„Unsichtbare Konsolidierung“ abgeschlossen?

Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management.
Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management.

Die von diversen Anlegern seit einiger Zeit erwartete und vermeintlich überfällige „Korrektur“ an den Aktienmärkten lässt auf sich warten, was wiederum viele potenzielle „Einsteiger“ von Zukäufen abhält. Doch der Schein trügt. Abseits der ganz grossen Börsenbarometer haben viele wichtige Indizes und Marktsegmente nämlich durchaus deutlich „korrigiert“. Wer also an „buy the dip“ glaubt, wird sicherlich an vielen Orten fündig werden können. Lesen Sie hierzu den Marktkommentar von Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management.

21.05.2014, 10:28 Uhr

Redaktion: jf

In einem intakten Bullmarkt heisst es oft: „buy the dip“. In der Praxis ist es leider selbst für marktnah agierende Profis nicht einfach, den idealen „Dip“ zu erwischen. Wer im ersten Semester dieses Jahres auf grössere „Korrekturen“ (Gegenbewegungen von 10% bis 20%) gehofft hatte, der dürfte bisher tendenziell enttäuscht worden sein - zumindest was die grossen Marktindizes der entwickelten Volkswirtschaften angeht. So haben weder S&P 500 (Marktkapitalisierung 17.3 Billionen US-Dollar bzw. 97% der jährlichen US-Gesamtwirtschaftsleistung) noch der gesamteuropäische Stoxx 600 (11.8 Billionen US-Dollar, 65% des EU-Bruttoinlandprodukts) bisher solche „Korrekturen“ erlebt. Stattdessen gab es im S&P 500 zwei und im Stoxx 600 drei moderate „Konsolidierungen“ (Gegenbewegungen von weniger als 10%), welche zudem sukzessive weniger intensiv waren - ein Muster, das an sich typisch für Haussen ist.

Sukzessive kürzere und flachere Gegenbewegungen

Konkret verlor der US-Index ab Mitte Januar in 21 Tagen 6.1% und dann nochmal während 7 Tagen im April 4.4%. Inzwischen notiert der S&P 500 aber 7.8% höher als am Tief der ersten und 3.2% über dem Tief der zweiten „Konsolidierung“. Die Zahlen für den Stoxx sind vergleichbar: Der erste Kurseinbruch ab Ende Januar dauerte 14 Tage und brachte Verluste von ebenfalls 6.5%, der zweite kam im März in 8 Tagen mit einem Minus von 5.5% und der dritte führte an 7 Tagen im April den Index zwischenzeitlich noch einmal um 4.2% tiefer. Heute notiert der Stoxx allerdings 7.2%, 5.7% und 3.9% über den während der jeweiligen Abwärtsphasen erreichten Tiefständen. „Bei Schwäche kaufen“ hätte sich also gelohnt - sofern man die eher kurzlebigen und nicht besonders tiefen „Dips“ auch tatsächlich „erwischt“ hätte.

Die grosse „Korrektur“ hat im „Verborgenen“ stattgefunden

Die Absenz grösserer „Kaufgelegenheiten“ auf Ebene der erwähnten Megaindizes sollte uns in einer intakten Hausse jedoch nicht vor Neuengagements oder Zukäufen abhalten - insbesondere dann nicht, wenn viele Märkte und Marktsegmente durchaus deutliche „Korrekturen“ durchgemacht haben. So notiert Japans Nikkei 225 zum Beispiel gut 13% unter seinem diesjährigen Hoch, obwohl der Nippon-Index nach wie vor das weltweit höchste Gewinnwachstum ausweist und zu den „günstigsten“ Aktienindizes zählt. Doch auch in den USA hat der kleinere Firmen repräsentierende Russell 2000 seit Februar knapp 11% eingebüsst, gefolgt vom technologielastigen Nasdaq mit einem Minus von rund 10%. Wenig überraschend gehörten diese Indizes im vergangenen Jahr zu den Top-Performern (Nikkei +57%, Nasdaq +38%, Russell +37%). Logischerweise haben viele der medial und auch sonst „populären“ Titel wie Tesla Motors oder Facebook zwischenzeitlich bis zu einem Drittel ihres jüngsten Maximalwerts abgegeben.

