Mehr Macht für Mitarbeitende?

Investoren müssen laut Edmond de Rothschild Asset Management eine Analyse der Attraktivität der Unternehmen am Arbeitsmarkt berücksichtigen. (Bild pd)
Investoren müssen laut Edmond de Rothschild Asset Management eine Analyse der Attraktivität der Unternehmen am Arbeitsmarkt berücksichtigen. (Bild pd)

«Aufgrund des durch den demografischen Wandel verursachten Arbeitskräftemangels kehrt sich das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zugunsten der letzteren um, eine vermutlich dauerhafte Entwicklung», schreibt Aymeric Gastaldi, Portfolio Manager bei Edmond de Rothschild Asset Management.

18.04.2023, 10:24 Uhr

Redaktion: sw

2021 wurde aus den USA erstmals über die «Great Resignation» berichtet. Millionen von Beschäftigten kehrten nach den Lockdowns nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück, immer mehr kündigten und immer mehr Unternehmen bekamen Schwierigkeiten, neue Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Die Auswirkung der «Great Resignation» war klar, nicht jedoch deren Ursache. Erklärungen wie das Ende der Einwanderungsströme, die Zunahme der Pensionierungen oder die Fähigkeit einiger Amerikaner, mit COVID-Schecks als Haupteinnahmequelle zu leben, werden oft zitiert und stimmen wohl zum Teil.

«Diese Faktoren sind konjunkturabhängig, dennoch bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt zwei Jahre nach dem Beginn der Lockdowns sehr angespannt», schreibt Aymeric Gastaldi. Mehr als 10 Millionen Stellen bleiben in den USA unbesetzt, in Japan verzeichnen die Löhne den höchsten Anstieg seit mehr als 25 Jahren und die Arbeitslosenquote im Euroraum liegt mit 6,6 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit mindestens 25 Jahren...

«Es gibt einen Grund für diese Entwicklung. Dieser ist strukturell sowie sichtbar: der demografische Wandel», schreibt der Portfolio Manager. Die Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist rückläufig, was eine einschneidende Änderung darstelle. Man dürfe nicht vergessen, dass die erwerbstätige Weltbevölkerung infolge der Öffnung Chinas in den 1980er Jahren um Hunderte Millionen Personen anstieg und kurz vor 2020 ihren Höchststand erreichte.

«Jetzt kehrt sich der Trend aufgrund der Überalterung. Nicht nur die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in China nimmt ab, auch die Beschäftigtenzahlen in den Industriestaaten gehen zurück», weiss Gastaldi.

Diese Dynamik habe den Vorteil, dass es sehr einfach sei, die Entwicklung in den kommenden Jahren zu modellieren. Es sei nicht nötig, komplexe Hypothesen aufzustellen, da man nur die Grösse der Generationen berücksichtigen müsse, die in den kommenden Jahren auf den Arbeitsmarkt kommen beziehungsweise diesen verlassen werde. Diese Generationen «existieren» bereits, deshalb seien die Daten zuverlässig.

Bis 2030 dürften 15 der grössten Volkswirtschaften der Welt (Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien, Japan, Kanada usw.) mit einem Arbeitskräftedefizit zu kämpfen haben. 2030 könnten 8 Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen, was mehr als 20 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht!

Die Umkehr des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern scheine also anzuhalten. «Es ist zu beachten, dass die Kosten für das Ausscheiden eines Beschäftigten sich zwischen 30 Prozent bis zum Fünffachen der Jahresvergütung belaufen. Wobei es sich nur um Direktkosten handelt, zusätzlich sind die Ausführungsrisiken dazuzurechnen. Eine geringe Personalfluktuation kann daher einen erheblichen Kostenvorteil darstellen und die operativen Risiken mindern.»

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen, die in der Lage sind, Talente anzuziehen, fortzubilden und an sich zu binden, einen grossen Wettbewerbsvorteil besitzen. «Dieser Dogmenwechsel bricht mit der Zeit, in der Talente eine grosse und leicht zugängliche Ressource waren. Aus diesem Grund müssen Investoren heute in ihre Finanzanalyse eine Analyse der Attraktivität der Unternehmen am Arbeitsmarkt berücksichtigen. Dieser Ansatz steht im Mittelpunkt unserer SRI-Aktienstrategie zum Thema Humankapital», schreibt Gastaldi.

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