22.06.2020, 16:08 Uhr
Die Mehrheit der CFA-Mitglieder befürchtet, dass die Weltwirtschaft etliche Jahre benötigen wird, um sich von der Corona-Krise zu erholen. Längerfristig dürfte sich aber die Beschäftigungslage im Finanzsektor...
Kaum im Amt als neuer CEO von CFA Institute, führte Paul Smith im Rahmen der Finanz'15 in Zürich Gespräche mit wichtigen Branchenvertretern. Dabei gewährte er Fondstrends ein exklusives Interview.
Seit wenigen Wochen leiten Sie den renommierten Berufsverband CFA Institute. Welche Strategie werden Sie verfolgen?
Paul Smith: Ich zähle nicht zu den CEOs, die gleich nach ihrer Ernennung alles umkrempeln und einen Strategiewechsel vornehmen. Wir müssen grundsätzlich keine Logos, keine Organisationsstrukturen und keine unserer Initiativen verändern. Wir sind auf dem richtigen Weg. Mein einziges Bestreben ist, alles noch besser zu machen als bisher.
Sie wohnen und arbeiten seit 18 Jahren in Asien und sind der erste CEO von CFA Institute, der seinen Lebensmittelpunkt in Hongkong hat. Deutet dies nicht einen Strategiewechsel an, eine verstärkte Ausrichtung auf Asien?
Ich werde zwar meinen Lebensmittelpunkt in Hongkong behalten, arbeite aber auch regelmässig an unserem Hauptsitz in Charlottesville sowie in London. Asien bleibt aber in meinem Fokus. Die Region weist schon seit Jahren die stärksten Wachstumsimpulse auf. Rund die Hälfte aller Studenten, die am CFA-Weiterbildungsprogramm teilnehmen, stammt inzwischen aus dem asiatisch-pazifischen Raum. Allein in China zählten wir letztes Jahr 36000 Teilnehmer und in Indien 15000. Damit steigt auch der Anteil der asiatisch-pazifischen Region an unseren 127000 Mitgliedern. Dieser beträgt bereits gut 15%, was dem Anteil Europas entspricht. Um dem wachsenden Interesse der Region Rechnung zu tragen, eröffnen wir nun zusätzliche Sitze in Beijing and Mumbai.
Was sind die Gründe für dieses starke Wachstum in Asien?
Einerseits besteht natürlich allein aufgrund der riesigen Bevölkerung Aufholpotential. Ausserdem müssen das Bankensystem und die Kapitalmärkte ausgebaut werden, um das starke Wirtschaftswachstum in dieser Region zu finanzieren. Allerdings richtet sich das CFA-Programm eher an global tätige Banken. Und diese sind in Asien noch nicht so stark vertreten.
Erwächst den Schweizer Banken in Asien eine starke Konkurrenz?
Wie gesagt, der Erfolg des CFA-Programms in Asien zeigt, dass sich das dortige global Banking allmählich entwickelt. Und es ist offensichtlich, dass in der Schweiz vermehrt asiatische Banklogos zu sehen sein werden. Doch viele CFA-Charterholder in Asien arbeiten bei westlichen Banken, die nach wie vor im global Banking dominieren.
Wie sehen Sie die Stellung der Schweizer Banken in Asien?
Diese ist weiterhin sehr stark. Im Ausland geniessen die Schweizer Banken ein viel besseres Image als zuhause. Sie dienen vor allem als Tor zur Schweiz, da dieses Land eine hohe Sicherheit ausstrahlt. Die Anleger suchen in der Schweiz in erster Linie Sicherheit, erst in zweiter Linie Performance. Die momentane Stärke des Frankens trägt zu diesem Image bei.
Das bedeutet implizit, dass die ausländischen Anleger bei den Schweizer Banken nicht unbedingt Wert auf höchste Professionalität in Bezug auf die Vermögensverwaltung legen.
Das ist vielleicht etwas übertrieben formuliert, wobei wir in der Schweiz bei der Professionalität durchaus Spielraum nach oben sehen.
In welcher Hinsicht?