Bondmärkte sprechen ebenfalls für ausklingende Konsolidierungsphase

Gleichzeitig haben die Staatsanleihenmärkte seit Anfang Jahr eine überraschend lange Stärkephase gehabt. Die zehnjährigen US-Renditen sind von 3% zur Jahresfrist auf 2.5% gesunken und notieren damit auf dem tiefsten Stand seit vergangenem Oktober. Bei allem Verständnis für die ausgleichende Notwendigkeit von Gegenbewegungen: Angesichts der Tatsache, dass das nominale Wirtschaftswachstum der USA derzeit im Schnitt um rund 4% pro Jahr beträgt, erscheint uns das Zinsniveau eindeutig zu tief. Ähnliches gilt grundsätzlich auch für Deutschland oder Japan, wo die zehnjährigen Renditen inzwischen auf rund 1.3% bzw. knapp 0.6% gesunken sind. Angesichts dieser möglichen „Bodenbildung“ im Bereich der Marktzinsen dürften sich auch insbesondere jene Aktienindizes, die seit Anfang Jahr im „Konsolidierungsmodus“ zu stecken scheinen, langsam dem Ende der Schwächephase nähern. Ein potenzieller Wirtschaftseinbruch ist inzwischen ausreichend eingepreist, während der tatsächliche Ausblick für Konjunktur und Unternehmenserträge in den meisten Regionen nach wie konstruktiv geblieben ist.

Weltweit unterschiedliche Konsolidierungs- und Korrekturmuster

In der Tabelle (PDF Seite 2) zeigen wir Ausmass und Dauer der diesjährigen „Korrektur-“ bzw. „Konsolidierungsphasen“, wie sie sich in den Aktienindizes Nordamerikas, Europas und Asiens widerspiegeln. Die grössten Märkte waren vergleichsweise stabil. Sie erlebten bisher in diesem Jahr nur wenige, eher kurze und flache Gegenbewegungen nach unten. Im Vergleich dazu haben die Märkte, die im letzten Jahr am besten liefen, durchaus tiefe und lange Schwächephasen verbucht. Eine mahnende Ausnahme stellt möglicherweise der Hongkonger Hang Seng dar - dieser Index hat sich 2014 als einer der volatilsten erwiesen (recht heftige Einbrüche und lange Abwärtsphasen), obwohl er schon 2013 zu den globalen Schlusslichtern zählte. Die in den westlichen Märkten und Japan beobachtbaren Marktverhaltensmuster stehen jedoch generell weiterhin im Einklang mit unserer fundamentalen Einschätzung, dass die zugrundeliegenden Aktienhaussen in den USA, Europa und Japan intakt geblieben sind. Daher glauben wir auch, dass gelegentlich wiederkehrende Schwächephasen grundsätzlich „Einstiegsgelegenheiten“ bieten.

Bond-Rallye ging zu weit; Renditen dürften wieder moderat steigen

In der zweiten Grafik (PDF Seite 2) zeigen die Umlaufrenditen ausgewählter zehnjähriger Staatsanleihen. Die in diesem Jahr ausgeprägte Schwächephasen in einigen Aktienmärkten bzw. die bisher bescheidenen Kursgewinne der Top-Indizes gingen mit starken Anleihenmärkten einher. Das wundert nicht, wenn man bedenkt, dass sinkende Renditen (d.h. steigende Anleihenkurse) in der Regel mit zunehmender Risikoaversion und/oder sich (tatsächlich oder vermeintlich) eintrübenden Konjunkturaussichten verbunden sind, während Börsenindizes wie der Nikkei oder der Russell als in besonderem Masse konjunktursensitiv gelten. In Japan haben sich die Langfristzinsen jedenfalls im Laufe des Jahres von bereits extrem tiefem Niveau nochmal halbiert und in Deutschland sind sie um rund ein Drittel gesunken. Doch auch der vergleichsweise geringere Rückgang in den USA um 50 Basispunkte auf das vergleichsweise hohe Niveau von 2.5% wirkt übertrieben. Solche Zinsniveaus sind schliesslich in keinem der erwähnten Länder mit den jeweiligen Wachstums- und Inflationsaussichten erklärbar. Auch die politische Grundhaltung aller betroffenen Notenbanken spricht gegen mittelfristig sinkende langfristige Marktzinsen. Daher dürfte es sich hierbei um eine temporäre Entwicklung zum Teil technischer Art gehandelt haben - sobald diese ausgereizt ist, müssten auch die wachstumssensitiveren Aktienindizes wieder besser laufen.

Lesen Sie hier den vollständigen Kommentar von Mikio Kumada, Global Strategist von LGT Capital Management.

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