Die globale Aktienhausse geht weiter

Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Partners
Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Partners

In den vergangenen Tagen gab es drei wirtschaftspolitische Entwicklungen, welche die globale Aktienhausse mittelfristig weiter untermauern sollten. In Europa hat Mario Draghi eine Ausweitung der EZB-Wertpapierkäufe auf Staatsanleihen faktisch in greifbare Nähe gerückt, China überraschend die Leitzinsen gesenkt und Japan mit der Verschiebung einer umstrittenen Steuererhöhung kurzfristige Wachstumshemmnisse aus dem Weg geräumt. Die Hintergründe erläutert Mikio Kumada von LGT.

26.11.2014, 13:41 Uhr

Redaktion: kgh

Den Börsen geht es gut. In den USA und Japan wurden erneut Höchststände markiert, und selbst im von Deflationsrisiken geplagten Euroraum haben die grossen Börsenbarometer inzwischen gut drei Viertel der zwischen Juni bis Oktober verbuchten Kursverluste wieder aufgeholt. Auch China zeigt in letzter Zeit relative Stärke. Riskantere Marktsegmente - von griechischen Aktien bis hin zu amerikanischen «Small Caps» - laufen seit einigen Wochen ebenfalls wieder besser. Unter der Prämisse einer intakten Hausse ist diese Rallye nach der scharfen Korrektur vom Sommer aus «technischer» Sicht nur logisch. Sie ist aber auch fundamental begründbar. Abgesehen davon, dass die Unternehmensgewinne zuletzt fast weltweit die Erwartungen übertroffen haben, sind in den letzten Tagen weitere potenziell börsenfreundliche Ereignisse hinzugekommen.

1) Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank wieder im Gespräch
Mario Draghi betonte am Freitag in einer Rede in Frankfurt, dass die EZB die Inflationserwartungen im Euroraum «schnellstmöglich» erhöhen müsse und zu diesem Zweck bereit sei, ihr derzeitiges Wertpapieraufkaufprogramm nötigenfalls weiter auszuweiten. Staatsanleihenkäufe wollte er dabei explizit nicht ausschliessen. Der Kauf von Staatsanleihen mit «frischem» Notenbankgeld gilt als effektivstes Mittel, um Inflationserwartungen zu schüren. Trotz der Diskussionen um deren Rechtmässigkeit der Moment scheint also näher zu rücken, an dem auch die EZB Staatsanleihen kauft und damit mit praktisch allen grossen Notenbanken gleichzieht.

2) Allgemeine Lockerung der Geldpolitik in China
Gleichentags wurden in China die Leitzinsen für Kredite von 6% auf 5.6% und für Einlagen von 3% auf 2.75% überraschend gesenkt. Damit hat Peking möglicherweise eine Wende vollzogen. Trotz der seit Jahren spürbaren Wachstumsverlangsamung hatte Chinas Notenbank PBOC aufgrund zahlreicher Risiken im heimischen Kredit- und Bankensystem von einer allgemeinen monetären Lockerung Abstand genommen und stattdessen eine Politik der reaktiven und selektiven Liquiditätsspritzen verfolgt. Die Zinssenkungen signalisieren daher eine erhöhte Bereitschaft Pekings, einen weiteren Wachstumsrückgang zu verhindern.

3) Japan räumt Wachstumshemmnis aus dem Weg
In Japan überschlugen sich kaum zwei Wochen nach der unerwarteten, massiven Ausweitung der «quantitativen Lockerung» am 31. Oktober die Ereignisse erneut. Die vorläufige Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das dritte Quartal 2014 fiel am 17. November so enttäuschend aus, dass Premierminister Shinzo Abe prompt die «Flucht nach vorn» antrat, um dem vorprogrammierten «Katzenjammer» möglichst rasch den Wind aus den Segeln zu nehmen: Er verschob die geplante, aber umstrittene zweite Erhöhung der Umsatzsteuer um 18 Monate und rief für den 14. Dezember vorgezogene Neuwahlen aus. Damit stehen der expansiven Geldpolitik Japans nach Ansicht vieler Ökonomen keine kurzfristig «unnötigen» Wachstumshemmnisse mehr im Wege. Zugleich könnte der Wahlgang im Idealfall die «Reflationisten» innenpolitisch für weitere vier Jahre stärken.

