Pandemie vorbei sei. Eine neue Variante könnte den Kampf gegen das Coronavirus und damit den Inflationsanstieg in die Länge ziehen.

Allerdings gebe es nicht nur schlechte Nachrichten. So zeigte die herausragende Gewinnberichterstattung der US-Unternehmen für das dritte Quartal, dass die Unternehmen weiter an Preissetzungsmacht gewinnen. Dies schaffe gute Voraussetzungen für Aktien.

Partizipationsrate versus Leitzinsen

Die Experten von Robeco meinen nach wie vor, dass der Abschluss des Ausstiegs aus der lockeren Geldpolitik keinen unmittelbaren Übergang zu einem Zinsanhebungszyklus bedeutet. Vielmehr dürfte die US-Notenbank idealerweise eine höhere Partizipationsrate abwarten, bevor sie die Leitzinsen anhebt. "Wir rechnen damit, dass die Inflation im Jahr 2022 nachlässt, was der US-Notenbank einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Einschätzung verleihen würde, ob ein Teil des Rückgangs der Partizipationsrate zyklischer Natur ist. Nicht zuletzt ist für die Aktienmärkte nicht so sehr das Datum der Leitzinserhöhungen entscheidend, sondern das Ausmass der Straffung im Hinblick auf den am Ende erreichten Höchststand der Leitzinsen", so Van der Welle. Da eine übermässige Straffung der US-Geldpolitik auf kurze Sicht wenig wahrscheinlich sei, sollte die US-Wirtschaft die ersten Leitzinserhöhungen verkraften und im Jahr 2022 weiterhin mit solidem Tempo wachsen können. Gleichzeitig könnte ein Anstieg der Infektionszahlen und die Entdeckung neuer Varianten des Coronavirus für Phasen erhöhter Risikoscheu sorgen, die Staatsanleihen zugutekommen würden, meint er.

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