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„Die Notenbanker fungieren als Börsen-Sherpas“

Alex Durrer, Chefökonom bei LGT Group
Alex Durrer, Chefökonom bei LGT Group

Die internationalen Aktienmärkte haben in den letzten Jahren immer höhere Berge erklommen. Diese Gipfelhöhen haben sie aber nicht aus eigener Kraft erreicht, erläutert Dr. Alex Durrer, Chefökonom der LGT Group, im Interview mit Fondstrends. Mit allen erdenklichen Hilfsmitteln gestützt, gezogen und gestossen wurden sie dorthin vielmehr von den weltweit führenden Geldpolitikern. Von deren Einsatz und Fähigkeiten hänge dementsprechend auch der weitere Verlauf von Wirtschaft und Börsen ab.

15.12.2014, 14:30 Uhr

Redaktion: kgh

Herr Durrer, wie beurteilen Sie die Verfassung der Weltwirtschaft?
Alex Durrer: Die fundamentalen Perspektiven sehen nicht berauschend aus, weder strukturell noch konjunkturell. Immerhin halbwegs positiv ist, dass die Weltwirtschaft trotz nachlassender Dynamik wenigstens insgesamt auf einem moderaten Wachstumskurs bleibt. Anders als noch vor Jahresfrist, als Hoffnungen auf einen weltweit besser synchronisierten Aufschwung aufgekeimt sind, ist dies aber aktuell fast ausschliesslich der positiven Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft sowie der Stabilisierung einiger Schwellenländer Asiens zu verdanken. Dem stehen leider düstere Aussichten für die Eurozone gegenüber.

Muss man eine Neuauflage der europäischen Schuldenkrise befürchten?
Zum einen ist auf dem alten Kontinent das Risiko eines Rückfalls in die Rezession deutlich angestiegen. Ungut hinzu kommt tatsächlich, dass bei den gravierenden Strukturproblemen fast keine Verbesserung, sondern vielmehr oberflächliche Überkleisterung und meisterhafte Problemverdrängung auszumachen sind. Die Stunde der Wahrheit wird gern weiter in die Zukunft verschoben. Offen bleibt, ob und wie letztlich die negative Rückkopplung zwischen Schuldenkrise und Wachstumsschwäche zu durchbrechen wäre. Dies alles muss aber erstaunlicherweise an den Börsen nicht zu Angst und Risikoaversion führen – ähnlich wie im Kontext der geopolitischen Risiken besinnen sich Investoren häufig lieber auf das fatalistische Motto „zu Tode gefürchtet wäre auch gestorben“.

Heisst das, der Finanzmarkt hat den Bezug zur ökonomischen Realität verloren?
Ja und nein: Wir dürfen allerdings die besonderen Umstände nicht ausser Acht lassen, unter denen die Märkte überhaupt so weit emporsteigen konnten. Denn all die nacheinander bezwungenen Gipfelhöhen haben sie ja mitnichten aus eigener Kraft erreicht: Mit allen erdenklichen Instrumenten gestützt, gezogen und gestossen wurden sie dorthin vielmehr von den führenden Geldpolitikern dieser Welt! Fast wie von Hochgebirgsträgern oder Sherpas wurden sie sanft und samt ihren bleischweren Altlasten über alle Hindernisse hinweg gleichsam von Hoch zu Hoch getragen. Und bis heute liessen diese monetären Bergführer nie Zweifel aufkommen an ihrer Mission, fast um jeden Preis alle möglichen Unfälle oder Abstürze zu verhüten.

Was bedeutet dies für die Finanzmärkte im 2015? Welche Anlageklassen sind zu empfehlen?
Auch der weitere Verlauf der globalen Wirtschafts- und Börsentour hängt am allerstärksten vom engagierten Einsatz, von den Fähigkeiten und Mitteln dieser geldpolitischen Sherpas ab – einschliesslich der daraus resultierenden Aussichten für die einzelnen Anlageklassen. Ergo bleibt alles im Banne der Währungshüter! Konkret: Der Weg der Aktienmärkte wird zwar mit zunehmendem Alter der Hausse holpriger, er führt aber noch weiter nach oben, solange keine Kehrtwende bei der monetären Mission erfolgt. Auf der anderen Seite des Attraktivitätsspektrums liegen die meisten Staatsanleihen – hier wird es immer schwieriger, sich noch tiefere Zinsen vorzustellen, welche die Kurse nach oben treiben würde.

Gibt es regionale Unterschiede?
Ja: Die unterschiedlichen Konjunkturtrends plus die sich abzeichnenden geldpolitischen Divergenzen – in den USA und in UK beginnt man laut über erste Normalisierungsschritte nachzudenken, während die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan nochmals expansiver werden – werden sich im regionalen Performance-Muster niederschlagen. Die besten Aussichten ergeben sich für japanische Aktien, gefolgt von den amerikanischen. In Europa ist Vorsicht angezeigt, namentlich in der Peripherie – hier gilt es, sehr selektiv vorzugehen.

Wirkt sich das geldpolitische Auseinanderdriften auch auf die Währungen aus?
Selbstverständlich! Und dies fast schon lehrbuchmässig: Der zurzeit erst einigermassen fair bewertete US-Dollar wird weiter kräftig zulegen – nicht nur dank Konjunktur und Geldpolitik, sondern auch als Folge einer sich verbessernden Leistungsbilanz. Umgekehrt muss die europäische Gemeinschaftswährung weiter leiden, infolge konjunktureller Enttäuschungen, vielleicht übertriebener Deflationsgespenster und – last, but not least – weil ihn Mario Draghi selber mit seinem gewichtigen Wort schwach redet. Analog zum früheren „Don’t fight the Fed“ gilt heute selbstverständlich „Don’t fight the ECB“!

Was heisst das konkret in Zahlen?
Nun, die Franken-Dollar-Parität ist eine Frage von Tagen, weitere zehn Prozent nach oben liegen auf Jahressicht drin. Obwohl – dies muss auch gesagt sein – diese Ansicht mittlerweile fast zu stark zum Konsens geworden ist. Die Euroschwäche werden wir am Frankenkurs auch 2015 nicht ablesen können – die SNB lässt keinerlei Zweifel aufkommen, weder an ihrem Willen noch an ihrer Fähigkeit, die Kurzuntergrenze bei 1.20 zu verteidigen. Die wäre übrigens auch dann genauso geblieben, wenn das Abstimmungsresultat der „Goldinitiative“ anders herausgekommen wäre.

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