Die Anreiz- und Lohnsysteme führen oft zu Interessenkonflikten, die es dem Anlageprofi erschweren, voll im Interesse seiner Kunden und zum Nutzen der Öffentlichkeit zu walten, wobei das auch anderswo gilt. Auch die Regulierung könnte noch einiges dazu beitragen, dass sich die Qualität im Banking und damit auch das Vertrauen der Anleger zu den Anlageprofis verbessern. Deshalb kämpfen wir nicht nur mit Weiterbildungsprogrammen für eine stetig steigende Professionalisierung in der Finanzindustrie, sondern auch an der Regulierungsfront.
Wird die Schweiz ihre internationale Stellung auf Dauer halten können?
Sofern sich die Professionalität und die Kundenzentrierung verbessern, bestimmt. Die Voraussetzungen sind gut. Die Lebensqualität ist gut, die Infrastruktur modern, Organisation und Prozesse effizient und vor allem: In den Schweizer Depots lagert nach wie vor ein Drittel der weltweiten Privatvermögen. Wenn das keine erfolgsversprechende Basis ist?
In Bezug auf die Stellung im Private Wealth Management kann also die Stellung der Schweiz gesichert werden. Wie sieht es in Bezug auf die Stellung im weltweiten Asset Management aus?
Sie sprechen wohl die Asset Management-Initiative an. Natürlich wird es schwierig für die Schweiz, die Bedeutung von London oder New York zu erreichen. Aber wir sehen durchaus Potential. Im Asset Management hat die Schweiz zurzeit vor allem eine weltweit führende Drehscheibenfunktion. Dazu gehört auch die professionelle Auswahl von ausländischen Asset Managern und deren Produkten. Zwar gibt es hierzulande nur wenige grosse Asset Management-Firmen, und das Oeko-System ist noch schwach differenziert. Doch die steigende Zahl von spezialisierten Boutiquen und Hedge Funds zeigt, dass die Schweiz für aktive Asset Manager an Attraktivität gewinnt. Wir können mit unseren Initiativen zur Verbesserung der Professionalität und des Anlegervertrauens dazu beitragen und tun das gerne über unsere lokale Gesellschaft CFA Switzerland.
Ist dies der Grund, dass Sie der Schweiz so rasch nach Ihrer Ernennung einen Besuch abstatten?
Unter anderem. Wir führen hier mit einigen wichtigen Branchenvertretern Gespräche. Die Schweiz hat für CFA Institute aufgrund ihrer weltweit zentralen Funktionen sowie der hohen internationalen Attraktivität eine grosse Bedeutung. Ausserdem hat das Land mit gegen 3000 CFA-Mitgliedern eine der höchsten "CFA-Dichten" der Welt.
Mehr Informationen zu Paul Smith finden Sie unter folgendem Link oder weiter unten.
Kurzbio
Paul Smith bringt die internationale Erfahrung von mehr als 30 Jahren in Führungspositionen des Asset Managements mit, darunter 18 Jahre in Asien. Bevor er im Oktober 2012 zum CFA Institute wechselte, war er Vorsitzender und CEO der Asia Alternative Asset Partners. Er ist Fellow des Institute of Chartered Accountants of England and Wales sowie Vorstandsmitglied der Alternative Investments Association, Hongkong. Er hält einen Master-Abschluss der Oxford University und den CFA Titel.
Smiths Ernennung ist ein wichtiger strategischer Schritt mit Blick auf die zunehmend globale Ausrichtung des CFA Institute. Hierzu gehört u. a. der Ausbau der Standorte in China und Indien sowie das kontinuierliche Wachstum des kürzlich gestarteten Investment-Zertifizierungsprogramms Claritas.
Ich freue mich sehr darauf, die Zielsetzungen des CFA Institute auf internationaler Ebene voranzutreiben, kommentiert Paul Smith seine Ernennung. Das heisst vor allem, durch exzellente Ausbildung und die Etablierung einheitlicher Branchen- und Ethikstandards eine Investmentbranche mitzugestalten, die im Dienste der Gesellschaft steht.