Börsenfreundlich aber nicht ohne Stolpersteine
Garantiert ist eine positive Marktentwicklung freilich nicht: Die EZB-Staatsanleihenkäufe könnten an den politischen und rechtlichen Realitäten Europas wenn nicht scheitern, so zumindest in ihrer Signalwirkung stark «verwässert» werden. Chinas Zinssenkungen, selbst wenn noch weitere folgen sollten, könnten sich auf Sicht weitgehend wirkungslos bleiben, weil das eigentliche Problem im «Reich der Mitte» letztlich nicht in der zu knappen, sondern in der zu üppigen, zu «verschwenderischen», Kreditvergabe liegt. Und in Japan kann schliesslich nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Abes waghalsiges politisches Vorgehen letztlich doch an der Urne scheitert. Unter dem Strich stehen die Zeichen in den drei nach den USA grössten Volkswirtschaften aber letztlich zunehmend auf Konjunkturstimulation, was früher oder später von den Börsen auch entsprechend goutiert werden müsste.

Geldpolitik aus binnenwirtschaftlicher Perspektive
Eine Notenbank erhöht bzw. reduziert die Basisgeldmenge (und damit die potenzielle Gesamtmenge), indem sie und Wertpapiere temporär oder permanent im Markt kauft bzw. verkauft. Im Fall von Käufen wird neues Geld «gedruckt», und umgekehrt. In der Regel kann diese Aktivität mit dem Zinsniveau visualisiert werden. Wenn die Zinsen aber gegen Null tendieren, bietet die Bilanz der Notenbank besseren Aufschluss. In der ersten Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigen wir die Bilanzgrössen der grossen Notenbanken im Verhältnis zum BIP ihres Hoheitsgebietes d.h. die «Intensität» der Geldpolitik aus der jeweils «nationalen» Sicht. Die extremste Expansion fand von 2008 bis 2012 in der Schweiz statt. Die USA, China und der Euroraum wirken aus dieser Sicht vergleichsweise «zahm». Seit 2012 geht Japan am «aggressivsten» vor, was die seitdem besonders starken Reaktionen seiner Währung und Börse erklärt.

Geldpolitik im historischen Quervergleich In der nächsten Grafik (siehe PDF, Seite 2) zeigen wir die Veränderung der Bilanzen seit Ende 2001 d.h. die absolute Entwicklung im globalen Vergleich. Aus dieser Perspektive betreibt China konsequent die «aggressivste» und auch stabilste Bilanzausweitung, dicht gefolgt von den USA seit 2008, wobei der US-Kurs volatiler war (das «Quantitative Easing» wurde ja mehrmals angepasst bzw. temporär ausgesetzt). In beiden Ländern haben sich die Bilanzen seit 2002 aber letztlich in etwa versiebenfacht. In Japan beginnt die Expansion aus dieser Perspektive erst kurz nach der Ernennung von Haruhiko Kuroda zum neuen Notenbank-Chef im März 2013 - Japan hat also noch viel «Spielraum nach oben», ebenso wie der Euroraum, wo die EZB-Bilanzsumme bis kürzlich schrumpfte. In beiden Volkswirtschaften steht jedenfalls nach den jüngsten Entscheidungen der jeweiligen Notenbanken eine deutliche bzw. noch stärkere Bilanzausweitung an. Chinas jüngste Zinssenkungen dürften zudem immerhin zumindest sicherstellen, dass die Geldpolitik im «Reich der Mitte» ihren stabilen Wachstumspfad nicht verlassen wird. Auf globaler Ebene dürften diese Trends die vorprogrammierte Abflachung der Bilanzexpansion in den USA, wo die Konjunktur recht stark ist, mehr als ausgleichen.

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