Fidelity: «Inflation wird Chinas Aufschwung nicht verderben»

Das Phänomen «settlement apples» zeigt laut Fidelity warum Wetten auf einen Inflationsanstieg in China wahrscheinlich noch eine Weile schlecht ausgehen werden. (Bild pd)
Das Phänomen «settlement apples» zeigt laut Fidelity warum Wetten auf einen Inflationsanstieg in China wahrscheinlich noch eine Weile schlecht ausgehen werden. (Bild pd)

Die Preisspirale hat 2022 global für Kopfzerbrechen gesorgt. Ist nun China an der Reihe? «Unseres Erachtens bleibt der Inflationsdruck in China in diesem Jahr überschaubar», schreiben Taosha Wang, Portfolio Manager Fidelity International und Peiqian Liu, Asia Economist Fidelity International.

20.03.2023, 10:31 Uhr

Redaktion: sw

Eine neue «Obstmarke« namens «settlement apples» hat sich in China durchgesetzt. Die Äpfel, die in chinesischen Finanzkreisen in den sozialen Medien auftauchen, stammen von einem wohlhabenden Rohstoffinvestor. Er hat im Zuge der Wiedereröffnung Chinas eine kolossal schlechte Futures-Wette auf die Lebensmittelpreisinflation abgeschlossen. Der Anstieg für Apfelpreise ist jedoch ausgeblieben. Der Händler musste in der Folge seine Long-Positionen auflösen und mehr als 1000 Tonnen Äpfel, die er über die Zhengzhou Commodity Exchange gekauft hatte, physisch abnehmen. Viele dieser Früchte verkaufte er über eine E-Commerce-Plattform. Auf deren Verpackungen stand «jiao ge guo», ein von ihm geprägter Ausdruck für «settlement apples».

Die Geschichte zeigt laut Fidelity beispielhaft, «dass die Inflation in China nach der Pandemie einen eigenen Weg einschlägt.» Als die westlichen Länder die Beschränkungen aufhoben, kam es zu rasanten Preissteigerungen. «Doch in China, das Ende 2022 eine scharfe Wende in Bezug auf die Null-COVID-Politik vollzog, deuten sowohl Angebots- als auch Nachfragefaktoren darauf hin, dass der Inflationsdruck gering bleibt», heisst es in der jüngsten Studie. Inmitten von Umbesetzungen von Verwaltungsposten kündigte China am 12. März an, dass Yi Gang Gouverneur der Zentralbank bleibt. Dies signalisiert Stabilität in der Geldpolitik. Fidelity geht davon aus, dass die Inflation in China 2023 unter dem offiziellen Ziel von drei Prozent bleiben wird. Die Behörden können somit eine weniger strikte Politik beibehalten.

Weiterhin tiefe Inflation in der Industrie

Im Westen trugen Unterbrechungen der Versorgungskette 2022 erheblich zum Kostenanstieg bei. China habe diese Probleme aber überwunden. Die Versorgungsnetze seien normalisiert. «Der Erzeugerpreisindex des Landes befindet sich weiter in einer deflationären Phase, sodass er im Laufe des Jahres unseres Erachtens um weniger als 1,5 Prozent steigen wird.»

Hinzu komme, dass Rohstoffe wie Kupfer, Rohöl und Eisenerz weltweit deutlich unter ihren Höchstständen von 2022 gehandelt werden, was den Druck auf die Inputkosten verringere. Im Gegensatz zu den angespannten Arbeitsmärkten in Europa und Nordamerika stehe der chinesische Arbeitsmarkt zudem erst am Anfang einer Erholung.

Anstieg der Konsumentenpreise noch nicht spürbar

China habe im Gegensatz zu Ländern wie den USA keine massiven Konjunkturpakete verteilt, welche die Nachfrage während der Pandemie angekurbelt hätten. Die chinesischen Verbraucherausgaben erholten sich zwar, aber noch nicht stark genug, um eine nennenswerte Inflation auszulösen.

Ein Blick auf die wichtigsten Komponenten des chinesischen Verbraucherpreisindex zeige, dass der Spielraum für einen Anstieg in diesem Jahr begrenzt ist. «Die Hauspreise (17 Prozent des VPI-Warenkorbs) werden wohl stabil bleiben, da sich der Immobilienmarkt immer noch von einem grossen Schock erholt.» Die allgemeine Begeisterung für den Erwerb von Wohneigentum sei noch nicht vollständig zurückgekehrt. Mieterhöhungen, wenn sie denn erfolgen, seien durch die Einkommensverluste der Haushalte infolge der Pandemiejahre effektiv gedeckelt.

Die Inflation bei den Nichtwohnungsdienstleistungen (30 % des Warenkorbs) könnte deutlicher ausfallen, da die Nachfrage wieder in Richtung ihres langfristigen Trends steige. Dennoch klaffe eine Lücke zwischen dem tatsächlichen Verbrauch von Dienstleistungen und ihrem Trendniveau, die nur langsam geschlossen werden könne. Das Fazit: «Da die Arbeitslosigkeit in China immer noch über dem Trend liegt, werden Lohnerhöhungen in nächster Zeit keinen Aufwärtsschock bei der Dienstleistungsinflation auslösen.»

Bei Nahrungsmitteln und Energie (28 % des Warenkorbs) könnte es laut Fidelity zu einer moderaten Inflation kommen. Bei der grössten Lebensmittelkomponente Schweinefleisch seien die Preise aber tendenziell rückläufig, da der Angebotsdruck nachlässt. Die Preise für andere Frischprodukte wie Gemüse werden stabil bleiben, da sich die Lieferketten wieder normalisierten.

Was heisst das für den Anleger?

«Während sich die sanfte Erholung fortsetzt, wird die geringe Inflation den chinesischen Entscheidungsträgern derzeit helfen, eine Verschärfung der Geldpolitik zu vermeiden.

Dennoch sollten die Anleger auf Inflationsrisiken achten. Die Inflation könnte sich beschleunigen, wenn die Erholung auf dem Immobilienmarkt die Erwartungen übertrifft oder wenn die Schweinefleischpreise in der zweiten Jahreshälfte einen neuen Aufschwung erleben. Die eingangs erwähnten ‘settlement apples’ sind gemäss vielen Käufern zwar gut. Sie zeigen aber auch, warum Wetten auf einen Inflationsanstieg in China wahrscheinlich noch eine Weile schlecht ausgehen werden», schreiben Taosha Wang und Peiqian Liu.

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